Dr. Alexander Thomas, Partner, Mayrhofer + Partner

Im Zusammenhang mit wesentlichen Strukturbeschlüssen auf Hauptversammlungen findet regelmäßig ein sogenanntes Spruchverfahren statt, bei dem die Höhe einer gewährten bzw. zu gewährenden Abfindung einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen wird. Die wichtigsten Informationen zu diesem Spruchverfahren sollen im Folgenden dargestellt werden.

Anwendungsbereich des Spruchverfahrens

Bei einer Vielzahl wesentlicher Strukturbeschlüsse durch die Hauptversammlung sieht das Gesetz die Verpflichtung zur Gewährung einer angemessenen Abfindung zugunsten der (außenstehenden) Aktionäre vor. Die Höhe dieser Abfindung unterliegt gerichtlicher Kontrolle. Maßgebliche Verfahrensordnung ist das sogenannte Spruchverfahrensgesetz. Im Anwendungsbereich dieses Spruchverfahrensgesetzes hindert die Überprüfung der Angemessenheit der festgelegten Abfindung die Eintragung der Strukturmaßnahme in das Handelsregister und damit dessen Wirksamwerden nicht.

Das Spruchverfahren findet insbesondere in folgenden Fällen Anwendung:

  • Ausgleich und Abfindung außenstehender Aktionäre bei Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträgen;
  • Abfindung von Minderheitsaktionären beim Ausschluss aus der Gesellschaft (Squeeze-out);
  • Zuzahlung oder Barabfindung bei Umwandlungsmaßnahmen;
  • Abfindung ausgeschiedener Aktionäre im Falle der Eingliederung;
  • Zuzahlung oder Barabfindung bei Gründung oder Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE).

Der Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes wird über die gesetzlich normierten Fälle hinaus von der Rechtsprechung auch in weiteren Situationen angewandt oder diskutiert, etwa im Zusammenhang mit einem Delisting.

Abgrenzung zur Anfechtungsklage

Soweit der Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes eröffnet ist, kann die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses nicht darauf gestützt werden, dass die Abfindung gar nicht, nicht ordnungsgemäß oder zu niedrig angeboten worden ist. Auch hat der Gesetzgeber in § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG klargestellt, dass auf unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit der Abfindungszahlung eine Anfechtungsklage nicht gestützt werden kann. Allerdings ist der Anwendungsbereich einer Anfechtungsklage dann wieder eröffnet, wenn von einer gänzlich verweigerten Information auszugehen ist. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sollte nur eine Information, die inhaltlich diesen Namen verdient, von der Anfechtung ausgeschlossen sein. Daher sollte auf der Hauptversammlung mit der Beantwortung von Fragen, die sich auf die Abfindung beziehen, nicht leichtfertig umgegangen werden.

Gegenstand des Spruchverfahrens

Gegenstand des Spruchverfahrens ist die gerichtliche Überprüfung der Höhe der festgelegten Abfindung. Zur Bestimmung dessen, was angemessen ist, setzen sich die Gerichte intensiv mit den Fragen der Unternehmensbewertung auseinander. Materiell-rechtliche Fragen, die über die Unternehmensbewertung hinausgehen, spielen in der Regel keine Rolle. Vor dem Hintergrund dieses Verfahrensgegenstandes kommt sachverständigen (Wirtschafts-)Prüfern eine zentrale Bedeutung zu, da die Gerichte nur in seltenen Fällen ausschließlich auf Grundlage eigener Sachkunde eine Entscheidung über die Angemessenheit der vorgenommenen Unternehmensbewertung treffen. Das Gericht kann bei Bedarf auch über die bereits erfolgten Prüfungen hinaus Gerichtssachverständige (zumeist Wirtschaftsprüfer) bestellen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Abfindungshöhe ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung bei börsengehandelten Aktien der Börsenwert in der Regel die Untergrenze der anzubietenden Abfindung darstellt.

Verfahrensregelungen

Antragsberechtigt ist jeder außenstehende Aktionär. Zuständig für das Verfahren ist das Landgericht am Sitz der Gesellschaft, funktional die Kammer für Handelssachen. Die Antragsfrist beträgt drei Monate, wobei der Fristbeginn abhängig von der Art der Strukturmaßnahme gesetzlich festgelegt ist. Im Hinblick auf die Vertretung der nicht am Verfahren beteiligten Aktionäre bestellt das Gesetz einen sogenannten gemeinsamen Vertreter, der die Interessen der nicht am Verfahren beteiligten Aktionäre wahrnimmt.

Beendigung des Spruchverfahrens

Im Ergebnis können Anträge im Spruchverfahren als unzulässig bzw. unbegründet zurückgewiesen werden oder sich als begründet erweisen, wobei das Gericht in diesem Fall die Abfindung festsetzt. Die Entscheidung wirkt für und gegen alle (außenstehenden) Aktionäre, einschließlich derjenigen, die am Verfahren unmittelbar nicht beteiligt waren (sog. „Inter-omnes“-Wirkung). Die Entscheidung des Gerichts wie auch ein Vergleich ist im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen.

Grundsätzlich trägt die Gesellschaft losgelöst vom Ausgang des Verfahrens die Gerichtskosten (einschließlich etwaiger Kosten durch die Beauftragung von Gerichtssachverständigen), ihre eigenen Kosten sowie die Vergütung des gemeinsamen Vertreters, jeder Antragsteller seine eigenen (Anwalts-) Kosten, wobei Spruchverfahren in der Praxis vielfach durch einen Vergleich beendet werden, bei dem die Gesellschaft sich auch zur Übernahme der Kosten der Antragsteller verpflichtet. Gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts ist die Beschwerde zum Oberlandesgericht gegeben. Darüber ist unter weiteren Voraussetzungen auch die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof denkbar.

Fazit

Spruchverfahren stellen ein besonderes Verfahren dar, bei dem ausschließlich die Höhe der gewährten Abfindung wesentlicher Strukturmaßnahmen, die im Regelfall durch die Hauptversammlung beschlossen wurden, einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen wird. Überprüft wird nicht die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Strukturmaßnahme. Aus Sicht der Emittenten und/oder ihrer Hauptaktionäre ist es von Vorteil, dass eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung getrennt von der Rechtmäßigkeit der Strukturmaßnahme als solches betrachtet wird, um so auch zu verhindern, dass langjährige Auseinandersetzungen im Hinblick auf die Abfindungshöhe das Wirksamwerden der Strukturmaßnahmen verhindern.

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