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Nicht erst seit gestern warnt Bill Gates davor, dass die Gefahr einer globalen Pandemie massiv unterschätzt wird. Tritt diese nicht auf, ist medizinische Forschung in diesem Bereich wenig rentabel. Erst wenn wir es mit einer globalen Notsituation wie der aktuellen zu tun haben, stellen wir fest, dass wir darauf relativ unvorbereitet sind. So schwerwiegend die Folgen und Einschränkungen durch die Corona-Pandemie sind, eine schrittweise Rückkehr zur Normalität wird nur möglich sein, wenn wir das Virus medizinisch in den Griff bekommen. Auch wenn dies in der aktuellen Panik schwerfällt: In der Medizin und deren modernen Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten liegt bereits jetzt der Schlüssel zur Lösung dieser Krise – Medizin statt Nullzinsen.

Alles andere als aussichtslos

Der Fondsmanager Dr. Hendrik Leber beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit den Möglichkeiten der Biotech-Branche – und gibt sich optimistisch: „Die Medizin ist heute sehr viel besser auf eine solche Situation vorbereitet als noch vor zehn Jahren. Kurzfristig werden sich über Schnelltests Möglichkeiten ergeben, die Krankheit besser zu erkennen und zu isolieren. Was die Behandlung schwerer Fälle betrifft, dürften sogenannte Virostatika helfen. Mittelfristig ist schließlich auch mit einem Durchbruch bezüglich einer Impfung zu rechnen.“ Dr. Lebers Einschätzung teilen offenbar auch die Märkte, die die letzten Wochen Gefallen an den Aktien diverser Pharmaunternehmen gefunden haben, die sich mit diesen Themen beschäftigen.

Ein weites Feld

Ist die Corona-Krise also nicht nur Grund für einen beispiellosen Crash, sondern auch eine Chance für Anleger, die auf die richtigen Titel setzen? Ganz so einfach dürfte es sich in der Realität nicht gestalten. Zu komplex und zu kompetitiv ist die Situation, wie sie sich aktuell darstellt. Mit BioNTech, Moderna und Regeneron vermelden aktuell bereits drei namhafte börsennotierte Unternehmen Fortschritte in Sachen Impfung. Auch das deutsche Unternehmen CureVacdessen Know-how sich offenbar Donald Trump sichern wollte – wird als aussichtsreich angesehen, ist aber nicht an der Börse notiert. Gilead Sciences erzielte zuletzt große Fortschritte bei der Behandlung von schwer Erkrankten. Der Pharma-Riese Roche hat in der Zwischenzeit einen Schnelltest entwickelt, der den Umgang mit der Erkrankung sehr viel alltagstauglicher machen könnte.

Der Favorit der WHO

Spätestens seit die Weltgesundheitsorganisation Remdesivir von Gilead Sciences zum aussichtsreichsten Wirkstoff gegen die durch COVID-19 ausgelöste Erkrankung erklärt hat, erfreut sich dieses Unternehmen enormer Medienpräsenz. Dabei ist Remdesivir eigentlich ein komplettes Zufallsprodukt – entwickelt wurde der Wirkstoff ursprünglich, um gegen das Ebolavirus zum Einsatz zu kommen. Gilead ist auf sogenannte Virostatika spezialisiert, die u.a. gegen HIV oder Hepatitis C angewendet werden. Dabei werden körpereigene Zellen davon abgehalten, den Viren als Wirt zur Verfügung zu stehen. Auch bei Remdesivir kommt dieses Prinzip zur Anwendung. Der Wirkstoff richtet sich gegen sogenannte RNA-Viren – zu denen auch das neuartige Coronavirus zählt.

Bereits im Februar starteten chinesische Universitäten und Behörden daher zwei Phase III-Studien, um die Wirksamkeit des Medikamentes nachzuweisen. Daneben gibt es zwei weitere Phase III-Studien in den USA und Europa sowie einen Versuch des US-Militärs. Ende April/Anfang Mai folgen erste Ergebnisse. Sollte sich die Wirksamkeit bestätigen, ist davon auszugehen, dass die notwendigen Zulassungen schneller als üblich erteilt werden. Angeblich soll Gilead bereits die Produktion des Medikamentes gestartet haben, um im Fall der Zulassung schnell lieferfähig zu sein. Angesichts der möglichen Anzahl an Patienten kann der Wirkstoff selbst zu relativ niedrigen Preisen wertschaffend für das Unternehmen sein – allerdings lässt sich über mögliche Umsätze und Ergebnisse lediglich spekulieren.

Zusätzliches Upside, begrenztes Risiko

Nach Schätzungen von Wells Fargo könnte der Wirkstoff je Aktie einen zusätzlichen Wert von 20 USD und damit ein Upside-Potential von bis zu 25% darstellen. Das Beste an der Gilead-Aktie dürfte jedoch sein, dass das Unternehmen selbst ohne Remdesivir zum heutigen Kurs hochattraktiv ist. Die ehemals größte Säule, die Behandlung von Hepatitis-C, ist zwar zuletzt durch die hohe Heilungsrate deutlich geschrumpft, der Schwerpunkt hat sich daher auf den HIV-Bereich sowie modernste onkologische Behandlungsmethoden (Immuntherapie) verschoben. Für 2020 notiert die Aktie zu einem KGV von 14 – und dies ganz ohne das mögliche Geschäft mit Remdesivir.

Andere Player, andere Ansätze

Natürlich ist Gilead nicht das einzige Pharmaunternehmen, das fieberhaft an Behandlungsmethoden für Corona arbeitet. So testet Roche derzeit ein eigentlich bei Arthritis angewandtes Mittel auf dessen Wirksamkeit gegen das Coronavirus. Das US-Biotechunternehmen Regeneron versucht, einen Cocktail an Antikörpern einzusetzen. Zum heutigen Zeitpunkt dürfte es sich dabei jedoch um eine Spekulation handeln, wer hier am Ende die Nase vorn haben wird. Zudem könnte es möglicherweise auf mehrere verschiedene Therapieformen hinauslaufen. Allen Ideen ist jedoch eines gemein: Im Fall einer Wirksamkeit dürften Zulassungen angesichts der aktuellen Notlage binnen weniger Wochen statt wie sonst üblich innerhalb mehrerer Jahre erfolgen.

Die Jagd nach dem Milliarden-Impfstoff

Gleiches gilt auch für eine mögliche Impfung, an der aktuell diverse Institute und Biotechunternehmen forschen. Deren Erfolgsaussichten zu beurteilen dürfte den meisten Investoren praktisch unmöglich sein. Am weitesten fortgeschritten könnte die Entwicklung bei Moderna sein. Das US-Biotech hat zusammen mit dem National Institute of Health bereits am 16. März mit einem ersten menschlichen Test eines Impfstoffes begonnen. Den Forschern von Moderna, aber auch von anderen Unternehmen kommt zugute, dass die Wissenschaft in den letzten Jahren in diesem Bereich einige Quantensprünge gemacht hat. So ist es heute möglich, Impfungen mit einer sogenannten Messenger-RNA zu entwickeln, einem genetischen Code, der Zellen eine Anleitung gibt, wie sie Proteine bilden können, die den Körper gegen das Virus immun machen.

Auf diese Technologie setzt auch das deutsche Biotechunternehmen BioNTech, das zur Entwicklung eines Impfstoffs eine Partnerschaft mit Pfizer eingegangen ist. Dass teilweise auch unseriöse Unternehmen versuchen, auf der Corona-Welle zu reiten, zeigt das Beispiel Inovio Pharmaceuticals. Die wenig rumreiche Vergangenheit dieser Aktien-Promotion finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Smart Investors. Doch auch die Titel der seriösen Impfstoff-Entwickler sahen sich in den letzten Tagen zum Teil enormen Schwankungen ausgesetzt und waren eher vom Prinzip Hoffnung getragen. Im Unterschied zu Behandlungsmethoden für Erkrankte dürfte die Impfstoffentwicklung aber deutlich mehr Zeit erfordern und am Ende nicht zu der „einen“ Impfung führen, die die Menschheit rettet. Schließlich sollte ein Impfstoff, der Milliarden von gesunden Menschen injiziert wird, auch ausreichend auf mögliche Nebenwirkungen getestet werden.

Bei Wirkstoffen wie Remdesivir, der aktuell nur bei schwerst erkrankten Patienten eingesetzt wird, kann dagegen häufig auf eine sogenannte Compassionate Use-Regelung zurückgegriffen werden. Dabei geben Behörden den Ärzten eine Sondererlaubnis, da der Zustand des Patienten so kritisch ist, dass die möglichen Nebenwirkungen in Kauf genommen werden. Impfungen sind zudem traditionell ein deutlich weniger lukratives Geschäft als Wirkstoffe zur effektiven Behandlung von Erkrankungen. Die Preise sind meist niedrig und die Impfdosen werden überwiegend von staatlichen Stellen eingekauft. Zwar mag dies aufgrund der Dringlichkeit bei Corona nur bedingt gelten, wegen der Hoffnung auf eine Impfung auf eine der gehypten Aktien zu setzten dürfte dennoch keine gute Strategie sein.

Neue Tests braucht das Land

Die Welt muss vermutlich noch länger auf einen Impfstoff warten – doch von einer ganz anderen Seite könnte Erleichterung für eine Rückkehr zu einer gewissen Normalität kommen. Während Corona-Tests heute noch in zentralen Labors und unter vielen manuellen Eingriffen durchgeführt werden, hat Roche bereits ein automatisiertes Testverfahren entwickelt, mit dem sich jeden Monat millionenfach Tests binnen drei Stunden durchführen lassen. Als Basis dafür werden die Roche Geräte Cobas 6800 und 8800 benötigt, von denen bereits 800 weltweit im Einsatz sind. In den USA hat Roche für seine Methode eine beschleunigte Zulassung erhalten.

Auch das US-Unternehmen Thermo Fischer hat für einen vergleichbaren Test eine Schnellzulassung bekommen. Nachteil dieser Tests ist jedoch, dass zur Auswertung noch immer ein Labor benötigt wird. Der nächste Schritt in der Entwicklung wäre ein Do-It-Yourself-Test, der ähnlich einem Schwangerschaftstest binnen Minuten ein Ergebnis liefert. Stünde ein solches Verfahren kostengünstig zur Verfügung, wäre ein ganz anderer Umgang mit der Erkrankung möglich. Statt auf drakonische Maßnahmen wie Ausgangssperren müssten wir uns lediglich auf das regelmäßige Abgeben eines Abstrichs einstellen. Werden dabei – beispielsweise an einem Flughafen – Infizierte identifiziert, ist eine schnelle Isolierung möglich.

Rückkehr zur Normalität

All diese Entwicklungen stimmen den Fondsmanager Dr. Hendrik Leber optimistisch: „Die medizinischen Entwicklungen sollten es uns bald möglich machen, trotz des Virus wieder zu etwas mehr Normalität zurückzukehren,“ so Leber. Dafür müsste aber natürlich erst einmal die enorme Infektionswelle, die wir gerade erleben, vorübergehen. Doch auch hier sieht Leber erste Lichtblicke: „Das gute an eine Pandemie ist, dass sie ziemlich gut mathematisch berechenbar ist. Die drakonischen Maßnahmen in Italien tragen bereits heute Früchte, die Neuinfektionen steigen heute nicht mehr so stark wie zu Beginn des Monats. Bei uns wird es ähnlich verlaufen. Der amerikanische Individualismus könnte jedoch dazu führen, dass es dort länger als hier und in Asien dauert, die Infektionen in den Griff zu bekommen.“

Kennzahlen der vorgestellten Pharma- und Biotechunternehmen
Kennzahlen der vorgestellten Pharma- und Biotechunternehmen

Fazit

Die Welt erscheint augenblicklich mehr als unvorbereitet auf die Wucht, mit der uns COVID-19 erwischt hat. Die medizinischen Fortschritte der letzten Jahre sollten es jedoch in Kürze möglich machen, das Virus in den Griff zu bekommen. So verlockend der Gedanke auch sein mag – das Zocken mit den vieldiskutierten heißen Corona-Aktien aus dem Biotechbereich dürfte keine Methode sein, um die virusbedingt erfolgten Börsenverluste wieder aufzuholen. Lediglich Gilead Sciences erscheint basierend auf den Chancen einer Zulassung einen Gedanken wert zu sein. Doch auch ohne ein konkretes Investment sollten Anleger auf die Fortschritte der Medizin achten. Denn diese dürften die Corona-Krise eher in den Griff bekommen als alles billige Geld der Welt.

Autor/Autorin

Christoph Karl