Derzeit deutet alles darauf hin, dass das Jahr 2014 ein Rekord-Börsenjahr für Biotechs werden wird; allein in den USA ist insbesondere im Sommer dieses Jahres mit mehr als 20 IPOs ein wahrer Boom zu verzeichnen.[1] In diesem Umfeld ist mit der Innocoll AG (Deutschland) und der Auris Medical Holding AG (Schweiz) im Juli gleich zwei Biotech Gesellschaften aus der DACH-Region ein IPO an der US-Technologiebörse NASDAQ gelungen.[2]

Darüber hinaus hat die deutsche Affimed Therapeutics im Juni 2014 für ihren geplanten NASDAQ-Börsengang ein sogenanntes Registration Statement bei der Securities and Exchange Commission (SEC) eingereicht. Ebenfalls im Juli dieses Jahres erfolgte die Notierung der Orion Engineered Carbons Gruppe an der New York Stock Exchange.[3] Als Vorreiter der US-(Primär)Listings deutscher Unternehmen konnte bereits im Herbst 2013 die voxeljet AG ihr IPO an der NYSE feiern.

Robert Michels, Partner, und Darya Bulatskaya, Wirtschaftsjuristin, Dentons Europe LLP
Robert Michels und Darya Bulatskaya

Der US-Kapitalmarkt im Vergleich

Mit der NYSE und der NASDAQ verfügen die USA über die bedeutendsten Aktienbörsen der Welt und mit Alibaba steht der NYSE gar der vermeintlich größte Börsengang aller Zeiten ins Haus. 2013 erfolgten an diesen beiden Börsenplätzen ca. 240 IPOs mit einem Gesamtemissionsvolumen von mehr als 42 Mrd. EUR; im ersten Halbjahr 2014 waren es bereits mehr als 150 Börsengänge mit einem Gesamtemissionsvolumen von über 23 Mrd. EUR. Bei mehr als der Hälfte dieser Börsengänge war Private Equity bzw. Venture Capital als Hintergrund ausschlaggebend.[4] Die Statistik für Börsengänge in Deutschland fällt für diesen Zeitraum deutlich schwächer aus: Mit Zalando und Rocket Internet stehen für dieses Jahr jedoch noch für die Frankfurter Wertpapierbörse bedeutende Tech-IPOs an.

Rechtliche Besonderheiten bei einem US-IPO

Zwar könnten ausländische Aktien grundsätzlich auch direkt an einer US Börse notiert werden (Orion und Auris); soweit ersichtlich haben aber alle der vorgenannten Gesellschaften mit (verbliebenem) Sitz in Deutschland den Weg über ein sog. American Depositary Receipt (ADR) Programm gewählt. Hierbei werden die Aktien als Underlying bei einer Depotbank verwahrt und mit Hilfe der dann börsengelisteten American Depositary Shares (ADS) verbrieft. Der Anleger erlangt also keine unmittelbare Aktionärsstellung, sondern er wird lediglich wirtschaftlich wie ein Aktionär behandelt. Der indirekte Dividendenanspruch sowie die mittelbare Ausübung des Stimmrechts durch die Depotbank werden jeweils im Deposit Agreement geregelt.

Bei einem groben Vergleich der Dokumentations- und Zulassungsvoraussetzungen sowie der entsprechenden Emissionskosten bei Börsengängen in den USA und in Europa können allerdings keine wesentlichen Vorteile für ein US-IPO festgestellt werden. Im Gegenteil, der tatsächliche Dokumentationsaufwand und vor allem die damit verbundenen Kosten für einen Emittenten sowie die bestehenden Haftungsrisiken sprechen (nach wie vor) eher gegen ein IPO in den USA. Diese Kriterien führten in den letzten Jahren auch dazu, dass sich die großen deutschen DAX-Unternehmen (wie z.B. Deutsche Telekom, Allianz und Daimler) mit ihren Zweitlistings vom US-Markt mehrheitlich verabschiedeten.  Allerdings hat der Jumpstart Our Business Startups Act (JOBS Act) aus dem Jahr 2012 zu nennenswerten Erleichterungen für Small und Midcap Gesellschaften und damit auch insbesondere für sog. Foreign Private Issuers (FPI) – also ausländische Emittenten – geführt. Mit diesen Erleichterungen können aber die Börsengänge deutscher Unternehmen in den USA noch nicht hinreichend erklärt werden.

