Die Biotechnologie zählt zu den innovativsten Branchen der gesamten globalen Industrie. Wer auf das richtige Pferd setzt, kann mit Biotechnologieaktien noch immer eine überproportionale Rendite einfahren, vorausgesetzt er übersteht die nicht seltene Achterbahnfahrt, die, vor allem in der Wirkstoffforschung, bei vielen Anlegern immer wieder für Schweißausbrüche und zittrige Hände sorgt. Um die Risiken und Nebenwirkungen der Branche valide einschätzen zu können, erfordern Investitionen in die Biotechnologie wie kein anderes Investment ein möglichst umfangreiches Wissen in der biotechnologischen Forschung. Wer sich dieses nicht aneignen will oder kann, der sollte auf Biotechnologieaktien verzichten oder entsprechende Investitionen bevorzugt in die Hände von Profis geben.

Herbe Verluste treffen oft Kleinanleger
Doch selbst Profis sind vor Rückschlägen nicht sicher, wie das Beispiel der Schweizer Cytos jüngst veranschaulicht hat. Eigentlich ist der Cytos-Geschäftsführer und Zellbiologe Christian Itin ein alter Hase im Biotechnologiesektor, den Absturz der Firma Cytos an den Aktienmärkten konnte aber auch er nicht verhindern. Als der in Basel geborene Itin im Jahr 2012 die Münchner Micromet für mehr als eine Milliarde USD an das weltweit größte Biotechnologieunternehmen Amgen verkaufte, wurde er fast wie ein Star gefeiert. Bei Cytos scheint Itin das Glück aber verlassen zu haben. Nachdem der Schlüsselkandidat des Unternehmens in Phase III nicht besser als eine banale Zuckerpille abschnitt, ist nicht nur der Geldstrom für das Unternehmen aktuell versiegt, auch die Anleger verabschiedeten sich reihenweise aus dem Wert. Die Marktkapitalisierung von Cytos ging nach Bekanntwerden des Malheurs auf Tauchstation – von mehr als 87 Mio. auf nur noch rund 4 Mio. CHF. Leider hat es bei den herben Verlusten der Aktie wie so oft wieder einmal die Kleinanleger besonders hart getroffen.

Vorsicht bei Fremdfinanzierung
Der Fall Cytos macht eines klar, Einzelinvestments im Biotechsektor sind für Kleinanleger ohne das nötige komplexe Fachwissen nicht uneingeschränkt geeignet. Glaubt man Christian Itin, dann hatte der Cytos Schlüsselkandidat eine fünfzigprozentige Erfolgschance. Man muss allerdings wissen, dass diese 50 Prozent Erfolgschance für alle Wirkstoffentwicklungen gilt. Was Cytos nach der Niederlage des Schlüsselkandidaten zum Verhängnis wurde waren wohl auch die nicht unerheblichen Schulden. Schulden in einem so riskanten Geschäft wie der Biotechnologie, ein fehlender Cashflow und kaum vorhandene Sicherheiten – ein Dreiergespann das in einem so riskanten Business wie der Biotechnologie extrem riskant werden kann. Für Kleinanleger sollte deshalb gelten, Finger weg von überwiegend fremdfinanzierten Biotechs. Zwar schützt auch eine Finanzierung mit Eigenmitteln nicht vor Rückschlägen in klinischen Studien, doch hier besteht auch weniger die Gefahr, dass Kleinanleger ihr Geld in riskante Firmen stecken können. Für konservative Anleger eignen sich die risikoreicheren Biotechs generell weniger, sie sollten sich bevorzugt an große Namen mit ausreichend Umsatz wie beispielsweise Amgen oder Gilead Sciences halten.

Bewertung ist wichtig
Wer als Kleinanleger partout nicht auf risikoreichere Biotech Start-ups verzichten will, sollte zumindest Einiges beachten, um nicht am Ende mit leeren Händen dazustehen. Bei nur einem Hoffnungsträger in der Pipeline ist das Risiko eines Totalverlusts besonders groß, denn bei fehlender Wirksamkeit oder nicht tolerierbaren unerwünschten Wirkungen eines Wirkstoffes kann eine Aktie schnell ins Bodenlose stürzen, wie der Fall Cytos jüngst eindrucksvoll bewiesen hat. Doch wie schützen sich Anleger vor diesem Schicksal? Hier hilft nur einen möglichst unabhängigen Profi zu Rat zu ziehen, der sowohl die Wissenschaft als auch die Zahlen versteht. Zur Bewertung wird auch bei Biotechs die Discounted-Cashflow-Methode, kurz DCF, herangezogen. Analysten zinsen dabei die künftig erwarteten Erträge auf den gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Das Ergebnis ist der aktuelle Nettowert des Unternehmens, der Net Present Value (NPV). Je riskanter ein Unternehmen, desto höher der Prozentsatz für die Abzinsung – gängig sind hier um die sieben Prozent. Im Falle von Biotech-Unternehmen macht auch ein Peer-Group-Vergleich Sinn. Dabei werden die relevanten Unternehmenskennzahlen mit entsprechenden Zahlen der gesamten Branche verglichen und so ein ungefährer Wert einer Firma ermittelt.

Durststrecken durch lange Entwicklung
Doch auch diese Methoden bieten keine absolute Sicherheit, Biotechnologie-Unternehmen sind gerade im Anfangsstadium – wenn noch keine Produkte vermarktet werden – extrem riskant. Rund zehn Jahre benötigt ein Entwicklungskandidat bis zum potenziellen Markteintritt – dazwischen liegen zahlreiche Stolperfallen in Form von präklinischen und klinischen Studien sowie den Zulassungsbehörden der einzelnen Länder. Das alles kostet eine Menge Geld und viel Glück und verlangt von Anlegern eine Menge Geduld. Diese Durststrecke müssen Anleger in Kauf nehmen, allerdings steigt mit jeder erfolgreich absolvierten Studie auch die Chance auf eine Zulassung des Produktes. Schafft das Produkt die Phase I der klinischen Entwicklung, stehen die Chancen für eine Zulassung bei etwa 30%. Nach erfolgreicher Bewältigung der Phase II liegt die Zulassungswahrscheinlichkeit zwischen 30 und 50%. Und gelingt auch noch die Phase III, kann auf eine 50- bis 80-prozentige Wahrscheinlichkeit auf Zulassung gehofft werden.

Fazit: Wer also auf ein Einzelinvestment in junge Unternehmen mit Potenzial nicht verzichten will, der sollte sich zumindest mit einigen Kennzahlen, der Finanzierungsform des Unternehmens, den Schulden und der möglichen Konkurrenz auseinandersetzen. Außerdem lohnt es sich, die Studiendaten eines Produktes genauestens zu überwachen und bei Ungereimtheiten lieber vorher die Reißleine zu ziehen. So lässt sich die Gefahr, dass aus einer Durststrecke eine Endstation wird, zumindest verringern.

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