„Industrie 4.0“ ist eines der vorherrschenden Schlagwörter der wirtschaftlichen und technologischen Herausforderungen der kommenden Jahre, ja künftiger Generationen. Noch ist längst nicht abzusehen, wohin dieser Weg letztlich führen wird. Allerdings: Nicht nur die klassischen Industriesegmente sind davon betroffen, auch die Medizintechnik muss sich dem Verständnis und künftigen Anwendungsfeldern der Industrie von morgen auseinandersetzen. Von Holger Garbs

Während sich die großen Maschinenbauer oder Autohersteller längst mit den Möglichkeiten und Herausforderungen einer „Smart Factory“ auseinandersetzen (müssen), allein schon, um den Anschluss an die internationale Konkurrenz in Übersee nicht zu verlieren, sucht man derartige Diskussionen innerhalb der deutschen Medizintechnik zwar nicht vergebens, doch es benötigt durchaus eine Lupe mit verschärfter Auflösung. Eine Ursache könnte in der stark mittelständischen Struktur der deutschen Medizintechnik liegen. Denn das eben der klassische Mittelstand und Innovationen, und zu denen gehört schließlich auch „Industrie 4.0“, nicht eben eine innigste Freundschaft darstellen, ist beileibe keine medizintechnische Besonderheit – wo sich die Innovations- und Investitionslust des deutschen Mittelstands vornehm zurückhält, dürften „automatisierte Chargenverwaltungen“, „Traceability“ oder „echtzeitnahe Qualitätssysteme“ nur punktuell auf fruchtbaren Boden fallen. Als einer der Vorreiter in Sachen „Medizintechnik und Industrie 4.0“ gilt beispielsweise Aesculap, eine Sparte des Pharma- und Medizinbedarfs-Unternehmens B. Braun, die sich auf die Produktion handgehaltener chirurgischer Instrumente spezialisiert hat. Aesculap zählt rund 11.500 Mitarbeiter und hat in 2014 seine „Innovation Factory“ in Tuttlingen eröffnet.

Kostenersparnis und marktnahe Produktion

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand, vor allem in Sachen Kostenersparnis und marktnaher Produktion. Gerade kleinere Losgrößen können vor dem Hintergrund einer immer mehr um sich greifenden Produktvielfalt und höherer Komplexität der Geräte (Stichwort: „personalisierte Medizin“) mit den Werkzeugen einer Industrie 4.0 kostengünstiger produziert werden. Parallel können dank einer Echtzeitüberwachung Fehlerquoten minimiert und Wartungsintervalle effizienter umgesetzt werden. Andererseits fehlt es gerade vielen kleinen und mittleren Medizintechnik-Unternehmen nicht nur an einer genauen Kostenübersicht, um innovative Industrie-Lösungen zu etablieren. Oftmals fehlt es schlichtweg auch am nötigen Know-how. Der vielbeschworene Fachkräftemangel, in welchem Umfang er tatsächlich auch bestehen mag, hier macht er sich spürbar bemerkbar.