Bildnachweis: Bundesjustizministerium/ Thomas Köhler / photothek.

Das Covid-19-Gesetz ist mit Ende des Jahres Geschichte – nach der schnelle Implementierung 2020 und der Ausdehnung auf 2021 darf die Regelung nicht mehr verlängert werden. Damit stehen die deutschen Emittenten vor der Frage, wie sie ihre Hauptversammlung 2022 organisieren können.

Aktuell sind die Inzidenzen niedrig und die Impfquote steigt – dennoch kann es durchaus sein, dass der Herbst eine weitere Corona-Welle bringt, die sich bis ins neue Jahr zieht. Wie also sollen große Unternehmen, die ihre Hauptversammlung (HV) bereits Anfang des Jahres planen, nun verfahren? Siemens ist nur ein prominentes Beispiel. Der Konzern plant die HV traditionell im Februar.

Eine reine Präsenzhauptversammlung braucht Alternativen – das ist Corona-bedingt erforderlich, aber auch ein längst fälliger Schritt in Richtung Digitalisierung. Bisher scheitert die dauerhafte Gesetzgebung an den unterschiedlichen Erwartungen von Investoren und Emittenten hinsichtlich der Gewährung von Aktionärsrechten.

Doch nun bekommt die Diskussion neuen Schub. Die Frühjahrskonferenz der Justizminister der Länder fordert in einem Beschluss, die „Chancen des Digitalisierungsschubs auch im Aktienrecht zu nutzen“.

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Die Justizminister sind der Auffassung, dass sich für Aktiengesellschaften die Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung bewährt hat „und diese auch in der Zeit nach der Corona-Pandemie eine gleichberechtigte Alternative zu einer Präsenzversammlung darstellen sollte“.

Man halte es daher für angezeigt, die virtuelle Hauptversammlung als „dauerhaftes Instrument im Gesellschaftsrecht zu verankern“. Durch eine Änderung des Aktiengesetzes sollte Gesellschaften laut Konferenz in der Zeit nach dem 31. Dezember 2021 die virtuelle Hauptversammlung ermöglicht werden.

Der Beschluss nimmt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht in die Pflicht: Sie solle „zeitnah“ einen Gesetzentwurf vorlegen, „der den notwendigen dauerhaften gesetzlichen Rahmen“ für digitale Versammlungen und Beschlussfassungen bereits ab der Hauptversammlungssaison 2022 schaffe. Zeitnah ist dabei das Schlüsselwort: Im September wird gewählt.

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Die Rechte von Aktionären müssten dabei mit denen in einer Präsenzveranstaltung gleichwertig sein – unter Berücksichtigung der Besonderheit elektronischer Kommunikation. Bernhard Orlik, Geschäftsführer von Link Market Services, schreibt dazu in seinem aktuellen Newsletter: „Sollte das Bundesjustizministerium der Bitte nachkommen, müssen in Zukunft entsprechende digitale Tools sicherstellen, dass Abstimmungen online möglich sind und das Auskunfts- und Antragsrecht nicht weiter eingeschränkt bleibt.“ Link habe gemeinsam mit Kunden bereits entsprechende Tools entwickelt.

Naturgemäß eine etwas andere Meinung haben die Vertreter der Aktionäre. Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger: „Generell halten wir eine virtuelle Hauptversammlung für keinen gleichwertigen Ersatz für eine Präsenz-HV, da dadurch kein wirklicher Dialog zwischen Aktionären und Management möglich erscheint.“ Sollte die Bundesregierung dennoch die Möglichkeit einer rein virtuellen Hauptversammlung über die Pandemie hinaus in Betracht ziehen, müssen laut Bauer sämtliche Rechte der Aktionäre auch in einer virtuellen Form beibehalten und garantiert werden. „Ferner müssen die Gesellschaften grundsätzlich für die HV-Übertragung bis zum Aktionär haften, also insbesondere für eine ausreichende Leitungskapazität und technische Funktionsfähigkeit Sorge tragen. Generell würden wir aber eine hybride Form der Hauptversammlung, also mit online Teilnahmemöglichkeit während einer Präsenz-HV für die beste Lösung halten.“

Autor/Autorin

GoingPublic Redaktion / iab