Genome Editing ist eine Sammelbezeichnung für molekularbiologische Methoden. Dazu gehören unter anderem ZNF, ­TALEN und CRISPR-Cas. Mit ihrer Hilfe kann man so präzise und zielgerichtet wie noch nie das Erbgut von Mikroorganismen, Pflanzen bis hin zu Säugetieren bearbeiten. Es können Gene an- oder ausgeschaltet, repariert, eingefügt oder entfernt ­werdenVon Dr. Matthias Braun

Neu sind diese molekularbiologischen Methoden nicht. ZNF und TALEN werden schon länger in ­allen Anwendungen der Biotechnologie eingesetzt. Der jüngste Neuzugang, das CRISPR-Cas-System, ist ein Quantensprung an Präzision und Wirtschaftlichkeit. Es ­basiert auf einem adaptiven Immunsystem aus Bakterien. CRISPR-Arrays wurden ­bereits vor 30 Jahren im E.coli-Genom ­entdeckt. Der Übergang vom biologischen Phänomen zum molekularbiologischen Werkzeug vollzog sich im Jahr 2012. Mit der Weiterentwicklung des Genome Editing stehen inzwischen biologische Werkzeuge zur Verfügung, die völlig neue Möglichkeiten bei der Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln, Pflanzensorten und im Bereich industrielle Biotechnologie eröffnen.

Genome Editing in der Medizin

Heute sind rund 30.000 Krankheiten ­bekannt – aber nur für rund ein Drittel gibt es wirksame Therapien. Zusammen mit den Einsichten, die wir mithilfe der ­Omics-Technologien gewinnen, eröffnet Genome Editing außerordentliche Möglichkeiten, um Krankheiten zu entschlüsseln, die Vorbeugung, Behandlung und Heilung entscheidend zu verbessern oder sie überhaupt erst möglich zu machen.

Ein Beispiel ist die somatische Zell­therapie: Ein Gendefekt, der zur Krankheit führt, wird dabei repariert oder durch ein intaktes Gen ersetzt. Das gibt Hoffnung für monogene Erbkrankheiten, wie beispielsweise die Zystische Fibrose, Sichelzell­anämie oder die Duchenne Muskeldystrophie, die durch die Veränderung in einem Gen ausgelöst werden.

Weitere Einsatzgebiete sind unter anderem die Immunologie, Stoffwechselerkrankungen oder Infektionskrankheiten, wie HIV oder Malaria. Aber auch das selektive Ausschalten pathogener beziehungsweise antibiotikaresistenter Keime unter Erhaltung mutualistischer Mikroben gehört dazu. Gegenwärtig befinden sich mehrere Nukleasen in klinischen Studien der Phase I und II. Untersucht werden unter anderem Hämophilie B sowie Lungen-, Blasen-, ­Prostata- und Nierenkrebs.

Gerade im Hinblick auf therapeutische Ansätze ist es essenziell, Effizienz, Selektivität und Sicherheit der Methoden weiter zu steigern. Damit soll sichergestellt ­werden, dass nur die ausgewählten Zellen verändert werden und unbeabsichtigte Veränderungen an anderen Stellen im ­Genom (Off-Targets) nicht auftreten.

Bioökonomie braucht Genome Editing

Omics-Technologien und Genome Editing können dazu beitragen, dass die indus­trielle Biotechnologie disruptives Poten­zial in einer Bioökonomie entfaltet. So ­gelang es einer Arbeitsgruppe bei einer Hefe mittels CRISPR/Cas erstmals fünf ­verschiedene Gene gleichzeitig zu verändern. Dies führte zu einer Steigerung der Produktion einer Schlüsselsubstanz um den Faktor 41, die für die Synthese von Krebsmedikamenten, Nahrungsergänzungs­stoffen und Anti-Malariamitteln verwendet wird.

Nachhaltige Landwirtschaft als Ziel

Genome Editing ist auch eine Ergänzung im Werkzeugkasten der Pflanzenzüchtung. Landwirte wollen Pflanzen einsetzen, die weniger Ressourcen benötigen, gute Qualität und hohen Ertrag liefern, mit Krankheiten und Schädlingen fertigwerden und mit den Bedingungen des Klimawandels zurechtkommen. Die konventionelle Züchtung allein schafft das nicht.

So wird etwa die Produktion von Bananen derzeit durch die Panama-Krankheit bedroht. Mittels Genome Editing ist es endlich möglich, resistente Kulturbananen nachhaltig und mit der notwendigen Schnelligkeit zu züchten. Diese könnten auch unter Öko-Standards angebaut ­werden, wenn die Pflanze gezielt durch Mutagenese entstanden ist und keine ­artfremde DNA in das Genom eingefügt wurde. Dann ist die Banane nach Gentechnikgesetz kein GVO.

DIB schlägt BioDialog vor

Die Life-Science-Industrie in Deutschland setzt alles Notwendige daran, damit der Umgang mit dieser modernen Technologie verantwortungsvoll geschieht und für Mensch, Tier und Umwelt sicher ist. Dabei ist es wichtig, ethische Fragen und Fragen zu Risiken gemeinsam mit Politik und ­Gesellschaft zu diskutieren. Der NanoDialog der Bundesregierung sollte als Blaupause dienen. Dieses Format hat erheblich dazu beigetragen, die Chancen und Risiken der Nanotechnologie offen und fair zu ­beleuchten und damit einen verant­wortungsvollen Umgang mit Nanoma­­te­ri­alien zu unterstützen. Das sollten wir mit Genome Editing wiederholen. In Anlehnung an den NanoDialog schlagen wir ­einen ­BioDialog der Bundesregierung vor.

Die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) setzt sich dafür ein, dass das öffentliche und rechtliche Umfeld in Deutschland und der EU Innovationen im Bereich Genome Editing fördert. Die ­neuen Werkzeuge ­sollten von großen und kleinen Unternehmen der Life-Science-­Industrie genutzt werden können. Außerdem beteiligt sich die DIB an der laufenden Diskussion, wie Genome Editing ­rechtlich eingeordnet werden soll.

Zum Autor:

Dr. Matthias Braun ist Vorsitzender der DIB (Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie) innerhalb des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), seiner Fachvereinigungen und Fachverbände. Diese vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen der mit biotechnologischen Methoden arbeitenden Unternehmen in Deutschland.

10 Verbände gehören zur Mitgliedschaft der DIB. Damit repräsentieren ihre Mitglieder über 90% des deutschen Marktes für Produkte der Biotechnologie wie beispielsweise Polymere, Kunststoffe, Fein- und Spezialchemikalien, Enzyme, Pharmazeutika, Diagnostika, Tierarzneimittel, Körperpflege- und Waschmittel, Futter- und Lebensmittel sowie nachwachsende Rohstoffe. Die DIB ist Mitglied im europäischen Biotechnologieverband EuropaBio.

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