„Nein, die Ratings werden nicht umgangen. Der Markt entwickelt sich einfach nur weiter.“

 

Thomas Kaufmann (links) und Raimar Bock

Das GoingPublic Magazin im Gespräch mit Thomas Kaufmann und Raimar Bock über Sektorvielfalt, Due Diligence, Investorenneigungen und Anleihesegmente.

GoingPublic: Herr Bock, Herr Kaufmann, Ihr aktueller Take zu den Mittelstandssegmenten zu vor einem Jahr?

Kaufmann: Das lässt sich nur schwer vergleichen: Heute vor einem Jahr herrschte fast so etwas wie Goldgräberstimmung. Ab Juli/August kam dann alles zum Erliegen. Im Oktober haben wir Bastei Lübbe mit einem Kupon von 6,75% gemacht – das war Wahnsinn, aber der Kursanstieg auf heute ca. 105% gibt uns recht, es trotzdem bewerkstelligt zu haben. Ein nicht unwesentlicher Anteil gebührt dem Emittenten, der felsenfest von einem Erfolg überzeugt war, trotz der problematischen Lage an den Kapitalmärkten.

Bock: Im November und Dezember ging dann wieder gar nichts mehr. Privatanleger wollten nur noch Festgeld und haben Aktien, Anleihen, Fonds durch die Bank weg in Liquidität umgewandelt. Da ließ sich nichts platzieren. Seit Jahresbeginn hat sich die Stimmung deutlich aufgehellt und wir machten mit der Scholz AG ja auch den Anfang mit einer Emission über 150 Mio. EUR.

GoingPublic: Weil die geparkten Gelder jetzt alle wieder rückangelegt werden wollen?

Bock: Das hat man sehr deutlich an den Retailquoten gesehen. Waren das vor einem Jahr noch rund 50%, so ging die Quote bei Bastei Lübbe auf nur noch 15% zurück. Jetzt erholt sich die Quote wieder. Inzwischen erhalten wir Anrufe von institutionellen Investoren, die fragen „Wann macht ihr wieder etwas?“

Kaufmann: Gerade der Cleantech-Sektor mit Solar und Wind bildete anfangs den Nachfragetreiber, als das Segment startete. Als diese Titel heftige Schläge abbekamen, konnte es nicht verwundern, wenn parallel die private Nachfrage erlahmte. Durch die Platzierung von weiteren Mittelstandsanleihen u.a. mit bekannten Marken ist das Interesse von Privatanlegern wieder zurückgekehrt, wobei bei unseren Transaktionen bisher 50 bis 80% bei institutionellen Investoren platziert wurden. Insofern sind wir für die Platzierung der Scholz-Anleihe und die weiteren Emittenten, die wir in der Pipeline haben, derzeit ganz zuversichtlich.

GoingPublic: Frankfurt und Stuttgart wollen neue Premiumsegmente einführen. Was halten Sie davon?

Kaufmann: Das ist sicherlich zu begrüßen und dürfte auch bei Emittenten Anklang finden. Nachdem sich die Mittelstandssegmente langsam füllen, wird der Ruf von Emittenten laut, sich auch hier, ähnlich wie bei Aktien, abheben zu können.

GoingPublic: Close Brothers Seydler hat, obwohl aktivster Emissionsbegleiter, die gesamte Cleantech-Branche umgangen. Absichtlich?

Bock: 3W Power zählt schon dazu. Der Kurs steht bei rund 95% und ist trotz solidester Zahlen etwas in Mitleidenschaft geraten, wenn auch nicht wie die zuvor erwähnten Titel. Also: ja, allerdings weil wir sehr selektiv auswählen und uns den Emittenten genau ansehen, unabhängig von der Branche. Wir machen aber keine Art Projektfinanzierung, denn genau das ist der Charakter einiger Anleiheemissionen aus dem Solarsektor.

GoingPublic: Was halten Sie von Ratings – wo genau benötigt man die?

Kaufmann: Prinzipiell halten wir viel von Ratings. Für institutionelle Investoren zählt – da gestehe ich Ihnen nichts Neues – nur S&P, Moody’s und vielleicht noch Fitch. Ratings von Euler-Hermes oder Creditreform haben für den institutionellen Investor derzeit leider nur den Charakter netter, kompakter Zusammenfassungen einer Emission.

Bock: Das muss man leider so sagen. Anders für den Privatanlegerbereich: Dort sind Ratings und Ratingberichte nützliche Informationsunterlagen. Nichtsdestotrotz wäre es natürlich wünschenswert, wenn die beiden deutschen Ratinggesellschaften bei Institutionellen ein Standing aufbauen könnten, aufgrund dessen diese Art von Investoren auch Anlageentscheidungen treffen könnte.

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