IROs profilieren ein neues Selbstverständnis: das des verlässlichen Partners für Sachlichkeit im Kapitalmarkt.

Kapitalmarkt diskreditiert
Die Bankenkrise hat den gesamten Kapitalmarkt erschüttert und seine Akteure pauschal diskreditiert. Aktien und Anleihen von Unternehmen haben diesen GAU allerdings nicht verursacht. Erst als die taumelnden Banken ihrer eigentlichen Funktion als Kreditfinanzierer und Zahlungsverkehrsgarant nicht mehr nachgekommen sind, brachen auch die Geschäfte der Unternehmen ein und ihre Aktien und Anleihen kamen unter Druck. Aus Sicht der Unternehmen war dies ein externes Ereignis, das sie in ihren Prognosen nicht berücksichtigen konnten und für das sie auch moralisch nicht verantwortlich gemacht werden können.

Wie schon 2001, als die Exzesse der New Economy erkennbar wurden, sind die wahren Gewinner, die kleinen und großen Anleger, die damals wie heute rechtzeitig aus dem Casino ausstiegen, nicht zu belangen. Also richtet sich die Wut der Verlierer gegen die Emittenten von Wertpapieren, mit denen spekuliert wurde. Unbestritten sei hier die rechtmäßige Verurteilung einzelner verbrecherischer Emittenten. Die Mitverantwortung der übrigen Kapitalmarktakteure hingegen wurde nie aufgearbeitet, denn der 11. September 2001 hat dann einen weit einfacheren Grund für den Niedergang der Börse geliefert. Möglich, dass auch der Staat kein Interesse hatte, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Schließlich hat er an der New Economy kräftig mitverdient, durch Besteuerung der Spekulationsgewinne und Börsengänge von Staatsunternehmen. Es passt ins Bild, dass die Politik nachfolgend mit einer Reihe von Maßnahmen zur Eingrenzung der Emittentenfreiheiten aufwartete, bis hin zur Regulierung von Managergehältern. So konnten Neidgefühle populär befriedigt werden.

Staatliche Emittenten als Negativbeispiel für Investor Relations
Auch in der Finanzmarktkrise wendet sich der Volkszorn in erster Linie gegen die Emittenten von Wertpapieren. Es überrascht also nicht, dass sich die Politik erneut einseitig in Stellung gebracht hat. Diesmal wird die Aufarbeitung der Ursachen allerdings nicht durch Terroristen verdrängt, sondern durch den griechischen Staat, dessen Überschuldung die gerade wieder anlaufende Weltkonjunktur erneut ausbremst und die Kapitalmärkte verunsichert. Doch gelten bei Staatsanleihen offenbar andere Regeln. Plötzlich sind die trickreichen Emittenten riskanter Wertpapiere die Opfer, und alle Schuld liegt angeblich bei den Anlegern, den Spekulanten, gegen die von staatlicher Seite zu Felde gezogen wird. So mancher Anleger hat so über Nacht nicht nur die erhoffte Rendite eingebüßt, sondern muss sich jetzt auch noch vorhalten lassen, dass seine Anlageentscheidung unmoralisch war und Strafe verdient. Wer möchte für solche Emittenten noch auf Roadshow gehen?

Die Aktie muss wieder Anlageschwerpunkt werden
Wir brauchen eine entschiedene Rückbesinnung auf die eigentliche Funktion des Kapitalmarkts als Intermediär zwischen Kapitalsuchenden und Kapitalanbietern zur Finanzierung wirtschaftlichen Fortschritts. Wir müssen mehr Nachhaltigkeit einfordern und durch Entschleunigung der Kapitalmärkte sicherstellen.

Wenn immer mehr Teilnehmer im Kapitalmarkt dessen Kernaufgabe aus den Augen verlieren und den Wertpapierhandel als losgelöstes Geschäftsmodell zum Limit treiben, dann ist es dringende Aufgabe der IROs, dagegen aufzustehen. Derivate sind und bleiben ein gesamtwirtschaftliches Nullsummenspiel ohne gesellschaftlichen Mehrwert. Sie dürfen deshalb nicht Primärinteresse der Kapitalmarktteilnehmer sein, will man weitere Exzesse vermeiden.

Der Sachwert Aktie mit Substanz aus nachhaltigem Wirtschaften muss wieder im Fokus sein und als Alternative zum staatsgarantierten Geldvermögen positioniert werden: der Anteilsschein als faire Teilhabe am Unternehmenserfolg in Form von Dividende und Wertsteigerung durch thesaurierte Gewinne. Anleger sollten nur solche Kapitalmarktpapiere kaufen (dürfen), die sie verstehen. Es ist durchaus anspruchsvoll, das Geschäftsmodell einzelner Emittenten zu durchdringen. Aber dabei bekommt der Anleger wertvolle Hilfe durch IROs, die komplexe Sachverhalte zielgruppenspezifisch aufbereiten und transparent werden lassen. Sie sind sachkundige Experten für ein Unternehmen, eine Aktie. IROs sind keine umsatzgetriebenen Verkäufer, sondern Botschafter ihres Unternehmens, und erklären Geschäftsmodell, Wettbewerb sowie Zukunftschancen dieses Investments. IROs sind für den Anleger auch und gerade nach einem Investment ansprechbar. Diese Qualität und Nachhaltigkeit in der Kommunikation findet der Anleger bei keinem anderen Investment. Investor Relations für Derivate, Verbriefungen und Zertifikate wird man vergeblich suchen. Anleger werden auch kaum jemand finden, der ihnen diese Vehikel wirklich erklären kann, geschweige denn ein ehrliches Interesse daran hätte.

Fazit
Wenn niemand sonst sich für die Aktie einsetzt – die IROs tun es jeden Tag. Es ist deshalb auch Aufgabe des Berufsverbandes der IROs, für die Förderung der Aktienkultur und des Aktienmarktes einzutreten. Der Deutsche Investor Relations Verband (DIRK) will dies aus gegebenem Anlass noch deutlicher tun, mit klaren Forderungen an Politik, Aufsicht und Dienstleister im Kapitalmarkt.
Von Otmar Winzig, Präsident, Deutscher Investor Relations Verband (DIRK)

Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 6/2010.

 

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