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Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer & Vorstandsmitglied, BVMed – Bundesverband Medizintechnologie

Die Medizintechnik-Branche ist besonders innovativ, wachstumsstark und zukunftsträchtig. 2011 hat das Wirtschaftsministerium die Studie „Innovationsimpulse der Gesundheitswirtschaft“ vorgestellt.

Die wichtigsten Fakten zur Medtech-Branche:

  • Medtech ist eine Wachstumsbranche mit Zuwachsraten in Deutschland von jährlich rund 5% und einer Exportquote von 62,5%.
  • Die Branche beschäftigt über 170.000 Menschen in Deutschland. Jeder Arbeitsplatz sichert dabei 0,75 Arbeitsplätze in anderen Bereichen.
  • Im Durchschnitt investieren die forschenden Medtech-Unternehmen rund 9% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung.

BVMed-Umfrage zum Innovationsklima

Deutschland verfügt in der Medizintechnik über gut ausgebildete Wissenschaftler und Ingenieure und ein hohes Versorgungsniveau der Patienten. Das Innovationsklima in Deutschland wird aber durch bürokratische Prozesse, innovationsfeindlich eingestellte Krankenkassen und niedrige Erstattungspreise zunehmend gefährdet. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) zum Innovationsklima in Deutschland, an dem sich im Februar 2012 77 forschende Medtech-Unternehmen des BVMed beteiligt haben. Auf einer Skala von 0 bis 10 bewerten die Unternehmen das Innovationsklima für Medizintechnik in Deutschland mit 6,2.

Als innovativsten Forschungsbereich schätzen die Unternehmen derzeit die Kardiologie ein. 60% der Befragten nennen diesen Versorgungsbereich. Es folgen Neurologie (43%), Orthopädie (40%), Onkologie (39%), Diagnostik (31%) und Chirurgie (26%).

Die Stärken Deutschlands beim Thema Innovationstransfer liegen nach Ansicht der Medtech-Unternehmen vor allem in den gut ausgebildeten Wissenschaftlern und Ingenieuren (78%) und dem hohen Versorgungsniveau der Patienten (56%). 51% nennen die schnelle Marktzulassung, 47% die gut ausgebildeten Ärzte und 44% den hohen Standard der klinischen Forschung als Stärken des Standorts Deutschland. Ausreichendes Kapital für die Innovationsfinanzierung (Startfinanzierung, Venture Capital) nennen dagegen nur 8%.

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Aus Unternehmersicht ist die Kardiologie der innovativste Forschungsbereich. Foto: Monkeybusiness Images – Panthermedia

Hemmnisse beim Innovationstransfer

Bei der Frage nach Hemmnissen beim Thema Innovationsfinanzierung in Deutschland nennen die Unternehmen in erster Linie zu bürokratische Prozesse (68%), eine innovationsfeindliche Politik der Krankenkassen (66%) sowie die niedrigen Erstattungspreise (53%). Häufig genannt wird auch die Unsicherheit über die künftige Nutzenbewertung von Medizinprodukten (42%).

Die Ergebnisse dieser aktuellen Umfrage zeigen: Deutschland gilt nach wie vor als innovationsfreundlich. Aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen, damit das auch in Zukunft so bleibt. Denn es sind zunehmend Innovationshemmnisse im deutschen Gesundheitssystem festzustellen, die insbesondere die so innovationsstarke Medtech-Branche treffen.

Rahmenbedingungen verbessern

Die Rahmenbedingungen am Innovationsstandort Deutschland für die Entwicklung und Vermarktung moderner Medizintechnologien sollten angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbs in einer globalisierten Welt kontinuierlich analysiert und – wenn erforderlich – weiter angepasst werden. Wir müssen eine Entbürokratisierungs-Offensive starten, gemeinsame Innovationsstrategien mit den Krankenkassen zur Optimierung der Patientenversorgung entwickeln und weg vom Preis- hin zu einem Qualitätsfokus kommen. Um Perspektiven für medizintechnische Innovationen zu geben, werden folgende Bausteine benötigt:

  • Der Zugang der Patienten zu medizintechnischen Innovationen muss unbürokratisch und flexibel gestaltet werden.
  • Im Krankenhausbereich muss am Prinzip „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“ festgehalten werden. Bei gleichen strukturellen und personellen Voraussetzungen sollte dieses innovationsfreundliche Prinzip auf den ambulanten Bereich ausgedehnt werden.
  • Zur Innovationsbeschleunigung sollte ein Mitsprache- und Antragsrecht der Unternehmen der Medizintechnologie im Gemeinsamen Bundesausschuss eingeführt werden.
  • Eine weitere Verbesserungsmöglichkeit ist aus Sicht des BVMed die Einführung eines Innovationspools, der eine unabhängige Nutzenbewertung ermöglicht.

Mit diesen Punkten geben wir klare Perspektiven: für Ideen für Innovationen, für medizintechnischen und ökonomischen Fortschritt und für die Einführung von neuen Produkten und Verfahren.

Ausblick

Für die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft ist ein starker Heimatmarkt wichtig. Hierzu gehört eine Gesetzliche Krankenversicherung mit funktionierendem Wettbewerb und einer schnellen Einführung von medizinischen Innovationen. Wir benötigen eine gemeinsame strategische Ausrichtung von Industrie, Wissenschaft und Politik auf Innovationen in der Medizintechnik. Wirtschafts-, Forschungs- und Gesundheitsministerium müssen sich stärker koordinieren und Perspektiven für Innovationen geben.

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