Durch das Medium Internet werden Informationen bzw. Geschehnisse quasi in Echtzeit bis in die kleinsten Winkel der Welt gestreut und entsprechend in den lokalen Märkten in Form von fallenden oder steigenden Kursen eingepreist. Die zunehmende Kapitalmarktverflechtung hat schließlich auch dazu geführt, dass sich konjunkturell bedingte Zyklen in deutlich kürzeren Abständen und vor allem in einer stärkeren Ausprägung niederschlagen. Beispiele hierfür sind das Platzen der „Dotcom-Blase“ an den Finanzmärkten in Verbindung mit „9/11“ zu Beginn dieses Jahrzehnts, die anschließende deutliche Erholung der weltweiten Aktienmärkte, die sich auf dem stark expandierenden Welthandel stützte, und aktuell natürlich die Auswirkungen der Finanzkrise, die weltweit zu extremen Wertberichtigungen und zur tiefsten Rezession der letzten Jahrzehnte führte. Diese erhöhte Volatilität in den Real- und Finanzmärkten wird sicherlich ein Phänomen für die nächsten Jahre bleiben, mit dem sowohl Investoren als auch Emittenten lernen müssen umzugehen.

Die jüngste Finanzmarktkrise hat dazu geführt, dass der staatliche Einfluss auf der regulatorischen Ebene durch eine Reihe von neuen Gesetzen und Vorschriften ausgeweitet wurde. Ebenfalls ist der Staat auf der strukturellen Ebene zum einen in seiner Rolle als neuer Eigentümer von zuvor ins Straucheln geratener Unternehmen und zum anderen als beherrschende Geldversorgungsquelle für die Banken- und Realwirtschaft mächtiger geworden. Diese Ausweitung der staatlichen Dominanz kann nur temporärer Natur sein, da die zunehmende Staatsverschuldung dem Ganzen Grenzen setzt. Insbesondere für den deutschen Kapitalmarkt kann von einem deutlichen Strukturwandel in der Unternehmensfinanzierung ausgegangen werden, wonach der seit Jahrzehnten selbstverständliche Kapitalzugang über das traditionelle Bankensystem aufgrund der vom Gesetzgeber geforderten Risikoanpassungen deutlich schwieriger wird. Die heimischen Landesbanken haben hierzu konkrete Auflagen seitens der EU-Kommission erhalten, ihre Aktiv- und Passivseiten drastisch zu reduzieren.

Rund 90% des Finanzierungsbedarfes der deutschen Industrie werden zurzeit noch über die Hausbankenbeziehung abgewickelt, worunter vorwiegend das Fremdkapital fällt. Alternativ dazu existieren kapitalmarktorientierte Refinanzierungsmöglichkeiten, die hierzulande noch ein Mauerblümchendasein fristen. In den meisten westlichen Industrieländern bilden diese Kapitalmarktlösungen jedoch die „klassische“ Finanzierungsquelle. Es kann daher mit zunehmender Verschärfung der risikoorientierten Kreditvergabe seitens der Banken davon ausgegangen werden, dass der kapitalmarktorientierte Finanzierungsweg sowohl für die Eigen- als auch die Fremdkapitalseite in der deutschen Wirtschaft an Stellenwert gewinnen wird. Insbesondere die Instrumente der kapitalmarktorientierten Eigenkapitalfinanzierung wie der Börsengang werden für viele Unternehmen wieder interessant. Die gleiche Entwicklung ist auf der Fremdkapitalseite erkennbar, wonach die typischen Hausbankenkredite zunehmend durch kapitalmarktorientierte Instrumente (Anleihen) ersetzt werden. In der Konsequenz bedeutet dies für den Unternehmer, sich mittelfristig mit den Gepflogenheiten des Kapitalmarktes anzufreunden, auch wenn die Mittelaufnahme etwas unbequemer und komplizierter erscheint. Auf der anderen Seite gibt ihm der Kapitalmarkt einen weiteren und vor allem auch zuverlässigen Baustein für die Unternehmensfinanzierung in die Hand. Konjunkturelle Zyklen können mit einem Finanzierungsmix aus Eigen- und Fremdkapital über den Weg der Banken- und der nationalen und internationalen Kapitalmarktwelt besser verarbeitet werden.

Von Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 1/2010

 

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