Auch kleinere, nicht börsennotierte mittelständische Unternehmen nutzen mittlerweile die Möglichkeit, sich Fremdkapital direkt am Kapitalmarkt zu besorgen. Bonds als alternative Form der Unternehmensfinanzierung sind in Deutschland angekommen. Ein Paradigmenwechsel?

Ein Paradigmenwechsel beschreibt den Wandel grundlegender Rahmenbedingungen. Und in den letzten Jahren waren wohl kaum größere Veränderungen als auf den globalen Finanzmärkten zu spüren. Die Euro-, Staats-, Schulden-, Banken- oder einfach nur die Finanzkrise mit ihren Folgen hat zu fallenden Zinsen, aber auch zu extrem hohen Risikoaufschlägen für geliehenes Geld geführt. Dadurch ausgelöst ist der Strukturwandel des Finanzsektors in vollem Gange.

Paradigma 1: Kredite gibt es bei der Hausbank!

Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für eine Kreditvergabe verschärfen sich weiter. Die Baseler Beschlüsse zwingen Banken zu einer immer höheren Eigenmittelunterlegung, wenn sie Geld verleihen möchten. Für kapitalsuchende Unternehmen wird es daher nicht nur teurer, sondern auch schwieriger, sich Geld bei ihrer Hausbank zu borgen. Finanzierungsalternativen gab es früher kaum, heute aber schon: etwa Leasing, Schuldscheindarlehen, Mezzanine, Factoring oder die Emission von Anleihen. Ergänzende, bankenunabhängige Bausteine in der Finanzierungsstruktur gewinnen an Bedeutung.

Paradigma 2: Unternehmen handeln opportunistisch!

Wachstum benötigt insbesondere unter volatilen Rahmenbedingungen langfristig stabiles Kapital. Je breiter die Finanzierungsarchitektur aufgestellt ist, desto weniger krisenanfällig ist sie. Bonität und Liquidität sind die entscheidenden Faktoren für die zukünftige Unternehmensentwicklung geworden. Damit wird eine langfristige, strategisch ausgerichtete Unternehmensfinanzierung immer wichtiger: Die Finanzierungsstrategie folgt der Unternehmensstrategie.

Paradigma 3: Der Kapitalmarkt ist nur für Konzerne und institutionelle Investoren interessant!

Konzerne finanzieren sich regelmäßig über Emissionen sogenannter Benchmark-Anleihen ab 500 Mio. EUR Volumen bei institutionellen Investoren. Mittelständler und private Investoren haben hier in der Regel keinen Zugang. Dann wurde im Mai 2010 der „Bondm“ an der Börse Stuttgart ins Leben gerufen: der erste organisierte Markt für Anleihen mittelständischer Unternehmen. Hier konnten erstmals Anleihen ab einem Emissionsvolumen von 25 Mio. EUR direkt auch bei privaten Investoren platziert und gehandelt werden. Dieser Weg steht ebenfalls nicht börsennotierten Emittenten offen. Im Prospekt sind testierte Abschlüsse und ausführliche Risikohinweise neben generellen Informationen zum Unternehmen enthalten. Solange die Anleihen dann an der Börse gelistet sind, müssen bestimmte Folgepflichten eingehalten werden. Insgesamt zwar ein komplexer Prozess, aber durchaus machbar – und er lohnt sich für den Mittelstand.

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