Kein Wunder, denn amerikanische Investmentbanken blasen bereits wieder zum Einstieg. Begründet wird der Stimmungsumschwung von vielen Institutionellen mit „strategischer Asset-Allocation“: Eine Branche wird im Vergleich zu einer Benchmark über- oder untergewichtet, wenn sich fundamentale Faktoren ändern. Dies können einerseits makroökonomische Indikatoren sein, die sich auf die Konjunktur als Ganzes und auf die Gewinn- bzw. Wachstumsaussichten einer bestimmten Branche auswirken. Die jeweilige Branche wird dann insgesamt hochgestuft. Ein Beispiel wäre ein Sinken der Arbeitslosenzahlen und ein Anstieg der Einkommen. Dieses würde sich positiv auf die Konsumbranche und somit z.B. auf die Ertragsaussichten der Einzelhandelsunternehmen niederschlagen.

Andererseits tragen aber auch branchenspezifische Kriterien zu einer Änderung der Gewichtung eines Sektors in einem breitgestreuten Portefeuille bei. Dies könnte beispielsweise ein neuer Konsumtrend sein. Wenn z.B. alle Deutschen auf einmal auf gesunde Ernährung setzen, dann steigen die Gewinnaussichten für Nahrungsmittelhersteller, die „probiotische“ und sonstige gesundheitsfördernde Erzeugnisse im Angebot haben. Damit ist dann zwar normalerweise noch kein allgemeiner Branchentrend verbunden, weil der Nahrungsmittelkonsum insgesamt gesehen nicht zunimmt. Da diese Lifestyle-Foods jedoch teurer sind als andere Lebensmittel, steigen insgesamt die Erträge der Nahrungsmittelkonzerne. Folglich werden die Aktien von Danone, Nestlé und Unilever hochgestuft, die Kurse steigen. Diese Entwicklung konnte übrigens im Laufe dieses Jahres an der Börse beobachtet werden.

Eigentlich müßte man meinen, daß ceteris paribus an der Börse morgen noch gilt, was heute richtig ist. Wenn sich also an den fundamentalen Aussichten für die Konjunktur und für die Einstellung der Verbraucher nichts geändert hat, dann dürften die Nahrungsmittelaktien weiterhin attraktiv sein. An der abflauenden Konsumneigung der Verbraucher kann es also nicht liegen, wenn Food auf einmal „out“ ist und institutionelle Anleger die Gewichtung der Telekoms in ihren Portfolios wieder hochfahren. Genauso wenig kann es an den veränderten Konjunkturaussichten liegen, daß die betreffenden Werte auf einmal wieder „in“ sind – die UMTS-Lizenzen in Deutschland sind gerade erst bezahlt aber die Schulden sind noch lange nicht gestemmt. Ganz zu schweigen von den zukünftigen Erlösen aus dem UMTS-Geschäft – diese sind unsicherer denn je!

Es drängt sich also der Verdacht auf, daß die gerade einsetzende Branchenrotation weniger fundamental als vielmehr psychologische, wenn nicht gar vermarktungstechnische Ursachen hat: Broker machen ihr Geschäft bekanntermaßen mit Umsätzen. Folglich ist nichts schädlicher für einen Händler als ein ruhendes Depot. Von daher kurbeln Änderungen in der Strategie der Anleger die Umsätze in den Portefeuilles und damit die Erlöse der Brokerhäuser an. Da kann eine kleine Branchenrotation von Zeit zu Zeit ja nicht schaden. Schade nur, daß viele sogenannte „Profis“ dem Herdentrieb folgend, immer wieder den gleichen Fehler begehen und sich ein so ausgelöster Trend zu einer „self-fulfilling prophecy“ verselbständigt! Andererseits wäre das Börsengeschehen ohne solche Ereignisse langweilig – die Indices und Märkte würden auf der Stelle treten. Zum Glück kommen die Analysten und Sales-Leute in den großen Brokerhäusern immer wieder auf neue Ideen, um das Spiel wieder anzutreiben. Wie sagte schon André Kostolany: „Es gibt zwei Arten von Börsenspekulanten: Die Zittrigen und die Hartgesottenen. Allerdings gibt es zehnmal so viele Zittrige wie Hartgesottene.“

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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