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Die politischen und ökonomischen Unsicherheiten der letzten 24 Monate bestehen fort, die Unternehmen sehen sich historischen Aufgaben gegenüber. Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung stellen Geschäftsmodelle infrage und führen zu massiven Umbrüchen. Dennoch eilt der DAX von einem Allzeithoch zum anderen.

Während die DAX40 offenbar weiterhin (internationales) Kapital anziehen, befindet sich ein Großteil der kleinen und mittelgroßen börsennotierten Unternehmen hingegen in einer Abwärtsspirale an den Börsen. Gründe für diese Abwärtsspirale sind fehlende Liquidität in der Aktie und die Lücke bei der Bereitstellung von Risikokapital in Deutschland, aufgrund derer zahlreiche Unter­nehmen für die Eigenkapitalfinanzierung auf internationales Kapital angewiesen sind. Hinzu kommen die Regelungen der MiFID II, die dazu geführt haben, dass die ­Research-Coverage für dieses Segment unattraktiver geworden und daher weiter zurückgegangen ist. Viele­ Unternehmen verschwinden zunehmend aus dem Blick­winkel internationaler Investoren.

Die Kursentwicklung zahlreicher Small- und Mid-Cap-Unternehmen ist folglich nicht ausschließlich fundamental bedingt, sondern hat oft technische Ursachen. Viele ­dieser Unternehmen sind daher an der Börse mittlerweile zum Schnäppchenpreis zu haben. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu erwarten, dass diese Unternehmen attraktive Ziele für öffentliche Übernahmeattacken geworden sind und in diesem Segment mit einer zunehmenden Übernahmeaktivität gerechnet werden muss. Nicht zuletzt sollte die Zinspolitik der Zentralbanken weltweit zu einer Stabilisierung oder gar Absenkung des Zinsniveaus führen und auch die Fremdfinanzierung von Übernahmen wieder erleichtern. Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen sollten sich daher wieder verstärkt mit dem Übernahmerecht beschäftigen.

Denn: Die Organe der Zielgesellschaft sehen sich in einer Übernahmesituation ­einem strengen gesetzlichen Rahmen gegenüber und sind nicht unerheblichen Haftungs­risiken ausgesetzt. Das Angebot des Bieters ist unter rechtlichen und wirtschaft­lichen Gesichtspunkten sorgfältig zu prüfen und die Organe müssen ihre Reaktion ­unter Berücksichtigung der Interessen der Zielgesellschaft und Einbeziehung der maßgeblichen Stakeholder sorgfältig abwägen. Dabei müssen sie auf die Bewertung des ­Unternehmens durch den Bieter ebenso eingehen wie auf seine Absichten und die ­Folgen für die Aktionäre sowie die hinter den Übernahmeplänen stehende strategische und wirtschaftliche Logik. Schafft der Zusammenschluss mehr Wert als eine Stand-­alone-Strategie? Ist der „Bear-Hug“, die erste Annäherung seitens des Bieters, einmal erfolgt, ist der Druck auf die Organe hoch und eine sorgfältig abgewogene Reaktion ggf. nicht mehr möglich. Es gilt mithin, vorbereitet zu sein.

Autor/Autorin

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann ist ­Partner für Gesellschaftsrecht und M&A und Co-Lead of Germany bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Gowling WLG. Er berät schwerpunktmäßig im Aktien- und ­Kapitalmarktrecht, insbesondere bei öffentlichen Übernahmen und Takeover Defence.