Aktionärsbriefe sind oft Texte ohne erkennbaren Verfasser. Der Schreibstil: unpersönlich. Bei den Aussagen überwiegen oft Selbstbezug und Selbstlob. Erfolge werden mit buchhalterischer Akribie aufgezählt, Misserfolge gerne verschwiegen oder verharmlost. So wird das Wirkungspotenzial eines persönlich unterzeichneten Schreibens oft verpasst. Von Kaevan Gazdar und Manfred Piwinger

Das neue, qualitative Ranking des Reportingexpert.de fokussiert erstens auf das Kriterium Verbalökonomie: Investoren, aber auch andere Mitglieder der Financial Community erwarten, dass der Chef des Unternehmens auf den Punkt kommt. Eine ganze Reihe von Aktionärsbriefen liest sich allerdings wie kleine Lageberichte. Aber es gibt auch löbliche Ausnahmen: Neben Theodor Weimer von der Deutschen Börse schaffen es auch CEOs wie Elmar Degenhart von Continental, auf kaum mehr als einer Druckseite die wesentlichen Etappen des Geschäftsjahres zu vermitteln.

Zu den weiteren Kriterien gehören Offenheit und Adressatenorientierung. Offenheit ist vor allem bei schlechten Geschäftsergebnisse angebracht. Positiv hervorzuheben: HeidelbergCement. Hier entsteht nicht der Eindruck, dass etwas unter den Teppich gekehrt wird. Auch die Commerzbank stellt die schwierige Unternehmenslage so dar wie sie ist. Adressatenorientierung bewertet, ob der Text einen Bezug zum Leser schafft oder ob er sich eher durch Anonymität, Passivformen und andere Distanzmechanismen ausweist. Vorbildlich in diesem Zusammenhang: Linde. Die Interessenlage der Investoren steht im Vordergrund.

Die letzten zwei der insgesamt fünf Kriterien fokussieren auf Sprachqualität und Informationsgehalt. Sprachqualität wertet den Satzbau ebenso aus wie die Verwendung von Adjektiven, Wortspielen und anderen Formen der sprachlichen Anreicherung. Der Aktionärsbrief von Beiersdorf enthält zwar viele Euphemismen, ist aber ansonsten stilistisch sehr gut gelungen. Bei Informationsgehalt geht es um die Auswahl, Gliederung und Präsentation der Fakten. Bei Allianz werden die Ergebnisse nachvollziehbar beschrieben; hinzu kommt eine bemerkenswerte klare Erläuterung der Unternehmensstrategie. Auch bei Merck wird der Leser überaus breit gefächert informiert.

Auf den ersten drei Plätzen des Ranking stehen:

  • Theodor Weimer von der Deutschen Börse
  • Aldo Belloni von Linde
  • Oliver Bäte von Allianz

 

Weitere Informationen und ein ausführlicher Kommentar zum Ranking sind in Kürze auf der Website des http://www.reportingexpert.de/ abzurufen.

 

Autor/Autorin