Die US-amerikanische Zentralbank hat in ihrer gestrigen Sitzung den Leitzins nicht erhöht. Mach mal Pause, hieß es für die Zentralbanker nach einem wahren Erhöhungsmarathon. Das ist einerseits verständlich, denn das Wirtschaftswachstum hat sich im vergangenen Quartal deutlich abgeschwächt. Andererseits liegt die Kern-Inflation noch immer über dem Zielkorridor der Fed. Der zumindest theoretische Inflationsdruck durch hohe Rohstoffpreise im Allgemeinen und dem Rekordniveau beim Rohöl im Besonderen dürfte eher noch steigen. Von daher wäre eine weitere Anhebung auch nicht extrem überraschend gekommen.

Dem steht gegenüber: Obwohl die Weltwirtschaft in den vergangenen Monaten stark gewachsen ist und die Rohstoffpreise explodierten, kam nicht wirklich heftiger Inflationsdruck auf. Die Kausalkette Wirtschaftswachstum, also erhöhte Nachfrage, führt zu steigenden Preisen, was zu Inflation führt, entfaltet sich nicht mehr wie in früheren Aufschwungphasen. Langfristige Lieferverträge mit variablen Abrufvereinbarungen, Währungsabsicherungen, allgemein ein vielfältiges Hedging und ganz offenbar die Erkenntnis, eine solide Geschäftsbeziehung sei mehr wert als eine schnelle Preiserhöhung, sorgen für ungeahnte relative Preisstabilität. Zweifel an offiziellen Inflationszahlen und Diskussionen über Berechnungsmethoden können hier hintangestellt werden, da sie für die Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen gelten.

Waren früher die Zentralbanker durch hohe Inflationsraten praktisch gezwungen, die Zinsen mitunter in aufeinander folgenden 0,5er-Schritten zu erhöhen, ist dieser Druck aktuell so nicht mehr erkennbar. So sind sogar bislang wenig wahrscheinliche Szenarien denkbar wie zum Beispiel eine Zinssenkung trotz ansehnlichen Wirtschaftswachstums und neuer Rohöl-Rekordpreise. Im bisher geltenden Verständnis würde eine Leitzinssenkung, sagen wir im September in den USA, am Markt so aufgefasst, als hätte die Fed Erkenntnisse über eine erhebliche Wachstumsdelle. Damit wären massive Verkäufe vorprogrammiert.

Bei fehlendem Inflationsdruck hingegen könnte der Leitzins gesenkt werden, um statt aktuell 2,5 % Wachstum eine klare Steigerung zu erzielen – die USA brauchen schließlich höheres Wirtschaftswachstum, um ihr gigantisches Haushaltsdefizit durchzuhalten. Diese Optionserweiterung erschwert Zins-Orakel beträchtlich. Insgesamt könnten sich die Auswirkungen von Zentralbankentscheidungen auf Aktienkurse in Zukunft abschwächen.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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