Gesundes Chancen-Risiko-Verhältnis

In Krisenzeiten bieten Healthcare-Märkte Indien und China attraktive Renditechancen

Bildnachweis: Sectoral Asset Management.

Corona stürzt die Wirtschaft weltweit in eine tiefe Krise. Niemand weiß, wann und wie nachhaltig sich die Länder vom Schock des Lockdowns erholen werden. Trotzdem die Aktienmärkte seit März wieder deutlich angezogen haben, ist die Unsicherheit nach wie vor groß. Für Investoren lohnt sich daher ein Blick auf defensive Branchen wie den Gesundheitsmarkt, auch den der Schwellenländer, und hier im Speziellen den von China und Indien. Ihnen sagen Experten ein robustes Wachstum voraus, wobei sich die Kurse derzeit noch auf einem vernünftigen Niveau bewegen. Daraus ergeben sich attraktive Renditechancen bei einem geringeren Risiko als das eines breiten Schwellenländerinvestments. Von Sean Lo, Portfolio Manager, Sectoral Asset Management

 

Ein entscheidender Wachstumstreiber ist die Überalterung der dort lebenden Menschen, die schon heute im Schnitt älter sind als die der westlichen Industrienationen. Die WHO prognostiziert, dass 2050 knapp 70 Prozent der Bevölkerung in den Schwellenländern älter als 50 Jahre sein wird. Die Anzahl altersbedingter Krankheiten wird entsprechend steigen. Gleichzeitig ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Ländern wie China oder Indien noch immer relativ niedrig, das zukünftige Wachstumspotenzial dafür umso größer. Denn nachgewiesenermaßen geben Menschen bei zunehmendem Wohlstand mehr Geld für ihre Gesundheit aus. Und da die Mittelschicht stetig wächst, werden private Gesundheitsleistungen in Zukunft verstärkt nachgefragt werden.

Healthcare: Demographie und politische Maßnahmen treiben Wachstum an

Für einen weiteren Schub dürften politische Maßnahmen sorgen: Sowohl Indien als auch China haben in den letzten Jahren das System der Gesundheitsversicherung sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung erheblich verbessert. Allein China gab 2017 rund eine Trilliarde US-Dollar für Gesundheitsleistungen aus und ist mittlerweile der zweitgrößte Gesundheitsmarkt weltweit. Doch es gibt Unterschiede zwischen den Ländern, die sich auf zwei Punkte reduzieren lassen: China setzt auf Innovationen und eine hochwertige medizinische Versorgung, Indien hingegen auf die globale Bedeutung seiner Pharmaindustrie als kosteneffizienter Produzent günstiger Medikamente.

Innovationsstrategie Chinas beflügelt die Biotechnologie-Branche

Einer der großen Gewinner der chinesischen Strategie ist die Biotechnologie-Branche, die im Regierungsplan „Made in China 2025“ besonders betont wird. Die Anstrengungen im Bereich F&E wurden massiv erhöht, um Lösungen für bislang nicht oder unzulänglich therapierbare Krankheiten zu finden. Auch die Zulassungsverfahren wurden massiv beschleunigt. Welchen Wandel die Deregulierung des Marktes bewirkt, zeigt der chinesische Onkologiemarkt. Bislang wurde Krebs in China vor allem durch Chemotherapien oder Medikamente der älteren Generation therapiert, teils auch mit Hilfe der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Diese Ansätze werden zunehmend von fortschrittlicheren Behandlungen abgelöst, wobei pharmaökonomische Aspekte in den Fokus rücken. Profitieren werden davon Arzneimittelhersteller, die rasch auf Therapien der neuen Generation wie beispielsweise Verfahren der Immunonkologie setzen mit einem auf einheimische Patienten zugeschnittenen Nutzenversprechen. Nutznießer sind zudem Anbieter von medizinischen Dienstleistungen wie Internet-Apotheken oder Online-Beratungsplattformen, die vom Deregulierungstrend profitieren werden.

Indien: Wachstum durch verstärkte Inlandsnachfrage und Erschließung neuer Exportländer

Eine andere Strategie verfolgt Indien, auf das – gemessen am Volumen – rund 20 Prozent aller weltweiten Generika-Exporte entfallen, wobei die USA mit mehr als 30 Prozent noch immer der größte Abnehmer sind.  Die Produktion von qualitativ guten, gleichwohl günstigen Medikamenten ist einer der großen Wettbewerbsvorteile Indiens. Als Wachstumsmotor könnten sich die steigende Inlandsnachfrage sowie die Erschließung neuer Exportmärkte herauskristallisieren, nachdem indische Generika auf dem US-Mark in den letzten Jahren unter massiven Preisdruck geraten sind. Auch von Regierungsseite erfährt der Markt Rückenwind: Immer mehr Inder, auch die ärmeren Kasten, sind krankenversichert, wovon unter anderem Krankenhausketten profitieren dürften. Apotheken siedeln sich vermehrt in ländlichen Gegenden an, so dass rezeptfreie Medikamente auch dort einfacher zugänglich sind. Zudem wurden die staatlichen Gesundheitsausgaben seit 2013 um knapp 80 Prozent erhöht und lagen 2018 bei umgerechnet knapp 35 Milliarden US-Dollar (2013: 19,55 US-Dollar). Darüber hinaus sorgen private Investments in Forschung & Entwicklung sowie vermehrte M&A-Aktivitäten für Wachstum. Allein 2017 gab es 46 M&A-Abschlüsse im Gegenwert von 1,47 Milliarden US-Dollar.

Anlagehorizont sollte nicht zu kurz gewählt werden

Die Healthcare-Märkte der Schwellenländer China und Indien bieten Investoren attraktive Renditechancen und zugleich die Möglichkeit, schwankungsintensive Positionen innerhalb des Depots dank des eher defensiven Charakters der Gesundheitsbranche auszugleichen. Allerdings sollte der Investmenthorizont mittel- bis langfristig gewählt werden, da sich der aufgezeigte Wandel nicht sprunghaft vollziehen wird. Auch die Früchte der politischen Anstrengungen werden sich nicht von heute auf morgen einstellen. Ein spezialisiertes medizinisches Fachwissen sowie die Kenntnis der Besonderheiten der beiden Märkte sind bei einem solchen Investment zudem unerlässlich.

Autor/Autorin

Gesundes Chance-Risiko-Verhältnis
Sean Lo
Portfolio Manager at Sectoral Asset Management

Sean kam 2018 zu Sectoral Asset Management und wurde 2019 zum Portfoliomanager der Emerging Markets Healthcare-Strategie befördert. Sein Verantwortungsbereich umfasst die analytische Abdeckung von Aktien aus dem Gesundheitswesen in Schwellenländern.

Nach dem Studium der Biomedizintechnik in Yale (M.S.) und Rochester (B.S.) erwarb er zusätzlich einen Juris-Doktortitel an der Universität Hong Kong.

Bevor er zu Sectoral kam war er bei Goldman Sachs in Hong Kong im China Healthcare Investment Research Team beschäftigt. Zuvor war er im Public Equity Investment Team der China International Capital Corporation tätig, wo er sich mit der chinesischen A-Aktie im Gesundheitswesen befasste. Er begann seine Karriere bei Citigroup in Hong Kong als wissenschaftlicher Mitarbeier mit Schwerpunkt auf China Healthcare Equity Research.