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Impfstoffe, Notfallmedizin und Diagnostik-Schnelltests – der Kampf gegen die Corona-Pandemie läuft an verschiedenen Fronten auf Hochtouren. Schnelligkeit und ein optimales Wirkprofil sind dabei zwei Seiten derselben Medaille. Von Stefan Riedel

 

Es wird der erste konkrete Schritt zur Eindämmung der Corona-Pandemie: Anfang Mai hat die Federal Drug Administration (FDA) dem von Gilead Sciences entwickelten Medikament Remdesivir eine erste Zulassung für die Anwendung bei Notfallpatienten erteilt. Die begrenzte Ausnahmegenehmigung für ein Medikament auf der Grundlage von vielversprechenden Daten aus einer klinischen Studie ist in regulatorischer Hinsicht außergewöhnlich. Dahinter steht der Druck auf die Gesundheitssysteme, die schweren gesundheitlichen und ökonomischen Folgen der Krise schnellstmöglich einzudämmen.

COVID-19: Mit Virendetektiven zur Pandemiekontrolle

International flächendeckende diagnostische Schnelltests sind hier der Schlüssel zur besseren Eingrenzung der Infektionsherde. Das gilt vor allem im Hinblick auf künftige Infektionswellen. Darüber hinaus lässt sich über Antikörpertests quantifizieren, wie viele Personen bereits mit COVID-19 infiziert waren und eine Immunität gegenüber dem Coronavirus SARS-CoV-2 entwickelt haben. Hier ist Roche mit der Zulassung des Testsystems Elecsys Anti-SARS-CoV-2 der große Durchbruch gelungen. Mittels des Bluttests lässt sich in wenigen Stunden mit einer Spezifität von 99,8% bestimmen, ob das Immunsystem Antikörper gebildet hat. Roche kann pro Monat eine hohe zweistellige Millionenzahl an Testkits herstellen. Zu den Diagnostikfirmen, die mit ihren Produkten Corona-Infektionen analysieren, zählt auch QIAGEN mit seiner vollautomatischen Diagnostikplattform QIAstat-Dx, die über das PCR-Gensequenzierungsverfahren Infektionen entdeckt. CENTOGENE, eine auf Diagnostika für Erbkrankheiten spezialisierte Firma aus Rostock, begann im März, auf lokaler Ebene Risikogruppen zu testen, und bietet ihre PCR-Testkits mittlerweile weltweit an. Wer ganz vorne mitspielen wird, muss für Kai Brüning, Fondsmanager bei Apo Asset Management, drei Qualitätsmerkmale mitbringen: „Letztendlich kommt es darauf an, bei der Schnelligkeit der Testverfahren, möglichst kurzen Wartezeiten für die Ergebnisse und bei der Skalierbarkeit von ambulanten Point-of-Care-Tests führend zu sein.“

Antivirale Therapien für den Akuteinsatz …

Um die Zahl der schweren und lebensbedrohlichen Krankheitsverläufe zu reduzieren, werden einige Arzneien für die Akutbehandlung getestet. Remdesivir ist hier Vorreiter. Das über einen Zeitraum von fünf bis zehn Tagen intravenös verabreichte Präparat mildert den Krankheitsverlauf, indem es den Replikationsprozess der Viren blockiert. Sollten die für Mai erwarteten Ergebnisse aus den offenen klinischen Studien den positiven Trend bestätigen, wird Remdesivir im Sommer als erste COVID-19-Therapie weltweit auf den Markt kommen. Um eine globale Versorgung über die nächsten Jahre zu gewährleisten, arbeitet das Unternehmen am Aufbau eines weltweiten Konsortiums von Produktionspartnern. Allerdings ist der Markt groß genug für weitere Produkte. „Mittel- bis langfristig liegt der Fokus der Medikamentenentwicklung hier auf den Synergiepotenzialen für Wirkstoff-Cocktails, die das Virus von verschiedenen Seiten angehen. Wichtig ist das auch hinsichtlich der Wirksamkeit, wenn es in Zukunft zu Genmutationen beim Coronavirus kommen sollte“, so Mario Linimeier, Geschäftsführer und Fondsmanager bei Medical Strategy.

Eine andere Art von Virenblockern gegen COVID-19 entwickelt die österreichische Biotechfirma APEIRON Biologics. Deren Präparat APN 01 imitiert das Enzym ACE2, das den SARS-Viren die sprichwörtlichen Türen in die Wirtszellen öffnet. Damit bindet es die Viren an sich und verhindert eine Infektion. Darüber hinaus soll der Wirkmechanismus eine schwere Entzündungsreaktion der Lunge verhindern, welche bei COVID-19 zu Multiorganversagen führen kann. APEIRON hat im April eine klinische Phase-II-Studie mit 200 Patienten in drei europäischen Ländern gestartet. APN 01 könnte im Erfolgsfall für die stationäre Behandlung von Erkrankten infrage kommen, bei denen die Erkrankung noch nicht zu einem lebensbedrohlichen Zustand geführt hat. Dass APEIRON die Substanz 2019 vom Kooperationspartner GlaxoSmithKline einlizenzierte, könnte sich als Glücksgriff erweisen.