US-Investoren

Die USA verfügen nicht zuletzt auf Grund des hohen Anteils der kapitalgedeckten Altersvorsorge und damit immenser Anlagevolumina über den am weitesten entwickelten Kapitalmarkt. Die dortigen „Start-up“ und „High Tech“ Unternehmen können naturgemäß auf ein deutlich größeres Angebot an Finanzierungsquellen (Seed Financing, Venture Capital, Private Equity etc.) zurückgreifen als vergleichbare Unternehmen in Deutschland. Ein IPO-Kandidat aus den Tech-Segmenten kann sich bei der Investorensuche dabei auch überwiegend auf hochspezialisierte Wachstumsinvestoren für das jeweilige Segment konzentrieren. Laut M.M. Warburg basiert die Investmentphilosophie derartiger Investoren weniger auf der individuellen Analyse unternehmensspezifischer Erfolgsfaktoren als eher auf dem Potential der angewandten Technologie im Allgemeinen, was mehr oder weniger zu einem automatischen Investitionsdruck bei Neuemissionen führt.[5]

NYSE

NASDAQ

Marktkapitalisierung (in USD Mio)

18.507.191,9

6.505.313,8

Gelistete Emittenten

2.423

2.732

Sitz in den USA

1.898

2.409

Sitz im Ausland

525

323

Top 3 Sektoren (nach Anzahl Emittenten) Consumer, Financials, Energy Financials, Healthcare, Information technology
Anzahl IPOs

60 (2013: 120)

97 (2013: 117)

Emissionsvolumen (in USD Mio)

19.852 (2013: 43.395)

13.048 (2013: 15.349)

Quelle: World Federation of Exchanges, NASDAQ, NYSE/Stand 31. Juli 2014

Ein weiteres entscheidendes Kriterium stellt die Unternehmensbewertung dar: So soll nach einer aktuellen Studie von FCF Fox Corporate Finance das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei den entsprechenden Unternehmensbewertungen in den USA deutlich über der in Deutschland bzw. Europa erzielbaren liegen. Bei den hierfür betrachteten ca. 400 Börsengängen der letzten fünf Jahre lagen erwähnte Multiples im Jahr des Börsenganges in den USA durchschnittlich bei 28,4 gefolgt von 20,8 in Großbritannien und nur 14,5 in der DACH-Region.[6]

Fazit

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass auch für ausländische Biotech-Unternehmen das IPO-Fenster (zumindest in den USA) offen steht. Dies ist primär besagtem IPO-Boom für Biotechs in den USA geschuldet. Die Ursachen für das allgemein günstigere IPO-Umfeld in den USA – gerade für Small- und Midcap-Unternehmen – wurden in den letzten Monaten genauestens von der Deutschen Börse im Rahmen der Evaluierung eines „Start-up-Segments“ analysiert. Es bleibt abzuwarten, ob im Zuge der für den Rest des Jahres angekündigten IPOs oder aber im Zuge neuer bzw. überarbeiteter Börsen-Plattformen das Fenster sich auch für (Biotech-) Börsengänge in Frankfurt öffnen wird.


[1] Quelle: NASDAQ (unter Berücksichtigung der Monate Juni-August 2014 sowie der Sektoren Biotechnology und Major   Pharmaceuticals)

[2] Soweit ersichtlich mussten beide Gesellschaften ihre ursprünglichen Preisvorstellungen im Rahmen des IPOs relativieren.

[3] Bei Orion wurde für den IPO eine Holding Gesellschaft in Luxemburg gegründet; bei Affimed erfolgte eine Holdinggründung in     den Niederlanden. Lediglich bei Innocoll und voxeljet verblieb der juristische Sitz der Holding in Deutschland.

[4] Quelle: Ernst & Young „Q2 2014 Global IPO update and follow-on activity report“

[5] Quelle: M.M. Warburg „Offen gesprochen: Ist ein US-IPO eine Alternative für deutsche Unternehmen?“

[6] Quelle: FCF Fox Corporate Finance „IPO Valuation Comparison in the US and Europe“

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