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Zahlreiche heimische Unternehmen beteiligen sich in diesem Jahr an den Feierlichkeiten zum 250-jährigen Jubiläum der Wiener Börse. Einige Emittenten können ebenfalls auf eine lange Tradition am Kapitalmarkt zurückblicken. Nach den ­Coronabeschränkungen befinden sich die meisten börsennotierten Unternehmen wieder auf Wachstumskurs. Allerdings werden – nicht zum ersten und nicht zum letzten Male – neue Initiativen gefordert, um bessere Rahmenbedingungen für Privatanleger, Investoren und Unternehmer zu schaffen.

Der österreichische Kapitalmarkt als einer der ältesten der Welt ­besitzt eine lange Tradition und gilt seit Jahrzehnten als Drehscheibe für Osteuropa. „Das Management der Wiener Börse agiert überaus professionell und ­erweitert stetig die Handelsmöglichkeiten“, lobt Hannes Roither, Vice President Marketing bei PALFINGER.

„Wichtige Handelsplattform für Kleinanleger“

Florian Greger,
Vice President, Head of Investor Relations & Sustainability, OMV AG

Florian Greger
GoingPublic: Wo sehen Sie die Stärken der Wiener Börse?

Greger: Nicht nur für internationale Investoren, sondern gerade für österreichische Kleinanleger ist sie eine wichtige Handelsplattform. Das nützt OMV als österreichischer Blue Chip enorm. In einer Zeit, in der Kapitalmärkte immer schnelllebiger werden, ist es sehr vorteilhaft, sich auf einen Grundsockel langfristiger Anleger, wie es die österreichischen Kleinanleger überwiegend sind, verlassen zu können.

 

„Einer der prestigeträchtigsten Börsenplätze Europas“

Kamil Kowalewski,
Vorstand, VST BUILDING TECHNOLOGIES AG

GoingPublic: Welche Gründe sprachen für eine Aktien­notierung an Ihrer Heimatbörse, der Börse Wien?

Kowalewski: Natürlich wollen wir als österreichisches Unternehmen auch an unserer Heimatbörse gelistet sein. Die Wiener Börse gehört mit ihrer langen Geschichte zu den prestigeträchtigsten Börsenplätzen in Europa. Sie genießt international einen sehr guten Ruf, sowohl unter institutionellen Investoren als auch unter Privatanlegern. Die Börse Wien hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend ent­wickelt, was für uns mit ein Grund war, weshalb wir uns Anfang 2019 für eine Börsennotiz in Wien entschieden haben. Mit der Notierung in Wien haben wir unsere Sichtbarkeit für Investoren deutlich ­erhöhen können und uns noch breiter am Kapitalmarkt aufgestellt.

Maßgeschneiderte Unterstützung

Zwar handelt es sich beim hiesigen Aktien­markt um einen „kleineren“ Handelsplatz im Vergleich zu etwa Frankfurt am Main und London. Trotzdem haben sich viele herausragende Unternehmen mit öster­reichischen Wurzeln und globaler Präsenz für einen Börsengang in Wien entschieden. Die gute ­Betreuung und eigene wirtschaftliche Aktivitäten im Heimatmarkt zählen zu den Hauptmotiven für einen ­solchen Entschluss. „Als in Österreich verwurzeltes Logistik­unternehmen war es die logische Wahl bei unserer Privatisierung 2006“, erinnert sich Harald Hagenauer, Head of Investor Relations der Öster­reichischen Post. „Das Servicelevel der Wiener Börse ist herausragend – es werden viele Leistungen wie die Ausrichtung von Konferenzen und Roadshows ange­boten“, ergänzt Roither.

„Börsengang ist ein Meilenstein“

Harald Hagenauer,
Head of Investor Relations, Konzernrevision & Compliance, Österreichische Post AG

GoingPublic: 2021 feiert die Wiener Börse ihr 250-jähriges Jubiläum. Welches Ereignis war für Ihr Unternehmen besonders herauszuheben?

Hagenauer: Ein Bör­sengang ist ein Meilenstein in der Entwicklung vieler Unternehmen. Die Österreichische Post feiert heuer ihr 15-jähriges ­Jubiläum, nachdem wir 2006 an die Wiener Börse gegangen sind. Seitdem hat sich das Unternehmen großartig entwickelt.

 

„Kontakte an weltweit führenden Finanzzentren knüpfen“

Dr. Daniel Folian,
stellvertretender Vorstandsvorsitzender, Warimpex Finanz- und Beteiligungs AG

GoingPublic: Welche volkswirtschaftliche Rolle spielt die Wiener Börse für Ihr Unternehmen konkret?

