Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Auf den ersten Blick schien die „Zickzack“-Strategie von Talanx für außenstehende Beobachter etwas merkwürdig. Mittlerweile kann gesagt werden, dass der Börsengang der Talanx AG ein Erfolg war, obwohl nur ein Teil des ursprünglich angedachten Emissionsvolumens am Markt platziert wurde. Der Talanx-Aktienkurs liegt mit aktuell rund 20 EUR deutlich über dem Ausgabekurs von 18,30 EUR. Erstzeichner sowie Investoren, die kurz nach dem Börsengang zugegriffen haben, können sich über ein Plus von über 9% freuen. Eine lange Durststrecke ohne nennenswerte Börseneinführungen ist mit Talanx endlich zu Ende gegangen. Mit seinem Emissionsvolumen von rd. 500 Mio. EUR ist es der erste,große Börsengang seit der Emission von GSW Immobilien und Norma Group im April 2011 mit einem Volumen von fast 470 Mio. bzw. 390 Mio. EUR. Die letzte „Milliarden-Emission“ liegt schon fünf Jahre zurück: Im Dezember 2007 konnte die Hamburger Hafen & Logistik AG (HHLA) rund 1,2 Mrd. EUR am Markt platzieren.

Trotz der Turbulenzen rund um den Börsengang von Talanx und der permanenten Diskussionen über die Eurokrise ist das aktuelle Umfeld für Börsenneulinge durchaus positiv: Der DAX bewegt sich um die 7.200-Punkte-Marke und liegt somit nur noch 10% unter seinem bisherigen Rekordstand im Jahr 2007. Der spanische Telekommunikationsanbieter Telefonica ist aus seiner Deckung gekommen und möchte noch in diesem Jahr seine deutsche Tochtergesellschaft O2 an die Frankfurter Börse bringen. Hierbei werden von Marktbeobachtern mögliche Emissionsvolumen von bis zu 2 Mrd. EUR genannt. Seit dem IPO von Tognum im Jahr 2007 gab es am deutschen IPO-Markt keine solche Größenordnung. Auch die Deutsche Annington will ihre lang gehegten Börsenpläne demnächst umsetzen. Das Unternehmen gehört mehrheitlich dem britischen Finanzinvestor Terra Firma und wird vermutlich ein Emissionsvolumen im oberen dreistelligen Millionenbereich anstreben. Aktuell in der Zeichnung befindet sich das Familienunternehmen Hess AG, das bis zu rund 60 Mio. EUR am Markt einsammeln möchte. Im Segment der Small-Cap-Emissionen ist der Hess-Börsengang die größte Platzierung seit dem IPO der Schwäbischen Hüttenwerke AG (SHW) (68 Mio. EUR) im Juli 2011. Der vorbörsliche „Graumarktkurs“ (Schnigge) für die Hess-Aktien liegt aktuell bei 21 EUR und damit im unteren Drittel der Bookbuildingspanne. Es bleibt dieser Emission zu wünschen, dass der Privatanlegeranteil merklich größer ausfallen wird als bei Talanx, bei der Privatanleger nur mit 0,3% des Emissionsvolumens berücksichtigt wurden.

Die Grundvoraussetzung für einen langfristig funktionierenden IPO-Markt sind neben einem stabilen Kapitalmarktumfeld und moderaten Preisvorstellungen, die im Sekundärmarkt auch eine nachhaltige Performance für die Anleger versprechen, vor allem auch ein reges Interesse von Privatanlegern. Aus diesem Grund ist die Bedeutung der Dividendenrendite nicht zu unterschätzen, da sie für diese Anlegerklasse einen Zeichnungsanreiz bedeutet. Auch Talanx hat mit einer erhöhten Ausschüttungsquote gelockt, die sicherlich zum Zeichnungserfolg beigetragen hat. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf das vergessene Instrument der Vorzugsaktie hingewiesen, worauf wir bereits in der letzten Kolumne eingegangen sind. Eine satzungsmäßig vorgesehene Mindestdividende ist vor allem für Privatanleger interessant. Talanx ist hoffentlich der lang ersehnte „Eisbrecher“, so dass wir im Jahr 2013 gegenüber den letzten beiden Jahren mit deutlich verbesserten IPO-Aktivitäten rechnen können!

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