Vor einigen Monaten war der Börsengang der russischen Großhandelstochter der Metro AG angekündigt worden. Im März verschob Metro diese IPO-Pläne an der London Stock Exchange auf unbestimmte Zeit. Aufgrund der Krise in der Ukraine hätten potenzielle Investoren einen erheblichen Abschlag auf den Emissionspreis eingefordert. Hierauf wollten sich die Düsseldorfer nicht einlassen. Nach den Neuwahlen des Präsidentenamts in der Ukraine Ende Mai ist es nach Wochen und Monaten der Schlagzeilen in der Presse anscheinend wieder etwas ruhiger geworden. Anlass genug, einmal die wirtschaftlichen Folgen dieser Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine und Russland zu betrachten.

Billiger Rubel

Die politische Krise hat zu einer erheblichen Verbilligung des Rubels geführt. Die Nachfrage nach ausländischen Währungen hat signifikant zugenommen. Informationen der russischen Zentralbank ist zu entnehmen, dass diese Nachfrage im März ein Rekordhoch von rund 15 Mrd. USD und damit den höchsten Stand seit Januar 2009 erreichte, was einer Zunahme von 50% gegenüber Februar 2014 entspricht. Desweiteren wurde die Hälfte der Bestände an ausländischem Bargeld von den Konten abgezogen, nämlich etwa 7 Mrd. USD. Die Kapitalflucht in ausländische Währungen und die Abwertung der eigenen Währung lassen die Investitionen sinken. Als Reaktion auf die Abwertung des Rubels erhöhte die russische Zentralbank Anfang März den Leitzzins von 5,5% auf 7% und Ende April nochmals um 0,5% auf 7,5%, was den privaten Konsum eher hemmt. Deutsche Unternehmer verzeichnen aufgrund der Verteuerung deutscher Produkte schon einen Rückgang der Exporte. So sanken die Exporte von Deutschland nach Russland im ersten Quartal 2014 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 13%; im gleichen Zeitraum stiegen die Importe von Russland nach Deutschland um rund 5,5% (OMV Fokus 05/06-2014, S. 3).

Wachstum sinkt

Auch ohne die Krise hatte sich das Wachstum in Russland im Jahr 2013 erheblich reduziert. So lag es nur noch bei 1,3%, während das BIP in den vorangegangenen zehn Jahren – also einschließlich der weltweiten Finanzkrise – jährlich um durchschnittlich rund 4,7 % gestiegen war. Der Internationale Währungsfonds hatte schon vor der Krise für 2014 mit 1,3% und für 2015 mit 2,3% – gemessen an den Vorjahren für russische Verhältnisse – geringe Wachstumsraten prognostiziert. Dies liegt u.a. daran, dass in Russland immer noch Investitionshemmnisse bestehen, was sich auch in verschiedenen Indizes widerspiegelt. Im Corruption Perceptions Index von Transparency International lag Russland 2013 auf Platz 127 von 175. Im Doing-Business-Index der Weltbank 2013 belegt Russland Platz 112 von 185 Ländern und im BDO International Business Compass 2013 belegt Rang 111 von 174 Ländern.

Ulla-Martina Bauer und Richard Wellmann, BDO AG
Ulla-Martina Bauer und Richard Wellmann, BDO AG

Hierbei fällt insbesondere die schlechte Bewertung bezüglich der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen auf. Grundsätzlich wurde der Zufluss ausländischer Direktinvestitionen und guter Rahmenbedingungen gemessen am Doing-Business-Index in der Vergangenheit durchaus positiv bewertet. Dennoch sind keine strukturellen und institutionellen Fortschritte auszumachen und somit werden die Perspektiven daher mittel- bis langfristig als eher verhalten eingeschätzt.

Reichtum an Bodenschätzen

Im Vergleich zu anderen Schwellenländern, wie z.B. China, hat Russland einen deutlich geringeren Anteil am weltweiten BIP. Gemessen am Wohlstand weist Russland jedoch ein wesentlich höheres Pro-Kopf-Einkommen auf. Dies spiegelt sich auch im Kauf und der Ausstattung mit Konsumgütern wider. Nach einer Auswertung der International Organization of Motor Vehicle Manufacturers kamen im Jahr 2012 in China 65 Autos auf je 1.000 Einwohner, in Russland hingegen 270 Pkw auf je 1.000 Einwohner.

Dieser Wohlstand begründet sich im Reichtum an Bodenschätzen, über die Russland verfügt. Nach Saudi-Arabien ist Russland der zweitgrößte Ölproduzent und nach den USA der zweitgrößte Gasproduzent. Der Anteil der Energieexporte betrug im Jahr 2012 etwa zwei Drittel der gesamten Warenexporte. Bislang haben sich die politischen Turbulenzen noch nicht auf die Energiepreise ausgewirkt, jedoch zeigen die oben beschriebenen Auswirkungen, dass diese auch ohne wirtschaftliche Sanktionen Einfluss auf die russische Wirtschaft haben.

Die Europäische Union ist mit einem Anteil von 45% an den Exporten und etwa 34% an den Importen der wichtigste Handelspartner Russlands. Deutschland importiert nach Angaben des BMWI 2013 ca. 35% seines Energiebedarfs an Erdgas und Öl aus Russland.

Fazit

Russland kommt als einem der weltweit größten Energielieferanten eine große Bedeutung zu. Ein Ausfall könnte eine Verteuerung der Energiepreise und eine weltweite Rezession herbeiführen. Bisher hatte der letzte Höhepunkt des andauernden Konflikts – die Androhung Russlands an die Ukraine, nur noch gegen Vorkasse Gas zu liefern – keine Auswirkungen auf die Europäische Union. Das muss sicher auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Russland auf die Einnahmen aus Energielieferungen angewiesen ist. Allein die wachsende Verunsicherung und der mögliche Ausbau von Alternativen könnten sich negativ auf seine Marktstärke auswirken. Offenbar ist Russland zunehmend bemüht, langfristige Abnehmer seiner Rohstoffe im Osten zu finden, was am Gas-Deal mit China, der auf 400 Mrd. USD geschätzt wird, deutlich wird. Es ist nicht zu übersehen, dass Russland für die Europäische Union und insbesondere Deutschland einen wichtigen Handelspartner darstellt. Eine weitere Verschlechterung der russischen Wirtschaft und insbesondere schärfere Sanktionen würden hauptsächlich europäischen und damit deutschen Wirtschaftsinteressen schaden.

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass hier auch die geopolitische Konkurrenz zwischen dem Westen und Russland eine Rolle spielt. Hier helfen rationale wirtschaftlich begründete Argumente nicht immer weiter. Die ständige mediale Dämonisierung der anderen Seite und die damit verbundene politische bis hin zur militärischen Eskalation könnte nicht nur eine Gefährdung der wirtschaftlichen Beziehungen, sondern auch darüber hinaus des politischen Friedens darstellen. Dies dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

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