Dr. Folian: Sie leistet einen enormen Beitrag für die heimische ­Wirtschaft. Laut dem Industriewissenschaftlichen Institut hängt jeder zehnte Arbeitsplatz an einem börsennotierten Unternehmen, und aus jedem Euro, der in ein börsennotiertes Unternehmen investiert wird, werden 2,40 EUR für die Volkswirtschaft. Die Börse verbindet Handelsteilnehmer und Investoren miteinander und ermöglicht Unternehmen, wichtige Kontakte an den weltweit führenden Finanzzentren zu knüpfen.

Börsengang stärkt heimische Unternehmen

Für die österreichische Wirtschaft ist ein funktionierender Finanzplatz von enormer Bedeutung. „Der Zugang zu risiko­adäquaten Finanzierungslösungen ist für Wachstum und Innovationsfähigkeit heimischer Unternehmen unverzichtbar“, ­erläutert Florian Greger, Vice President von OMV. „Für uns war der Börsengang im Jahr 1987 ein bedeutender Meilenstein – er hat OMV effizienter und transparenter gemacht.“

„Aktiengesellschaften einfacher gründen“

Michael Eisler,
Co-Gründer und CEO, startup300 AG

GoingPublic: Welche Risiken bestehen derzeit für den österreichischen Kapitalmarkt?

Eisler: Die Regierung forciert die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform unter dem Arbeitstitel „Austria Limited“. Die Vereinfachung der Aktiengesellschaft als attraktive Form für Unternehmen in frühen Phasen, innovative Start-ups oder KMU ist aber ­genauso wichtig. Darin sehe ich eine Grundvoraussetzung für ein Börsenlisting oder IPO in Österreich. So könnten auch mehr ­Kapital und Anleger angezogen werden. Ansonsten werden ­Investoren weiterhin in ausländische Unternehmen in fremden Märkten investieren. Eine Börsenkennung von Unternehmen mit dem Länderkürzel „AT“ wird dann die Ausnahme und Privatanleger in Österreich eine Minderheit bleiben.

 

„Tor zur Wachstumsregion Zentral- und Osteuropa“

Dr. Diana Neumüller-Klein,
Head of Corporate Communications & Investor Relations, STRABAG SE

GoingPublic: Was zeichnet die Wiener Börse nach ihren nunmehr 250 Jahren aus?

Dr. Neumüller-Klein: Als Herz des österreichischen Kapitalmarkts hat sie in den vergangenen Jahrzehnten Investoren das Tor zur Wachstumsregion Zentral- und Osteuropa geöffnet. ­Außerdem bietet der Handelsplatz Wien erfolgreichen Unternehmen mit ­relativ geringem Streubesitz eine optimale Visibilität.

Und was hat Ihnen im Jubiläumsjahr besonders gefallen?

250 Jahre sind für einen Finanzplatz selbst im geschichtsträch­tigen Europa ein beachtliches Alter. Als Emittenten hat es uns sehr gefreut, von der Wiener Börse bereits frühzeitig in die ­Aktivitäten zum Jubiläumsjahr eingebunden zu werden. STRABAG blickt selbst auf eine über 180-jährige Unternehmenstradition zurück.

Wichtige Rolle als Nischenplayer

Die Pandemie hat die österreichische Wirtschaft stark gebremst, gerade jetzt ist der Wiener Kapitalmarkt mit seiner Stärke als exzellenter Nischenplayer mit hervorragendem Umfeld besonders gefragt. ­„Zuerst kam COVID-19 mit allen negativen Folgen, dann Lieferengpässe und steigende Inflation“, beklagt Hagenauer. „Der ­Kapitalmarkt kann aber dazu beitragen, gestärkt aus dieser Krise zu kommen.“

„Aktienumsätze sind sogar gestiegen“

Stefan Marin,
Head of Investor ­Relations, Frequentis AG

Stefan Marin; Foto: © www.fotoweinwurm.at_2Mpx
GoingPublic: Welche Folgen hatte bzw. hat Corona für den österreichischen Kapitalmarkt?

Marin: Wir konnten keine negativen Auswirkungen auf unsere Börsennotiz feststellen. Gemeinsam mit einer IR- und PR-Agentur ­haben wir seit Frühjahr 2021 ein verstärktes Augenmerk auf Privatanleger gelegt. Diese Aktivität hat sich ausgezahlt, die ­Aktienumsätze an der Wiener und Deutschen Börse sind insgesamt gestiegen.

Hoher Informationsbedarf

Gerade in Zeiten der Krise ist die Kommunikation mit Investoren und Analysten ­jedoch äußerst wichtig: „Diesem gesteigerten Informationsbedürfnis sind wir mit vielen Meetings nachgekommen“, erläutert Greger. Außerdem konnte die Pandemie anstoßen, auf neuen Wegen mit Analysten und Investoren zu kommunizieren. ­„Onlinemeetings haben Roadshows und Konferenzen in den internationalen ­Finanzzentren ersetzt“, weiß Greger.

„Österreichische Investorencommunity“

Pascal Schmidt,
Chief Financial Officer, Marinomed Biotech AG

Pascal Schmidt
GoingPublic: Wie beurteilen Sie die Wiener Börse in ihrem ­Jubiläumsjahr?

Schmidt: Ohne Wiener Börse wären wir heute vielleicht nicht am Kapitalmarkt. Sie hat uns das Tor zur österreichischen Investorencommunity geöffnet. Persönlich und engagiert haben sie uns in unseren ersten drei Börsejahren begleitet, unterstützt und bei neuen Fragestellungen den Weg gewiesen.

Onlinekommunikation mit ­Investoren

Zwar fehle bei der virtuellen Kommuni­kation der persönliche Kontakt. Anderseits beständen aber vielerlei Vorteile wie Effizienz, Zeit- und Kostenersparnis und man könne sich leichter und häufiger mit internationalen Investoren austauschen. „Virtuelle Meetings werden auch in ­Zukunft eine zentrale Rolle spielen“, prognostiziert Greger. „Dem österreichischen Kapitalmarkt hat die Coronapandemie zu einem besseren Zugang zu internationalen Investoren verholfen“, bestätigt Dr. Diana Neumüller-Klein, Head of Corporate ­Communications bei STRABAG. „Konferenzen werden jetzt virtuell oder hybrid abgehalten, wodurch die eine oder andere zeitraubende Reise wegfällt.“

„Stetiges Wachstum ermöglicht“

Andreas Quint,
CEO, CA Immobilien Anlagen AG

Andreas Quint; Foto: © CA Immo
GoingPublic: Welche Erfahrungen haben Sie als Large Cap mit der Wiener Börse gemacht?

Quint: CA Immo ist seit 1988 an der Wiener Börse gelistet, die uns seitdem auf unserem Weg zum European Player begleitet und ­unser stetiges Wachstum ermöglicht hat.

Privates Kapital für Wiederaufbau

Österreich ist einerseits ein Fremdkapitalland – die Finanzierung über Banken hat eine lange Tradition. Da andererseits die ­eigene Bevölkerung kaum auf Aktien setzt, steht Unternehmen begrenztes privates Kapital zur Verfügung. „Wichtig ist ­deshalb, bessere Rahmenbedingungen für Anleger und Unternehmer zu schaffen ­sowie die Finanzbildung der Österreicher zu forcieren“, fordert Dr. Daniel Folian, stellvertretender Vorstandsvorsitzender bei Warimpex. Die Kapitalmarktfinanzierung für die Wirtschaft und den Standort Österreich sei gerade in der Wiederaufbauphase nach der Pandemie von zentraler Bedeutung – bekanntlich erholen sich Länder mit hoch entwickelten Kapitalmärkten schneller von Wirtschaftskrisen.

„Wichtiger Meilenstein für Professionalisierung“

Hannes Roither,
Vice President Marketing, Investor Relations, PALFINGER AG

Hannes Roither
GoingPublic: 2021 feiert die Wiener Börse ihr 250-jähriges Jubiläum – Ihr persönliches Fazit?

Roither: Der Börsengang im Juni 1999 war für uns einer der wichtigsten Meilensteine in Richtung Professionalisierung und Internationalisierung. Bereits seit Ende der 1980er-Jahre betrug unsere Exportquote 90%, nach dem Börsengang waren es rund 95%. PALFINGER steht für „Growth“ und „Value“ und für eine kontinuierliche Dividendenpolitik. Seit dem Börsengang konnten wir unseren Aktienkurs mehr als versiebenfachen und haben aktuell eine Marktkapitalisierung von 1,4 Mrd. EUR.

Fazit

Foto: © Wiener Börse AG

Der Leitindex ATX und auch der ATX ­Prime sind seit Jahresbeginn deutlich ­gestiegen. Der ATX inkl. Dividenden, der sogenannte Total Return Index, konnte im Jahresverlauf wiederholt sein Allzeithoch nach oben schrauben. Viele Emittenten haben die Pandemie gut überstanden und können ihr Wachstum jetzt fortsetzen. Was den Kapitalmarkt heuer noch bremsen könnte, sind die derzeitigen Engpässe in den Lieferketten. Zudem sollten die ­politischen Rahmenbedingungen für ­Privatanleger, Investoren und Unter­nehmen weiter verbessert werden. Die ­Alpenrepublik hat eine solide Wirtschaftsstruktur mit großen Konzernen, mittelständischen Firmen und innovativen Start-ups. Weitere Pluspunkte sind die ­engen Verbindungen zu Osteuropa und die hohe Internationalität bei Handels­teilnehmern und Investoren. Mit diesen Vorzügen wird die Wiener Börse auch bis zu ihrem nächsten Jubiläum punkten ­können.

 


Dieser Beitrag ist Teil des GoingPublic Specials „Kapitalmarkt Österreich 2021“ und auch im kostenlosen E-Magazin zur Ausgabe enthalten.