Heute gibt es fast keinen Artikel über die Geldanlage an der Börse mehr, in dem nicht darauf hingewiesen wird, dass das schöne Motto des Alt-Börsianers André Kostolany, Aktien zu kaufen und anschließend die Anlage ruhen zu lassen, in der heutigen Zeit nicht mehr anwendbar wäre. Ich persönlich halte das für Unsinn. Wie soll man denn ansonsten Geld verdienen an der Börse, wenn nicht mit Sitzfleisch? Etwa mit Charttheorie oder Elliottwellen? Wie lächerlich und anmaßend Menschen doch manchmal sein können.

Wer vor zehn Jahren Aktien gekauft hätte und heute verkaufen würde, der hätte keinen Gewinn gemacht. Das ist die gegenwärtig immer wiederkehrende Überlegung. Doch wie dumm kann jemand sein, so eine Überlegung anzustellen? Denn erstens kauft man niemals alle Aktien zum selben Zeitpunkt – und zweitens kauft der erfolgreiche langfristig orientierte Investor nicht dann, wenn die Aktien heftig gestiegen, sondern vielmehr dann, wenn sie gefallen sind.

Ich habe jetzt das Anlagemodell, dass ich bereits seit Jahrzehnten implizit praktiziere, einmal in einer einfachen Anlageregel formuliert. Diese Anlageregel ist an eine einzige Voraussetzung gebunden, die da lautet: Die Weltwirtschaft muss mittel- bis langfristig weiter wachsen. Passiert das nicht, wird die Regel außer Kraft gesetzt. Doch angesichts der enormen Aufholpotentiale von großen Teilen der Welt zum Wohlstand der großen Industrieländer habe ich hier wenig Sorge.

Die Regel ist sehr einfach und setzt sich aus zwei Punkten zusammen:

(1) Sobald der Markt innerhalb kurzer Zeit 40 % vom Top verloren hat, dann kaufe und halte anschließend.

(2) Warte bis der Markt 100 bis 150 % zugelegt hat, dann verkaufe. Halte anschließend erneut Ausschau nach (1).

Im Grunde genommen handelt es sich hier um eine Kombination aus dem altbewehrten Buy-and-Hold, das heute so sträflich überall diskreditiert wird, weil man stets zu ungünstige Einstiegszeitpunkte annimmt, was jedoch durch die andere alte Regel, zu kaufen, wenn die Kanonen donnern, erfolgreich behoben wird.

Was man dabei kauft und welche Aktienanteile man wählt, überlasse ich dem Gusto des jeweiligen Anlegers. Am besten große, weltweit orientierte Blue Chips. Und den Aktienanteil wähle man für die Investitionsperiode nach der alten Formel: 100 minus Lebensalter.

Wer sich so verhält, muss schließlich nur noch eines tun – sich abschotten von dem ganzen Prognosequatsch, der tagtäglich auf ihn herein bricht, wo Menschen wider besseren Wissens Dinge zu wissen vorgeben, die kein Mensch wissen kann. Nur dass die Kurse schwanken und sich langfristig parallel zur Wirtschaftsentwicklung bewegen, darüber lässt sich eine seriöse Aussage treffen.

Bernd Niquet

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