Durch Leerverkäufe eine überbewertete Aktie unter Druck bringen und den Markt so von Übertreibungen heilen, von erwarteten Ereignissen durch den termingebundenen Kauf oder Verkauf dieser oder jenen Ware profitieren, durch Vorwärtsgeschäfte Erlöse in einer bestimmten Höhe in der Zukunft erzielen und damit aktuelle Investitionen sichern – darum soll er hier nicht gehen. Der Markt kennt und benötigt spekulative Elemente. Dies allerdings in Maßen, und in der Hauptsache von den Marktteilnehmern, die auch in der reellen Wirtschaft tätig sind.

Ein zunehmendes Problem stellt indes die ungehemmte institutionalisierte Spekulation dar. Sie gewinnt immer mehr Einfluss auf die reale Wirtschaft, und das ist inakzeptabel. Der Rohölpreis zum Beispiel rückt immer mehr in den Fokus der Anlegergemeinschaft – genauer gesagt die Furcht, Spekulanten könnten den Preis in ungeahnte Höhen treiben und so Bremsspuren in der Weltwirtschaft verursachen. Vertreter der OPEC werden nicht müde zu betonen, dass in den vergangenen Jahren zu jedem Zeitpunkt, an jedem einzelnen Tag, genügend Rohöl physisch auf dem Markt war, um alle Kaufinteressenten zu bedienen.

Und damit haben sie Recht. Nicht ein tatsächlicher Mangel hat die Preise so getrieben, sondern Zehntausende Long-Kontrakte, Paper Barrels, von Spekulanten, die ein Fass Rohöl noch nie aus der Nähe gesehen haben. Mittlerweile hat sich eine ganze Spekulations-Industrie entwickelt, die nicht nur von der Schweinehälfte bis zum Palmöl und vom Palladium bis Kupfer immer wieder mal die Preise durcheinanderwirbelt – sondern die sich in erster Linie verselbständigt hat. Umfang und Maßlosigkeit der Spekulation haben ein Maß erreicht, das die reale Wirtschaft zu jeder Zeit in ganz erheblichem Maße bedrohen kann.

Nicht mehr die gerne zitierten Ölscheichs, die Minenbarone oder die Großgrundbesitzer bestimmen in erster Linie die Preise der jeweiligen Commodities, sondern Spekulanten, die mit der reichlich vorhandenen Liquidität überreichlich gefüttert wurden und mit modernen IT-Systemen die Möglichkeit besitzen, die Mittel sekundenschnell einzusetzen. Eindämmen, gar zurückdrängen – das wird nicht möglich sein. Aber weil einige wenige das reale Handeln vieler so stark, wenn nicht entscheidend beeinflussen, muss mehr Kontrolle und Transparenz in das System gebracht werden. Dass sich vor allem die USA so dermaßen dagegen sträuben, ist vor dem Hintergrund der die Realwirtschaft bedrückende Subprime-Krise um so unverständlicher: Selten leugnet jemand, der sich gerade permanent ins eigene Knie schießt, so hartnäckig, dass Schüsse gefallen sind.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin