Das IPO von Moderna Ende 2018 gilt als der bislang größte eines Biotechunternehmens. Neben den mehr als 600 Mio. USD, die die US-Firma eingenommen hat, begeistert Beobachter vor allem die auf dem Botenmolekül mRNA basierende Plattformtechnologie. Sie hat das Potenzial, neue Therapien für zahlreiche Indikationen zu ermöglichen. Kein Wunder, dass Moderna auf dem mRNA-Feld nicht alleine ist. Von Thorsten Schüller

Es war einer der größten Biotech-Börsengänge des Jahres 2018: Das US-Unternehmen Moderna sammelte beim IPO am 7. Dezember an der NASDAQ mehr als 600 Mio. USD ein und brachte es auf eine anfängliche Börsenbewertung von stattlichen 7,5 Mrd. USD. Damit zählt Moderna zu den am besten finanzierten Biotech-Start-ups der vergangenen Jahre.

Dabei hat das Unternehmen bislang weder Arzneimittel auf dem Markt, noch hat es durch positive Zahlen in seiner Bilanz überzeugen können. Seit 2013 hat Moderna rund 450 Mio. USD ausgegeben. In den kommenden fünf Jahren sollen noch mal etwa 500 Mio. USD in die Forschung fließen. Möglicherweise ist das nach dem IPO auch so manchem Investor klar geworden, denn der Aktienkurs gab seitdem um gut 20% nach.

Moderna Inc. (WKN A2N9D9) Quelle: Tai-Pan
Moderna Inc. (WKN A2N9D9) Quelle: Tai-Pan

Die Fantasie der mRNA-Plattform

Andererseits wäre es beunruhigend, wenn junge Biotechs – Moderna wurde erst 2011 gegründet – das Geld nicht in Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten stecken würden. Hierin liegt denn auch die Quelle der Fantasie: Moderna gilt als Pionier auf dem Gebiet der mRNA. Dabei handelt es sich um Boten-Ribonukleinsäure, die genetische Informationen in Proteine umsetzt. Moderna sieht in mRNA selbst eine Art „Software fürs Leben“, mit deren Hilfe proteinherstellende Zellen so umprogrammiert werden, dass der Körper quasi seine eigenen Medikamente produziert.

Dieser Ansatz könnte nach Meinung von Branchenkennern die Behandlung von Krankheiten geradezu revolutionieren. Zudem setzen sie darauf, dass die Pharmaindustrie mit dieser Methode schnell auf neue oder genetisch veränderte Viren reagieren kann. Insbesondere bei der Entwicklung von Impfstoffen sehen Fachleute große Anwendungsmöglichkeiten der mRNA-Technologie.

Bis die beim Patienten ankommt, ist es allerdings noch ein weiter Weg. So hat Moderna-Chef Stéphane Bancel zwar 21 Projekte in der Pipeline, doch die zehn fortgeschrittensten befinden sich noch in der klinischen Phase I. Umfangreiche und teure Studien stehen damit noch aus.

Analysten zeigen sich dennoch begeistert. So argumentiert die Needham & Company aus New York, dass Modernas Plattform eine umfangreiche Pipeline in den Bereichen Onkologie, Infektionskrankheiten, Kardiologie und seltene Krankheiten generieren dürfte. Klinische Funktionsnachweise seien bereits erbracht worden, mit der Markteinführung eines ersten Arzneimittels sei für 2024 zu rechnen. Finanziell ist das Unternehmen laut Needham zudem solide ausgestattet. Zum Ende des dritten Quartals 2018 verfügte Moderna über freie Mittel in Höhe von 1,235 Mrd. USD. Needham schätzt, dass die Ressourcen bis 2021 reichen, und setzt das Kursziel auf 28 USD.

Ähnlich positiv äußert sich das Analystenhaus Oppenheimer, das die Moderna-Aktie als Outperformer einstuft. Die Plattform weise eine bislang nicht gekannte Größe und Geschwindigkeit auf. Das Kursziel innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate sieht Oppenheim bei 27 USD.

Auch CEO Bancel trommelt für Investitionen in seine Firma. Im Januar gab er vor Investoren zu verstehen, dass er Moderna für unterbewertet hält. Parallel dazu gab das Unternehmen auf der J.P. Morgan Healthcare Conference, einer wichtigen Branchenveranstaltung in San Francisco, ein positives Update zu seinen Pipeline-Kandidaten.

CureVac, BioNTech und Co.

