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Die Forschung für einen Impfstoff und die Suche nach Medikamenten läuft auf Hochtouren. Während sich Pharmariesen verbünden, ist zwischen den einzelnen Ländern ein regelrechter Wettstreit um die Heilmittel gegen den Erreger SARS-CoV-2 entbrannt. Jeder will der Erste sein. Von Nicole Unger

Die Coronavirusthematik beschäftigt Europa und den Rest der Welt nun schon seit über einem halben Jahr. Verglichen mit dem Anfang der globalen Pandemie haben wir alle viel dazugelernt, Entbehrungen hinnehmen müssen und uns teilweise auch endlich wieder einmal auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben besonnen. Doch ein greifbares Ende der schwierigen Situation ist momentan noch nicht in Sicht. Auch wenn Russland bereits im August mit der Zulassung des weltweit ersten Impfstoffs aufhorchen ließ, haben bislang die Bedenken gegen Sputnik V überwogen. Die Genehmigung erfolgte ohne Durchführung einer Phase-III-Studie, der aufwendigsten Entwicklungsetappe. Anhand mehrerer Tausend Freiwilliger, die sich in ihrem Alltag mit dem Virus infizieren könnten, soll hier erwiesen werden, ob das Vakzin zuverlässig vor einer SARS-CoV-2-Infektion schützt. Das Auslassen dieses wichtigen Kontrollpunkts hat bei vielen Forschern und Medizinern Unverständnis ausgelöst, denn so werden nicht nur zahlreiche Menschen einem unnötigen Risiko ausgesetzt, sondern bei einem Misserfolg zusätzlich Ängste und Ablehnung gegen Impfstoffe per se verstärkt.

Worum geht es?

Zu Beginn der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus gerieten vermehrt Aussagen über eine mögliche Impfstoffzulassung noch im Sommer oder Herbst 2020 an die Öffentlichkeit. Obwohl dieser Zeitrahmen aufgrund der zahlreichen Entwicklungsschritte schon damals äußerst unwahrscheinlich war, hängen diese Aussagen den Forschern nun nach. Dabei wird oft vergessen, dass es normalerweise viele Jahre, manchmal gar Jahrzehnte dauern kann, einen wirksamen und sicheren Impfstoff gegen ein neues Virus herzustellen. Im Regelfall startet die Entwicklung hier mit der Analyse des Virus, dem Design des Impfstoffs und der Erprobung an Versuchstieren, bevor auch nur ein Proband das Vakzin injiziert bekommt (Grafik vfa: Die sieben Etappen der Impfstoffentwicklung). Um diesen Prozess im Fall einer weltweiten Epidemie, bei der in kürzester Zeit dringend ein Impfstoff gebraucht wird, zu verkürzen, wurden in den vergangenen Jahren sogenannte Vakzine-Plattformen entwickelt. Diese basieren auf etablierten und „entschärften“ Viren, die bereits als Impfstoffbasis im Einsatz sind und dadurch mit dem entsprechenden Antigen schnell in ein Notfallvakzin umgewandelt werden können – so z.B. die Masern- oder Adenoviren.

Mehrere Kandidaten

Stand 17. September 2020 befinden sich sieben Impfstoffprojekte in Phase III, nämlich von: Oxford University (UK)/AstraZeneca Life Science, Sinovac Biotech (China), Moderna (USA), BioNTech/Pfizer/Fosun Pharma, das Gamaleya-Forschungszentrum für Epidemiologie und Mikrobiologie (Russland; nachgeholte Phase III) sowie das Wuhan Institute of Biological Products und das Beijing Institute of Biological Products, beide in Kooperation mit Sinopharm. Die einzelnen Unternehmen verfolgen ganz unterschiedliche Ansätze, von der Vektorvirentechnologie über inaktivierte Viren bis hin zur mRNA-Technologie. Letztere wird bei den Vakzinprojekten von Moderna und BioNTech angewandt: Hierbei soll der menschliche Körper die Impfantigene selbst herstellen. Dafür enthalten die Vakzine nur einzelne Nukleinsäuren, die die Expression von beliebigen Antigenen induzieren. Somit können potente humorale und zelluläre Immunantworten eingeleitet werden. Wissenschaftler erhoffen sich von mRNA-Vakzinen zusätzlich auch eine wirksame Waffe gegen Krebs. Die Impfstoffe stimulieren Immunreaktionen gegen tumorassoziierte Antigene und regen Immunzellen an, die Krebszellen zu bekämpfen. Bislang existiert jedoch weltweit noch kein zugelassener mRNA-Impfstoff.

Die Politik fördert

Großen Zuspruch und finanzielle Unterstützung des deutschen Bundesforschungsministeriums im Rahmen eines Sonderprogramms erhält sowohl das Mainzer Biotechunternehmen BioNTech (375 Mio. EUR) als auch die Tübinger CureVac (230 Mio. EUR) sowie die IDT Biologika GmbH aus Dessau. Letztere ist auf die Entwicklung und Fertigung von Virusimpfstoffen, viralen Vektoren und Biologika spezialisiert. Die endgültige Förderungssumme steht noch nicht fest. CureVac hatte im Juni bereits zusätzlich 300 Mio. EUR von der staatlichen Förderbank KfW, weitere 150 Mio. EUR von GSK und zusätzliche 110 Mio. EUR von Qatar Investment Authority (QIA) und einer Gruppe bestehender und neuer Investoren erhalten. Im August wurde dann bekannt, dass das Unternehmen ein IPO an der Nasdaq wagt. Forschungstechnisch befindet sich CureVac aktuell in Phase I; Ergebnisse daraus werden Anfang Oktober erwartet. Fallen diese positiv aus, soll es noch in diesem Jahr in breit angelegte weitere klinische Studien gehen, und eine Zulassung in der ersten Jahreshälfte 2021 scheint möglich. BioNTech hingegen scheint etwas schneller zu sein und strebt eine Marktzulassung ihres Impfstoffkandidaten, nach einer aktuell hoffentlich erfolgreich verlaufenden Phase-II-Studie, noch im laufenden Jahr an. Zusammen mit Pfizer will das Unternehmen noch 2020 bis zu 100 Mio. Impfdosen bereitstellen, für 2021 werden 1,3 Mrd. Dosen angestrebt. Als Gegenleistung für die Fördergelder erwartet die Bundesregierung: „… dass ein angemessener Anteil der Produktion eines zugelassenen Impfstoffs für die bedarfsgerechte Versorgung in Deutschland zugänglich gemacht wird“, so Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU).