Falko Bozicevic (l.) und Joshua Boger, Gründer, Vertex Pharmaceuticals

Kostspielige Anlaufkosten, langatmige Genehmigungsverfahren und unzureichender Schutz intellektuellen Eigentums – das ist der Horror eines jeden Forschers und doch ist dies inzwischen beinahe Alltag in der Biotechnologiebranche. Das GoingPublic Magazin sprach am Rande der weltgrößten Biotech-Messe – dieses Jahr in Boston – mit dem Gründer von Vertex Pharmaceuticals, einem der inzwischen bedeutendsten, da erfolgreichsten internationalen Biotechnologieunternehmen.

GoingPublic: Herr Boger, Sie betonen stark, dass biotechnologische Forschung in der Öffentlichkeit oftmals nicht die Anerkennung erfährt, die ihr gebührt. Ist es wirklich so dramatisch?

Boger: Absolut. Wenn Sie mir eine unendlich große Summe Geld zur Verfügung stellen, dann kann ich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit damit einen Menschen zum Mars oder von mir aus auch nur zum Mond bringen. Wenn Sie mir aber dieses Geld zur Verfügung stellen, um damit eine Heilung gegen zum Beispiel Alzheimer zu finden, sieht das anders aus.

GoingPublic: Wirkstoffentwicklungen werden zunehmend teurer und die Zeit bis zur Marktreife länger – ein Teufelskreislauf?

Boger: Einen neuen Wirkstoff in den Markt einzuführen, benötigt heute durchschnittlich 15 Jahre, mehr als doppelt so lange wie vor einigen Jahrzehnten. Die hohen Fehlerquoten gar nicht erwähnt. Dazu der limitierte Patentschutz. Da können Sie nachvollziehen, warum ich sage, dass Forschungsleistungen in unserer Branche nicht ausreichend anerkannt werden. Und das, obwohl die Biotechnologie Leben rettet bzw. das Leben vieler heute lebender, aber auch erst in Zukunft lebender Menschen verbessern hilft.

GoingPublic: Wo sehen Sie die Wurzel dieser Entkopplung?

Boger: Die finden Sie darin, dass eine entsprechende Nachfrage – durchaus ja auch verständlicherweise – nach möglichst günstigen Therapien oder Wirkstoffen besteht und diese Entwicklung darüber hinaus entsprechend gefördert und gefordert wird. Generika, also Nachahmerprodukte, stehen höher im öffentlichen Ansehen als Innovationen. Dahinter stehen Sparmaßnahmen allerorten, sei es in den Krankenkassen oder allgemein den öffentlichen Ausgaben. Ohne beständige Wirkstoffinnovationen gäbe es gar nichts zum Nachahmen, das wird gern vergessen.

GoingPublic: Blicken wir mal in die Zukunft: Wie lassen sich Wirkstoffentwicklung und damit Life Sciences, die „Lebenswissenschaften“ mithin, beschleunigen und ihre Bedeutung hochhalten?

Boger: Auch wenn wir uns in Bezug auf Daten inmitten einer wissenschaftlichen Revolution befinden, so sind doch einige Schlüsselfragen gänzlich unbeantwortet. Wir sammeln sehr, sehr viele biowissenschaftliche Daten, aber für die meisten existieren noch nicht einmal Standards. Auch nicht für das Datensammeln an sich. Genau genommen wissen wir in unserer Branche noch nicht einmal, welche Daten wir alle abfragen und zusammentragen sollen.

GoingPublic: Was ist für Sie die größere Herausforderung: ein Unternehmen wie Vertex Pharmaceuticals zu führen oder einen neuen Wirkstoff vom Reißbrett bis zur Marktreife zu bringen?

Boger: Einen ganz neuen Wirkstoff zu entwickeln natürlich – dagegen ist Unternehmensführung ein Klacks!

GoingPublic: Herr Boger, ganz herzlichen Dank an Sie für die interessanten Einblicke.

Das Interview führte Falko Bozicevic am Rande der Bio Convention 2012 in Boston.

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