Das medienwirksame IPO von Moderna lenkt den Blick auch auf andere Unternehmen, die sich der mRNA-Technologie widmen. Hierzulande nimmt in diesem Segment vor allem die Tübinger Biotechfirma CureVac eine starke Stellung ein. Das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen setzt die Technologie zur Entwicklung von Krebs und Molekulartherapien sowie für Impfstoffe ein. CureVac kooperiert mit multinationalen Konzernen und Organisationen, darunter große Namen wie Boehringer Ingelheim, Eli Lilly oder die Bill & Melinda Gates Foundation. Bislang haben die Tübinger rund 400 Mio. EUR Kapital eingeworben, wobei die dievini Hopp BioTech holding GmbH & Co. und die Bill & Melinda Gates Stiftung mit 52 Mio. USD zu den Hauptinvestoren zählen.

Translate Bio Inc. (WKN A2JPE8) Quelle: Tai-Pan
Translate Bio Inc. (WKN A2JPE8) Quelle: Tai-Pan

Die mRNA-Technologie steht auch bei der Mainzer BioNTech, dem nach eigenen Angaben größten nicht-börsennotierten biopharmazeutischen Unternehmen Europas, auf der Agenda. Die Pipeline-Projekte befinden sich in den klinischen Phasen 1 und 2. Anfang 2018 schloss BioNTech eine Finanzierung über 270 Mio. USD ab. Aus Kooperationen mit Sanofi, Genentech und Pfizer erhielt die Firma zusätzlich hohe Summen beziehungsweise wird an künftigen Erfolgen und Meilensteinzahlungen – teilweise im dreistelligen Millionenbereich – beteiligt sein. Solide ist auch die Riege der Finanzinvestoren, darunter das Strüngmann Family Office als Mehrheitsanteilseigner sowie Fidelity Management & Research Company, Invus oder Janus Henderson Investors.

Ebenfalls in Deutschland angesiedelt ist die 2009 gegründete Planegger Firma Ethris, die sich mit ihren mRNA-Aktivitäten vor allem den Atemwegserkrankungen widmet. Dabei setzt auch Ethris auf Partnerschaften, um die Potenziale der Botentechnologie zu heben. So können die Oberbayern auf eine auf fünf Jahre angelegte Zusammenarbeit mit AstraZeneca bauen und erhielten dafür eine Vorabzahlung in Höhe von 25 Mio. USD. Weitere Meilensteinzahlungen stehen in Aussicht.

Wer in börsennotierte Gesellschaften investieren möchte, könnte bei der an der NASDAQ gelisteten Arcturus Therapeutics fündig werden. Das 2013 gegründete US-Unternehmen aus San Diego entwickelt mRNA-Therapien, unter anderem für seltene Erkrankungen sowie Hepatitis B, und ist auch im Impfstoffbereich unterwegs. Seit Januar arbeitet Arcturus mit CureVac bei verschiedenen mRNA-Projekten zusammen. Darüber hinaus haben die Amerikaner mehrere namhafte Kooperationen geschlossen, so mit Janssen Pharmaceuticals und Takeda.

Einen Blick wert ist auch die US-Firma Translate Bio. Das Unternehmen aus Massachusetts hat Anfang 2017 die mRNA-Entwicklungsplattform von Shire übernommen; im Juni 2018 ist die Firma an die Börse gegangen. Mehrere Projekte befinden sich in präklinischen respektive klinischen Testphasen, zudem gibt es seit Juni 2018 eine Zusammenarbeit mit Sanofi Pasteur, die neben einer bereits gebuchten Vorabzahlung eine satte Erfolgsprämie im Volumen von 805 Mio. USD zur Folge haben könnte.

Als Dickschiff unter den Anlagemöglichkeiten mit mRNA-Bezug bietet sich zudem der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) an. Durch den Kauf des Impfgeschäftes von Novartis im Jahr 2014 ist der Konzern in den Genuss einer interessanten mRNA-Plattform für Infektionskrankheiten gekommen.

Quelle: Moderna Inc.

Fazit

Bei mRNA handelt es sich um eine Technologie mit viel Potenzial. Im Erfolgsfall bieten sich zahlreiche therapeutische Anwendungsmöglichkeiten und hohe Umsatzchancen an, was sich längerfristig auch in höheren Unternehmensbewertungen niederschlagen dürfte. Investoren sollten allerdings eine gehörige Portion Risikobereitschaft mitbringen, denn die klinischen Erfahrungen sind bislang begrenzt. Auch ist noch mit Fragezeichen behaftet, ob und wie sich die Technologie in der Praxis bewähren wird. Zudem ist der Wettbewerb insbesondere in den Bereichen Impfstoffe, Krebs, seltene und kardiovaskuläre Erkrankungen nicht zu unterschätzen.

 

Der Beitrag erschien in der Ausgabe „Smarte Medizin“ der Plattform Life Sciences. Lesen Sie das komplette E-Magazin kostenfrei!

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