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Ein starkes Schlussquartal sorgte auf dem weltweiten IPO-Markt für neue Höchststände: Weltweit haben 2020 insgesamt 1.363 Unternehmen den Schritt aufs Parkett gewagt – 19% mehr als im Vorjahr. Das Emissionsvolumen stieg sogar um 29% auf 268 Mrd. USD und damit auf den höchsten Wert seit 2010. Auch in Europa ging es aufwärts – die Zahl der ­Börsengänge stieg um 23% auf 185, das Emissionsvolumen um 9% auf 27 Mrd. USD.

Ein wichtiger Treiber des IPO-Geschehens ist nach wie vor die enorm hohe Liquidität im Markt, die nach Anlagemöglichkeiten sucht. 2020 war ­Disruption pur. Neben dem Technologie­bereich geriet an zweiter Stelle der Gesund­heitssektor (50,4 Mrd. USD oder 19% der Erlöse, 235 IPOs oder 17% der Transaktionen) im IPO-Markt in den Fokus der Investoren. Im Subsegment Biotechnologie gingen 124 Unternehmen an die Börse und platzierten 30,3 Mrd. USD. Darunter entschieden sich zwei deutsche Biotechunternehmen für ­einen Börsengang in New York: CureVac und Immatics über einen SPAC-Merger (Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) sind börsennotierte Mantelgesellschaften). Der Kapitalmarkt bleibt damit ein wichtiger Finanzierungs- und Exitkanal für Biotech.

IPO-Ökosystem im virtuellen Umfeld

Auch der IPO-Markt hat sich mit virtuellen Tools in der Investorenansprache an das neue pandemiebedingte Umfeld erstaunlich gut angepasst. Die Herangehensweise der Unternehmen an einen Börsengang hat sich in diesem Jahr ebenfalls stark verändert. Die IPO-Platzierungsphase wurde dank virtueller Roadshows deutlich digitaler und schlanker. Damit einhergehend haben kürzere Roadshows das Volati­litäts- und Preisrisiko reduziert.

Cross-over-Finanzierungen mit attraktiven Pre-IPO-Step-ups

Die Beteiligung renommierter Cross-over-Investoren ca. sechs bis zehn Monate vor dem geplanten Börsengang zählt zur Best Practice im Biotechsektor und ist fester Bestandteil der IPO Value Journey und Readiness geworden. Je nach klinischer Phase und Therapiebereich werden dabei derzeit Step-up-Bewertungen in ­einer Bandbreite zwischen 1,4 und 1,6 geboten.

Cross-Border-Transaktionen auf Vorjahresniveau

Obwohl die weltweite Anzahl der Cross-Border-IPOs mit gut 8% auf Vorjahres­niveau geblieben ist, stieg die Messgröße bezogen auf das Emissionsvolumen von 7% auf 10%. Die Top-Three-Börsen waren NASDAQ und NYSE (insgesamt 63 IPOs) sowie Hongkong (13 IPOs). Besonders hoch ist die Cross-Border-Aktivität im ­Bereich Biotechnologie: So gingen 18 oder rund 15% der 124 Biotech-IPOs außerhalb des Heimatmarkts an die Börse, weit ­überwiegend an die NASDAQ, darunter zuletzt deutsche Unternehmen wie CureVac und Immatics 2020 sowie BioNTech und CENTOGENE im Vorjahr. Die Anzahl der faktischen Cross-Border-IPOs und -Listings kann sich durch einen weiteren Trend erhöhen – nämlich den Zusammenschluss eines Börsenkandidaten mit einer in den USA börsennotierten SPAC.

SPAC-Welle als Option für Biotechs beim Börsengang?

SPAC-Welle als Option für Biotechs beim Börsengang?
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Im letzten Jahr haben SPACs endgültig ­ihren Durchbruch in den USA gefeiert:
248 SPAC-Listings sammelten insgesamt 91 Mrd. USD ein. Diese haben nun gut zwei Jahre Zeit, um operative Gesellschaften zu akquirieren und sich mit diesen zusammenzuschließen. Zunehmend ziehen ­europäische Börsenkandidaten einen ­Zusammenschluss mit einer in den USA börsennotierten SPAC in Betracht. Oft ­genannte Gründe sind die bessere Vermarktung gerade von zukunftsbezogenen Aussagen und Prognosen in einer bilate­ralen, nicht-öffentlichen Verhandlungs­situation im Vergleich zu den begrenzten Möglichkeiten bei prospektpflichtigen ­öffentlichen Angeboten bei klassischen Börsengängen. Herausforderungen sind das Erreichen der Börsenfitness in relativ kurzer Zeit (vier bis sechs Monate) und die höhere Komplexität der Transaktion. Bedingt durch die bestehende Börsen­notiz der SPACs an der NASDAQ oder NYSE hat der neu geschaffene Emittent nach erfolgreichem Zusammenschluss hohe Anforderungen der SEC zu erfüllen. Eine rechtzeitige Vorbereitung und eine umfassende IPO Readiness sind auch hier wichtige Erfolgsfaktoren.

Autor/Autorin

Dr. Martin Steinbach
Partner, Head of IPO and Listing Services in Deutschland at Ernst & Young (EY) | Website

Dr. Martin Steinbach ist Partner und IPO-Leader bei EY. Er verantwortet seit April 2011 den Bereich IPO und Listing Services in Deutschland, Österreich und der Schweiz.