Dr. Norbert Bröcker und Andreas Hecker, Rechtsanwälte und Partner bei Liebs Fritsch & Partner RA.
Dr. Norbert Bröcker und Andreas Hecker, Rechtsanwälte und Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner RA.

Große Kapitalgesellschaften müssen seit Jahren gemäß §§ 289 Abs. 3, 315 Abs. 1 HGB im (Konzern-)Lagebericht zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren wie Umwelt- und Arbeitnehmerbelangen Angaben machen, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage des Unternehmens von Bedeutung sind. Viele Unternehmen veröffentlichen daneben freiwillig Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Berichte. Sie können dabei auf zahlreiche Berichtsstandards und Rahmenwerke, wie die G4 Sustainability Reporting Guidelines, ISO 26000 oder den Deutschen Nachhaltigkeitskodex zurückgreifen. Die Deutsche Börse hat aufgrund der Bedeutung nichtfinanzieller Informationen bereits 2013 einen Leitfaden mit Empfehlungen zur Nachhaltigkeit in der Kapitalmarktkommunikation herausgebracht. Zudem hat es sich die EU zur Aufgabe gemacht, die Berichterstattung zur Corporate Social Responsibility stärker zu standardisieren und dafür 2014 die „CSR-Richtlinie“ (2014/95/EU) erlassen, die bis zum 6. Dezember 2016 umzusetzen war. Von Dr. Norbert Bröcker und Andreas Hecker.

 Der deutsche Gesetzgeber hat die Frist leicht gerissen. Zwar war das Gesetz als 1-zu-1-Richtlinienumsetzung konzipiert, dies bedeutete jedoch nicht einen Verzicht auf tiefgreifende Diskussionen während des Gesetzgebungsverfahrens. So kam es in der im März vom Bundestag beschlossenen Gesetzesfassung noch zu diversen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf. Am 31. März 2017 hat der Bundesrat das Gesetz passieren lassen. Nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten ist es am 18. April im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Die Berichtspflicht ist auf die ab dem 1. Januar 2017 beginnenden Geschäftsjahre anzuwenden.

Adressaten des CSR-Richtliniengesetzes

Die Berichtspflicht im Lagebericht trifft große Kapitalgesellschaften und große eingetragene Genossenschaften im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 HGB, die kapitalmarktorientiert sind und im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen; ebenso sind Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen erfasst, wenn sie in entsprechender Anwendung des § 267 HGB als groß gelten und mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Eine Berichtspflicht für den Konzernlagebericht trifft kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen, die nach § 293 HGB als groß anzusehen sind und mehr als 500 Arbeitnehmer zählen.

Handlungspflicht

Die Betroffenen haben den (Konzern-)Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern oder einen gesonderten Bericht zu veröffentlichen, der mit dem Lagebericht offengelegt bzw. auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht wird.

Inhalt

Die nichtfinanzielle Erklärung muss das Geschäftsmodell beschreiben und auf Umwelt-, Arbeitnehmer- sowie Sozialbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung eingehen. Hierbei müssen die Angaben gemacht werden, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, die Lage der Kapitalgesellschaft sowie der Auswirkung auf die genannten Aspekte erforderlich sind.

Rahmenwerke

Für die Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung kann auf nationale, europäische oder internationale Rahmenwerke (die Gesetzesbegründung erwähnt in diesem Zusammenhang den Deutschen Nachhaltigkeitskodex und die G4) zurückgegriffen werden. Werden keine Rahmenwerke zugrunde gelegt, ist nach einer zuletzt eingefügten Gesetzesänderung im Sinne des „Comply-or-explain-Grundsatzes“ zu erläutern, warum hierauf verzichtet wird.

Prüfung

Die allgemeine Prüfungspflicht des Abschlussprüfers bezieht sich auf die Abgabe der nichtfinanziellen Erklärung; eine inhaltliche Prüfung dieser Erklärung ist nicht verpflichtend. Soweit eine solche durchgeführt wird, ist der Prüfbericht allerdings zu veröffentlichen.

Straf-/Bußgeld

Die Straf- und Bußgeldvorschriften in §§ 331 ff. HGB werden auf unrichtige Darstellungen und Verstöße gegen die Vorschriften zur Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung erweitert.

Ausblick

Ob mit dem Gesetz eine verbesserte Berichtsqualität und Standardisierung einhergeht, bleibt abzuwarten. Die relativ kleine Gruppe erfasster Unternehmen hat – trotz der gesetzlichen Vorgaben – erhebliche Gestaltungsspielräume bei der Berichtserstellung. Unternehmen, die nicht der Berichtspflicht unterworfen sind, werden weiterhin eine noch größere Freiheit bei der CSR-Berichterstattung genießen. Investoren müssen insofern auch künftig mit einer Vielzahl unterschiedlichster CSR-Berichte als Informationsquelle arbeiten.

Berichtspflichtige Unternehmen müssen sich zügig auf die Berichterstattung vorbereiten, da die erforderlichen Informationen im Geschäftsjahr 2017 gesammelt werden müssen. Hierbei sind von der Unternehmensleitung u.a. Entscheidungen über den Berichtsaufbau/ -inhalt, den Rückgriff auf Rahmenwerke, eine etwaige freiwillige Prüfung und die Veröffentlichungsart zu treffen. Auch Aufsichtsräte haben ihre Verantwortung hinsichtlich der CSR-Berichte zu beachten. Gemäß § 171 Abs. 1 AktG n.F. sind sie verpflichtet, ihre Prüfung auf die nichtfinanziellen Erklärungen zu erstrecken. Aufsichtsräte sollten sich daher in 2017 mit Form und Inhalt entsprechender Berichte und den konkreten Vorarbeiten im Unternehmen vertraut machen, um den Prüfauftrag erfüllen zu können.

Nicht-berichtspflichtige Unternehmen sollten beachten, dass die vom Gesetz betroffenen Unternehmen auch über ihre Lieferketten Auskunft geben sollen. Daran anknüpfend kann es zu einem erweiterten Informationsinteresse bei der Zulieferindustrie kommen, auch wenn nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich keine pauschale Weitergabe der Berichtspflicht entlang der Lieferkette erfolgen soll.

Dr. Norbert Bröcker und Andreas Hecker sind Rechtsanwälte und Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB. Bröckers Tätigkeitsgebiet umfasst die Bereiche Gesellschaftsrecht, M&A und Kapitalmarktrecht sowie Prozessführung; Hecker ist spezialisiert auf die gesellschaftsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Beratung von Unternehmen sowie die Begleitung von M&A-Transaktionen.

Der Artikel erschien zuerst im GoingPublic Magazin Special „Kapitalmarktrecht 2017“

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