Dadurch ist ein Thema in den Mittelpunkt gerückt, das zuvor nicht eng mit dem Finanzsektor verknüpft war, sondern vielmehr alle, insbesondere börsennotierte Unternehmen betrifft. So entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Regulierung von Unternehmen des Finanzsektors einerseits und sonstigen Unternehmen, insbesondere börsennotierten Aktiengesellschaften, andererseits. Die so regulierten Unternehmen finden sich zwischen deutscher Rechtssetzung und der Schaffung untergesetzlicher Regelungssätze, etwa durch die BaFin, sowie europäischen und globalen Regelungsansätzen, meist in Form von Prinzipien, Empfehlungen oder anderen Ausprägungen von Soft Law. Die Regelungsbemühungen sind verständlich, die Herausforderung hoch, doch fraglich scheint, ob sich die Unternehmen in diesem Miteinander paralleler Regelungen zurechtfinden werden und ob die Aufsichtsbehörden die jeweiligen Regelungswerke wirksam durchsetzen können.

Vorstandsvergütung und Professionalisierung der Aufsichtsräte
Am Anfang stand die heiß geführte Diskussion über die Nachhaltigkeit und eine angemessene Vergütung für Vorstände. Eine nachhaltige Ausgestaltung der Vorstandsbezüge bedeutet hierbei immer im Unternehmensinteresse die richtigen Anreize zu setzen sowie jeden Anreiz zu vermeiden, der zu unangemessenen Risiken für das Unternehmen führen könnte. Ein Handeln im Unternehmensinteresse bedeutet auch, für nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen. Gleichzeitig muss aber die Vergütungsstruktur einer Vergleichbarkeit nach außen und einer Verträglichkeit nach innen gerecht werden. Mit Blick auf diese doppelte Zielsetzung sind dem Aufsichtsrat erhöhte Pflichten auferlegt worden, sei es durch Unterstreichung einer Haftung bei Festsetzung unangemessener Vergütung, sei es durch eine verstärkte Kontrollaufgabe hinsichtlich der Vergütungsstruktur im Unternehmen bei Finanzinstituten, also unterhalb der Vorstandsebene. Etliche verantwortliche Stellen haben Regelungssätze unterschiedlicher Verbindlichkeit geschaffen, und dennoch ist kein Ende abzusehen, wie der Entwurf eines Berichts des Europäischen Parlaments zu Vergütungsthemen vom 6. April 2010 deutlich macht.

Mit etwas Verzögerung zur Vergütungsthematik setzte sodann die Diskussion zur besseren Qualifikation der Aufsichtsräte ein. Zu viele parallele Mandate, wenig Zeit für jedes Mandat, Interessenkonflikte und fehlendes Wissen sind die Hauptvorwürfe. Die erforderliche Qualität von Aufsichtsräten wurde nun im Sommer 2009 im Finanzmarktaufsichtstärkungsgesetz mit dem Stichwort der „Sachkunde“ umschrieben, um einerseits deutlich zu machen, dass ein Mehr an fachlicher Kompetenz erforderlich ist, andererseits aber auch für Mitglieder des Aufsichtsrats in aller Regel weniger Kompetenz erforderlich ist als die für Vorstände verlangte „Eignung“. Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex macht seit Jahresbeginn 2010 auf die besondere Bedeutung der Fort- und Weiterbildung aufmerksam. Im Übrigen fehlt in Deutschland bisher noch eine allgemein anerkannte Plattform des Austauschs unter Aufsichtsräten.

Noch nicht ausdiskutiert wurde die Frage, wie Interessenkonflikten besser vorzubeugen ist und ob nicht dem Thema der Unabhängigkeit im Verhältnis einerseits zur Kompetenz, also der Sachkunde, und andererseits im Verhältnis zu Risiken des Gruppendenkens („group think“) zu viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

Zusammensetzung des Aufsichtsrats und Diversität
Schon vor der Finanzmarktkrise forderte das Aktienrecht, ergänzt durch den Deutschen Corporate Governance Kodex, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen müssen. Folglich muss die Gemeinschaft aller Aufsichtsratsmitglieder zusammen, nicht hingegen jeder für sich allein, diese Fähigkeiten vorhalten. Bei der Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder ist eine gewisse Heterogenität erforderlich. Vor diesem Hintergrund war schon immer auf Diversität zu achten. Dies wird durch die neuen Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex unterstrichen. Wegen einer gewissen Trägheit der Aufsichtsräte und des Beraterumfelds, den Kandidatenpool für Aufsichtsräte zu erweitern und bei dieser Gelegenheit sowohl dem Aspekt der Internationalität als auch insbesondere einer besseren Repräsentanz von Frauen mehr Raum zu geben, hat die Einführung einer Frauenquote für den Aufsichtsrat in der öffentlichen Diskussion große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Eine deutliche Konkretisierung der Empfehlung zur Diversität durch die Regierungskommission ist zu erwarten.

Ausblick
Wir wissen noch nicht, wie die neuen Vorschriften greifen, ob die Aufsichtsräte und Hauptversammlungen eine bessere Kontrolle ausüben werden und wie etwa die BaFin ihre Regelungssätze durchsetzen wird. Und doch müssen wir uns bereits jetzt auf neue, noch weitergehende Regelungen einstellen. Augenmaß bei neuen Regulierungsansätzen und konsequente Umsetzung durch Aufsichtsbehörden ist erforderlich, um die Glaubwürdigkeit des neuen Regelungsrahmens sicherzustellen und Vertrauen in unsere soziale Marktwirtschaft wieder herzustellen.

Von Daniela Weber-Rey, LL.M., Partner, Clifford Chance

Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 6/2010.

 

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