Die Luxemburger möchten nicht, daß ein ausländisches Unternehmen ihren Vorzeige-Stahlkocher übernimmt. Das war zu erwarten. Vielsagend sind die Argumente, die angeführt werden, denn die sind wenig kapitalmarktrelevant: Nationale Interessen, Arbeitsplätze, soziale Standards werden zur Ablehnung angeführt. Diese Aufzählung, ob berechtigt oder nicht, dürfen als Hinweise für Vorbehalte gelten, die sich auf Probleme hinter der eigentlichen Übernahmeabsicht beziehen. Salopp formuliert: Wir wollen keine Übernahme. Und vor allem: Schon gar nicht von einem indischen Unternehmen. Das sagen die Luxemburger freilich nicht öffentlich, denn es wäre alles andere als politisch korrekt.

Die Unternehmenslenker in Europa werden sich daran gewöhnen müssen, daß sich die Zeiten der Übernahme-Einbahnstraße dem Ende zuneigen. Das Lohnniveau in Indien für billige Produktion oder Programmierung nutzen, die Gewinne aber in die Länder der Firmenzentralen transferieren und im Zweifelsfall lokale Konkurrenten schnell aufkaufen – das ist nicht das, was sich indische Wirtschaftspolitiker wünschen. Mittlerweile sind die Volkswirtschaften dort und anderswo gewachsen, haben Unternehmer Konzerne geschaffen, deren Finanzkraft und Standing Übernahmen auch in die andere Richtung ermöglichen. Nicht nur der Aufkauf insolventer oder maroder Firmen steht auf der Agenda, sondern eben auch richtige feindliche Übernahmen.

Der Gedanke mag manchen verschrecken, und die Vorstellung, der Arbeitgeber sitzt fortan in Indien, Indonesien, Thailand oder China wird nicht jedem Arbeitnehmer schmecken. Dennoch ist klar: Das Mittal-Angebot ist nichts weiter als normal, business as usual im Großformat und im Übrigen nur der Anfang. Man wird sich daran gewöhnen. Erinnert sei nur an den Aufruhr, als kuwaitische Anlagegesellschaften seinerzeit bei Daimler investierten. Vom Ausverkauf nationaler Interessen, wenn nicht sogar des Abendlandes, war die Rede. Heute ist man froh, wenn Petro-Dollars den Kurs stützen. Bei Stahlwerken und anderen Übernahmen wird sich die Aufregung ebenfalls schnell legen.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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