Dr. Wilhelm Nolting-Hauff, Partner, Orrick Hölters & Elsing

Am 15. Dezember 2012 ist Schluss. Die Frankfurter Wertpapierbörse schließt das First Quotation Board (FQB), das (zum Leidwesen der dort gelisteten seriösen Gesellschaften) in den letzten Jahren auch zu einem Tummelplatz für obskure Unternehmen (meist ausländischer Provenienz), Glücksritter und Betrüger geworden war. Was ist der Hintergrund und was bedeutet die Schließung für die im deutschen Freiverkehr gelisteten Unternehmen und die dort aktiven Investoren?

Rechtlicher Unterbau des Freiverkehrs

Die Freiverkehrssegmente an den diversen deutschen Börsenplätzen haben ihre Rechtsgrundlage in § 57 Abs. 1 BörsG. Die eigentliche Einbeziehung von Wertpapieren in die Freiverkehre erfolgt demgegenüber ausschließlich auf Grundlage der jeweiligen Freiverkehrsrichtlinien bzw. Freiverkehrs-AGB der einzelnen Börsen. Diese Richtlinien müssen (nur) den Anforderungen des § 57 Abs. 1 BörsG genügen, insbesondere muss ein ordnungsgemäßer Börsenhandel gewährleistet werden, d.h. die Anleger müssen über bevorstehende Hauptversammlungen, Dividendenzahlungen, Kapitalveränderungen und sonstige für die Bewertung ihrer Wertpapiere bedeutsame Umstände informiert werden. Die Freiverkehrssegmente sind eine rein privatrechtliche Einrichtung, gleichwohl unterstehen auch sie der Kontrolle der jeweiligen Börsenaufsichtsbehörden.

Die Regularien in den besonders liberalen Freiverkehrssegmenten wie dem FQB dürfen mit einiger Berechtigung als lax bezeichnet werden. Es besteht keine Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen und Directors’ Dealings und es gibt keine Transparenz der Beteiligungsverhältnisse nach dem WpHG. Auch die Regelungen zum Mindestpreis bei Übernahmeangeboten und zur Abgabe eines Pflichtangebots im Falle der Kontrollerlangung über eine Aktiengesellschaft nach dem WpÜG sind nicht anwendbar. Zur Beachtung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze nach IFRS sind die Unternehmen nicht verpflichtet. Vorgaben hinsichtlich des Mindestvolumens, der Streuung und Herkunft der Aktien und des Mindestalters des Emittenten werden ebenfalls nicht gemacht. Eine Prospektpflicht für die Börsenzulassung existiert nicht. Lediglich die Verbote des Insiderhandels sowie der Marktmanipulation gelten auch in den freizügigsten der deutschen Freiverkehrssegmente.

Eskalierender Missbrauch

Die weitgehende Abwesenheit von Transparenz und Regularien hat Freiverkehrssegmente wie das FQB zur bevorzugten Heimstatt dubioser Unternehmen und krimineller Marktteilnehmer gemacht. Schon seit einer Reihe von Jahren wird immer wieder von betrügerischen Aktivitäten im Freiverkehr berichtet. Die beliebteste Masche der Betrüger bestand darin, über Telefonanrufe, E-Mails oder obskure Newsletter die Papiere von Unternehmen zu bewerben, um deren Kurse nach oben zu treiben und sie dann zu verkaufen.

In anderen Fällen haben die Betrüger sich die Daten

von Depotinhabern „erschlichen“ und mit deren Hilfe erhebliche Kauforders platziert. Anschließend haben die Täter ihre eigenen Aktien auf dem entsprechend gestiegenen Kursniveau abgestoßen und den anschließenden Kurskollaps aus sicherer Entfernung beobachtet.

Die Geschichten, mit denen die Aktien wertloser Unternehmen in die Höhe katapultiert wurden, hatten dabei durchaus einen gewissen Unterhaltungswert. So wurden angebliche Minen- und Explorationsunternehmen beworben, die kurz davor standen, die Entdeckung riesiger Edelmetallfunde bekannt zu geben, oder in der Schweiz domizilierte Penny Stocks standen vor einem angeblichen Übernahmeangebot für den Pariser Disneyland-Freizeitpark. Der Fantasie sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Wohlklingende Unternehmensnamen wie Aurum Mining Resources, Curcas Oil oder Worldwide Energies taten ihr Übriges, um die Anlegerfantasie zu beflügeln. Großer Beliebtheit bei Betrügern erfreuen sich auch schweizerische Aktiengesellschaften, da diese bereits Aktien zum Nennwert von einem Rappen emittieren können. Nach Auskunft der BaFin betreffen inzwischen bereits mehr als 90% der positiven Marktmanipulationsanalysen Unternehmen aus diesem Marktsegment.

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