Dr. Thorsten Kuthe und Madeleine Zipperle, Rechtsanwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

Bezugsemissionen erfordern seit Mitte dieses Jahres einen Prospekt. In der Praxis wird dieses Erfordernis aktuell in vielen Fällen als große Überraschung empfunden und mit Unverständnis registriert. In der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift wurde dies zu Recht als Überregulierung eingestuft. Ohne Zweifel tut Deutschland dem Mittelstand hiermit kein Gefallen. Sind jetzt jedoch wirklich Kleinstemissionen von Freiverkehrsunternehmen „uninteressant“? Wir meinen: So schlimm ist es nicht.

Der „Königsweg“ wäre es, den Prospekt doch zu vermeiden. Hier gilt es, kreative Lösungen zu entwickeln. Zunächst können Emittenten, die Namensaktien haben, nachweisen, dass sie weniger als 150 Aktionäre pro EU-Land haben, dann wäre kein Prospekt erforderlich. Also Umstellung auf Namensaktien im Freiverkehr? Denkbar, aber Vorsicht, Namensaktien verursachen typischerweise laufende Zusatzkosten, die auch bedacht sein wollen.

Ein anderer Ansatz ist es, das Bezugsrecht häufiger als bisher auszuschließen. Aus unserer Sicht kann es Situationen geben, in denen sich ein Bezugsrechtsausschluss auch über 10% hinaus maßgeblich damit begründen lässt, dass Kosten und Zeitaufwand für die Prospekterstellung zu groß sind. Damit man solche Möglichkeiten nutzen kann, empfiehlt sich, künftig das genehmigte Kapital flexibler zu gestalten. Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass solche Beschlüsse auch bei Publikumshauptversammlungen häufig „durchlaufen“.

Das ist doch trotzdem rechtlich alles unsicher, wird der eine oder andere jetzt unken. Richtig. Aber was kann denn passieren? Zunächst: Die Kapitalerhöhung ist wirksam, auch wenn das Bezugsrecht unzulässig ausgeschlossen wurde! Damit besteht kein Risiko für die beteiligten Banken und Investoren. Ja, die Gesellschaft könnte Schadenersatzansprüchen von einzelnen Aktionären ausgesetzt werden. Uns ist aber kein Fall bekannt, in dem in der Vergangenheit ein Aktionär solch einen Schadenersatz geltend gemacht hat. Solange die Großaktionäre die Transaktion unterstützen, ist das finanzielle Risiko durch Klagen einzelnen Kleinaktionäre auch überschaubar. Schließlich könnte ein Aktionär die Kapitalerhöhung mit einer einstweiligen Verfügung stoppen. Unschön, ohne Zweifel. Ist das ein Grund, es erst gar nicht zu versuchen? Wir meinen nicht – den Mutigen gehört bekanntlich die Welt.

Auch wenn man den Prospekt nicht vermeiden kann, lassen sich viele Transaktionen trotzdem interessant gestalten: Die Prospektanforderungen für kleine und mittlere Unternehmen sind in einigen wesentlichen Punkten deutlich reduziert worden. Es müssen keine Zwischenabschlüsse vorgelegt werden. Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalspiegel können ebenfalls entfallen. Wenn Lageberichte beigefügt werden, entfällt die Erläuterung der Abschlüsse in dem Prospekt. Nach ersten praktischen Erfahrungen mit Kleinstemissionen meinen wir, 20% Kosten und 12 Wochen Zeitbedarf sind zu hoch gegriffen; mit einem Hands-on-Approach kommt man auch mit acht Wochen und wesentlich geringeren Kosten durch. Immer noch viel Aufwand, immer noch viel Zeit. Aber vielleicht doch keine so schlechte Alternative zu anderen Formen der Kapitalbeschaffung. Unser Fazit ist daher: Ja, Bezugsrechtsemissionen sind überreguliert, aber in vielen Fällen trotzdem weiterhin eine interessante Option.

Dieser Artikel ist erschienen im GeoningPublic Magazin 11/2012.

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