Rechtsanwältin Dr. Rita Pikó, LL.M. (Exeter), Frankfurt am Main

Der Aufsichtsrat hat in seinem jährlichen Bericht an die Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 AktG über das Ergebnis seiner Prüfungstätigkeit zu berichten und mitzuteilen, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft während des Geschäftsjahres geprüft hat. Dabei stellt sich die Frage, in welcher Intensität der Aufsichtsrat über seine Prüfungstätigkeit im Zusammenhang mit Compliance-Themen zu berichten hat.

Berichterstattung des Vorstands über Compliance-Themen

Die Berichterstattung der Vorstände börsennotierter Aktiengesellschaften über ihre Compliance-Maßnahmen wird in den Geschäftsberichten unterschiedlich gehandhabt: Teilweise erfolgt sie im „Corporate Governance- und Compliance-Bericht“ oder in einem gesonderten „Compliance-Bericht“. In den aktuellen Compliance-Berichten – insbesondere der DAX-Unternehmen – berichten die Unternehmen detailliert über ihre Compliance-Programme, Verbesserung ihrer Compliance-Management-Systeme, konzernweite Schulung der Mitarbeiter, nachhaltige Prüfung ihrer Geschäftspartner, Einführung von Standards bei internen Untersuchungen oder ihr Engagement mit Collective Actions. Dies ist eine begrüßenswerte Entwicklung und widerspiegelt die wachsende Bedeutung von Compliance für diese Unternehmen. Compliance-Berichte geben heute ein Indiz dafür, welche Compliance-Themen in einem Unternehmen aktuell sind.

Die Regelberichterstattung des Vorstands an den Aufsichtsrat über Compliance-Themen enthält üblicherweise aktuelle Entwicklungen des Compliance-Programms des Unternehmens, den Status quo der Compliance-Management-Systeme, aktualisierte Risikoanalysen, Stand der Antikorruptionsprogramme, festgestellte Compliance-Verstöße und den Stand interner Untersuchungen.

Berichterstattung des Aufsichtsrats über Compliance-Themen

Der Aufsichtsrat berichtet an die Hauptversammlung über seine Prüfungstätigkeit mittels seines Aufsichtsratsberichts und stellt einen Rechenschaftsbericht über seine Überwachungstätigkeit im Verlauf des Berichtsjahres dar. Dabei korrespondiert der Inhalt des Berichts gemäß § 171 Abs. 2 AktG mit den dem Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG zugewiesenen Aufgaben zur Überwachung der Geschäftsführung. Aktionäre können aus dem Bericht folgern, ob der Aufsichtsrat seine Überwachungspflichten ordentlich erfüllt hat. Aus diesem Grunde verlangt § 171 Abs. 2 S. 2 AktG, dass der Aufsichtsrat in seinem Bericht mitteilt, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung geprüft hat. Die in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG hervorgehobenen Aufgabenschwerpunkte des Prüfungsausschusses können dabei gemäß Ziff. 5.3.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex um Compliance-Fragen erweitert werden. Die Praxis zeigt, dass Compliance-Themen vorwiegend vom Prüfungsausschuss kontrolliert werden, in einigen Fällen wird ein Compliance-Ausschuss geschaffen.

In den vergangenen Jahren hat sich eine positive Entwicklung bei den Aufsichtsratsberichten gezeigt. Bei den DAX-Gesellschaften sind diese ausführlicher geworden und spiegeln auch diejenigen besonderen Compliance-Themen wider, die im Berichtsjahr für das Unternehmen von Bedeutung waren. Nach wie vor finden sich allerdings auch Berichte, die identische Textbausteine über mehrere Jahre verwenden und deren Aktualisierung sich im Wesentlichen auf das Ersetzen der Jahreszahlen beschränkt.

Im Gegensatz zu den Compliance-Berichten des Vorstands enthalten die Berichte des Aufsichtsrats generell wenige Angaben darüber, ob und in welcher Intensität sich der Aufsichtsrat mit Compliance-Themen befasst hat. Meistens findet sich in den Berichten ein Nebensatz, aus dem sich ergibt, dass sich der Prüfungsausschuss „mit dem internen Kontroll- und Risikomanagementsystem einschließlich Compliance“ oder „den Ergebnissen der Untersuchungen der internen Revision zur Effektivität antikorruptionsbezogener Maßnahmen“ befasst hat. Positiv hervorzuheben ist ein Fall eines zusätzlich zum Aufsichtsratsbericht verfassten Berichts des Prüfungsausschusses, in dem über die regelmäßigen Einzelgespräche zwischen Prüfungsausschussvorsitzenden dem zuständigen Vorstand, Compliance-Berater sowie Leiter Group Compliance und Recht berichtet wird. In diesem Fall wird ausgeführt, dass sich der Ausschuss mit Compliance-Fragen befasste, die auch die „vom Vorstand beschlossenen Weiterentwicklungen und erforderlichen Anpassungen innerhalb der konzernweiten Compliance-Strukturen und -Aktivitäten“ beinhalteten.

Was aber sind die Compliance-Themen, mit denen sich der Aufsichtsrat im Idealfall auseinandersetzen sollte, und in welcher Intensität sollten diese ihren Niederschlag im Aufsichtsratsbericht finden? Vor allem bei Gesellschaften in einer Compliance-Krise ist es aus Sicht der Aktionäre und Stakeholder wünschenswert, Klarheit darüber zu erhalten, ob und mit welcher Intensität sich der Aufsichtsrat damit auseinandergesetzt hat, wie der Vorstand für das Unternehmen rufschädigende bis zu existenzgefährdende Compliance-Themen aufarbeitet. Insbesondere die wesentlichen Prüfungsmaßnahmen sollten erkennbar werden.

Mit zunehmendem Schweregrad vorhandener Compliance-Risiken steigt die Verpflichtung des Aufsichtsrats, sich mit diesen Compliance-Themen im Rahmen seiner Kontrollfunktion zu befassen. Besondere Überwachungsmaßnahmen des Aufsichtsrates wären insbesondere in Fällen von internen Untersuchungen und laufenden nationalen oder internationalen Ermittlungsverfahren gegen Vorstände und das Unternehmen erforderlich. Es sollte erkennbar sein, wie der Aufsichtsrat das Compliance-Thema behandelt hat, um daraus erkennen zu können, ob er seiner Prüfungsverantwortung gerecht wurde. Entsprechend erwarten Aktionäre, dass der Aufsichtsrat in seinem Bericht darauf eingeht, mit welchen Themen er sich eingehend befasst hat, wer ihm darüber berichtet hat und wen er hierzu befragen konnte sowie wer ihn hierzu beraten hat.

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