… und Impfstoffe als Dauerschutz

Nur eine dauerhafte Immunität wird jedoch die Weltbevölkerung vor medizinischen Schäden durch COVID-19 bewahren. Aktuell laufen weltweit rund 115 Impfstoffprojekte gegen die Krankheit; zehn davon befinden sich in der klinischen Entwicklung. Die verschiedenen Ansätze reichen von Antikörpern über RNA-Vakzine bis zu Immunglobulinen. Bei der passiven Immunisierung erhalten die zu impfenden Personen Antikörperkonzentrate oder das Blutplasma von Personen, die als Genesene eine Immunität gegen die Virusinfektion entwickelt haben. Wie lange eine auf diese Weise aufgebaute Immunisierung gegen COVID-19 währt, ist noch ungeklärt. Als Vorreiter gelten Takeda Pharma, Regeneron Pharma, WuXi Biologics und Vir Pharma.

Die aktive Immunisierung soll bewirken, dass das menschliche Immunsystem nach dem Kontakt mit Fragmenten oder abgeschwächten Formen des Coronavirus Antikörper entwickelt. Medizinische Experten gehen bei herkömmlichen Vakzinen von einem Zeitraum von mindestens zwölf bis 18 Monaten bis zur Zulassung aus. Zu den aussichtsreichsten Akteuren zählen hier die Pharmakonzerne Johnson & Johnson, Merck & Co. sowie Sanofi.

Eine gegenüber herkömmlichen Verfahren kürzere Entwicklungszeit erhoffen sich die Firmen, die neuartige mRNA-basierte Impfstoffe entwickeln. Die RNA bildet die Schaltstelle für die Übersetzung von Genen in Eiweißstoffe. mRNA soll die Zellen des Immunsystems indirekt anregen, Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu bilden. Die Mainzer Biotechfirma BioNTech, die im Oktober 2019 ihr Börsendebüt an der Nasdaq gefeiert hatte, hat im April mit der ersten klinischen Studie begonnen. Mit dem US-Pharmakonzern Pfizer und Fosun Pharma aus China hat BioNTech Entwicklungs- und Vermarktungspartnerschaften abgeschlossen. Sollte der mRNA-Impfstoff BNT162 noch im Herbst positive zulassungsrelevante Ergebnisse liefern, so die optimistische Einschätzung von Pfizer, könnte der Kandidat noch in diesem Jahr zugelassen werden. Auch die Oxford University spricht davon, bereits im September einen Impfstoff zur Verfügung zu haben. Dagegen will CureVac aus Tübingen in Kürze klinische Studien mit einem mRNA-Impfstoff starten.

Am weitesten fortgeschritten mit der mRNA-Technologie ist jedoch eine US-Firma: Moderna hat im März mit der ersten klinischen Studie zu Wirksamkeit und Verträglichkeit begonnen. Einen positiven Verlauf vorausgesetzt, soll noch im zweiten Quartal eine breiter angelegte Wirksamkeitsstudie starten. Liegen bis zum Jahresende positive Ergebnisse vor, bilden sie die Basis für eine zeitnahe Zulassung. Damit könnten Risikogruppen bei einer zweiten Infektionswelle noch im Winter geimpft werden. Eine kürzlich abgeschlossene Kooperation mit dem Medikamentenhersteller Lonza, die auf zehn Jahre angelegt ist, sichert die jährliche Produktion von bis zu einer Mrd. Impfstoffdosen. Angesichts der Notwendigkeit, Milliarden von Menschen zu impfen, ist der Markt groß genug für mehrere Produkte. „Die Mehrheit der Impfstoffe zielt auf die Spike-Struktur des Coronavirus ab, keine größeren Differenzierungsmöglichkeiten beim Großteil dieser Kandidaten“, ist sich Branchenexperte Linimeier sicher.

COVID-19 wird kein großer ­Renditetreiber

So groß der Bedarf an wirkungsvollen COVID-19-Therapien, so unsicher ist der kommerzielle Nutzen für die Protagonisten. „Wir gehen davon aus, dass viele Firmen mit spezifischen Produkten gegen COVID-19 kaum nachhaltige Geschäftsmodelle betreiben können. Wegen des politischen und gesellschaftlichen Drucks werden viele Protagonisten die Produkte wahrscheinlich mehr oder weniger zu Herstellungskosten verkaufen“, ist Dr. Daniel Koller, Leiter des Portfoliomanagements von BB Biotech, überzeugt.

Ungeachtet dessen, welche Firmen und Forschungsinstitute den Kampf gegen das Coronavirus prägen werden, ist eines gewiss: Die Suche nach schlagkräftigen Therapien ist eine Chance für die Medikamentenforschung, die öffentliche Meinung positiv zu beeinflussen. Ziel muss es sein, dass die biopharmazeutische Industrie wieder verstärkt als Akteur wahrgenommen wird, der wertvolle Lösungen für medizinische Herausforderungen anbieten kann und nicht nur auf Gewinnmaximierung aus ist.

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