Andreas Schmidt, Vorstand der Bayerische Börse AG und Geschäftsführer der Börse München

Familienunternehmen stehen für eine langfristige Ausrichtung, für ein Denken in Generationen und nicht in Quartalen. Ihr Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Zulieferern ist fair und menschlich. Ihre Lenker und Inhaber sind fleißig, innovativ, solide und ihrer Heimat verpflichtet. Kurzum, Familienunternehmen verbinden globales Wirtschaften mit regionalem Selbstbewusstsein und Humanität. Von börsennotierten Unternehmen wird oftmals ein gegenteiliges Bild gezeichnet: schnelllebig auf den kurzfristigen Erfolg aus, von Managern geführt, die nur Boni hinterherlaufen, immer auf der Suche nach ökonomischer Effizienz, niedrigsten Löhnen, geknechteten Zulieferern, nur um an der Börse zu blenden und den Aktienkurs nach oben zu fahren.

Es fällt auf, dass es junge Absolventen – egal ob Betriebswirte oder Ingenieure – ganz besonders zu diesen „gierigen“ Aktiengesellschaften zieht. Unter den ersten zehn der „beliebtesten Arbeitgeber“ für Wirtschaftswissenschaftler sind ausschließlich AGs gelistet, bei den Ingenieuren sind es immerhin acht (hier sind die Robert Bosch GmbH, als Stiftung geführt, und die Fraunhofer-Gesellschaft die Ausnahmen von der Regel). Unter den weltweit teuersten Marken (Brands) finden sich ausschließlich Aktiengesellschaften. Börsennotierte AGs haben also durchaus einen guten Ruf. Der manifestiert sich eben nicht nur in ihrem Börsenwert, sondern auch in der Beliebtheit bei potenziellen Bewerbern und den Kunden. Kein DAX- und kein anderes weltweit agierendes Unternehmen kann es sich leisten, ausschließlich von Quartal zu Quartal zu denken. Kein CEO kann es sich erlauben, einen Konzern und die darin Beschäftigten nur kurzfristig orientiert zu führen. Die Anteilseigner, die Aktionäre, sind in der überwiegenden Mehrzahl genauso an einer langfristig erfolgreichen Strategie „ihres“ Unternehmens interessiert wie die Eigner eines Familienunternehmens. Über Sponsoring und Stiftungen engagieren sich nicht nur Familienunternehmen, sondern auch Konzerne und ihre Manager für Kultur und Sport, Soziales und die Umwelt.

Die Börse München erhebt gemeinsam mit Hauck & Aufhäuser und der Baader Bank den HAFIX (Hauck Aufhäuser Familien Index).

Das beweist, dass eine Schwarz-Weiß-Malerei zwischen börsennotierten Firmen und Familienunternehmen nicht zielführend ist. Auch Familienunternehmen haben Schwächen: Die fehlende Transparenz erschwert die Suche nach kompetenten Mitarbeitern und Führungskräften. Unstimmigkeiten in der Familie können strategische Entscheidungen verzögern. Dringend notwendiges Kapital kann nicht oder nur zu Teilen beschafft, die erwünschte Expansion nicht ausreichend vorangetrieben werden. Nur glaubwürdige Nachfolgeregelungen sichern den Bestand des Unternehmens und der Arbeitsplätze.

Deshalb ist die Verbindung von Schwarz und Weiß die wohlklingendste Variante – genau wie auf dem Klavier. So erbringen Familienunternehmen an der Börse nachweislich eine bessere Performance als Kapitalgesellschaften, die ausschließlich in fremden Händen sind. Der HAFIX (Hauck Aufhäuser Familien Index) Deutschland und HAFIX Europa, den die Börse München mit Hauck & Aufhäuser und der Baader Bank erhebt, belegt dies immer wieder aufs Neue. Börsennotierte Familienunternehmen halten an ihren Mitarbeitern fest, auch über Krisen hinweg. Mit Hilfe von Belegschaftsaktien kann diese Bindung zusätzlich verstärkt werden. Da passt es gut, dass rund 60% der Kinder aus Familienunternehmen sich einen Börsengang vorstellen können bzw. dies nicht mehr strikt ablehnen. „Ebony and ivory live together in perfect harmony!“ – Die Zeit dafür ist reif, und sei es in einem ersten Schritt für die Fremdkapitalaufnahme mittels Unternehmensanleihen.

Dieser Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin 11/2012.

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