Wenn ein Unternehmen plötzlich von der Krise getroffen wird, ist eine gut durchdachte und funktionierende IR-Arbeit unabdingbar. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erläutert Henryk Deter, Mitglied des Vorstands und Miteigentümer der cometis AG, wie wichtig eine sinnvolle Krisenkommunikation in Unternehmen ist. Im Rahmen der ir2015, die am Mittwoch in Frankfurt stattfindet, wird Deter zudem einen ausführlicheren Vortrag zur Krisenkommunikation beisteuern. Mehr Infos zur Veranstaltung finden Sie hier.

GoingPublic: Herr Deter, wie wichtig ist Krisenkommunikation bei börsennotierten Unternehmen?
Deter: Sehr wichtig. Zum einen stehen börsennotierte Unternehmen besonders im Fokus der Öffentlichkeit, weshalb sich Krisen meist nicht hinter verschlossenen Türen lösen lassen. Kursbeeinflussende Informationen müssen unverzüglich veröffentlicht werden, so dass schon dadurch gravierende Vorgänge publik gemacht werden müssen. Da die Aktienkurse von börsennotierten Unternehmen in Krisenphasen stark schwanken können, besteht das zusätzliche Risiko erheblicher Vermögensschäden auf Seiten der Aktionäre durch unüberlegte, zu zögerliche oder ausbleibende Kommunikation. Und es gibt immer wieder auch Fälle, in denen Krisensituationen von außen gezielt herbeigeführt oder auch vorgetäuscht werden, um wirtschaftliche Vorteile aus den nachfolgenden Kursbewegungen zu erzielen. Da die meisten börsennotierten Unternehmen irgendwann einmal eine Krise durchleben, ist es naheliegend, sich in guten Zeiten auf derartige Fälle vorzubereiten.

Henryk Detet, Mitglied des Vorstand und Miteigentümer der cometis AG
Henryk Deter, Mitglied des Vorstands und Miteigentümer der cometis AG

GoingPublic: Was gilt es zu beachten, um Krisen in einem Unternehmen zu überstehen? Können Sie hierzu konkrete Beispiele nennen!
Deter: Jede Krise ist anders und es gibt kein Patentrezept. Wichtig ist, dass IR-Verantwortliche das Ohr am Markt und gute, belastbare Beziehungen haben. Das hilft, einschätzen zu können, ob es z.B. nach einer Gewinnwarnung nur einen Kommunikationsschock gibt, von dem sich die Aktie schnell wieder erholt weil die Story im Grunde als intakt wahrgenommen wird oder ob dies der Startschuss dafür war, dass Investoren dem Unternehmen den Rücken zudrehen weil ihr Vertrauen nachhaltig erschüttert wurde. Wenn es zur Krise kommt, sind ein paar Grundregeln zu beachten: Zunächst sollte man sich einen genauen Überblick über die Situation verschaffen, Fakten prüfen und sich nicht unter Druck zu vorschnellen Aussagen hinreißen lassen. Auf keinen Fall sollte aber die Vogelstrauß-Politik angewendet werden. Selbst wenn keine substanziellen Aussagen getroffen werden können, ist es wichtig, ansprechbar zu bleiben und die Kommunikation nicht zu beenden. Auch wenn dies in der Praxis häufig der Fall ist, muss den Entscheidern im Unternehmen eines klar sein: Fehler oder Unfälle passieren. Menschen sind eben nicht perfekt. Krisen gehören zum Geschäftsleben dazu, das wissen die meisten Investoren, Analysten und auch Medienvertreter. Daher ist oft gar nicht die Krise selbst, sondern der professionelle, glaubwürdige und konstruktive Umgang damit entscheidend dafür, ob die Unternehmensvertreter mit ihren Botschaften überhaupt Gehör finden und die Beziehung zu den Stakeholdern am Leben erhalten wird.

GoingPublic: Im letzten Jahr sorgten ja besonders im Mittelstandsanleihen-Segment viele Insolvenzen für Schlagzeilen. Wie setzt in solchen Fällen die Krisenkommunikation sinnvoll an?
Deter: Das ist in wenigen Sätzen kaum zu beantworten, da die Fälle teilweise sehr unterschiedlich sind. Eines haben aber viele Unternehmen gelernt: Wenn Fremdkapitalgeber in erheblichem Umfang involviert sind und Zinszahlungen nicht geleistet werden können oder Financial Covenants gebrochen werden, geht es oft sehr schnell um Alles oder Nichts. Gerade in Liquiditätskrisen ist es wichtig, die dringlichsten Themen zuerst anzugehen und die Gläubiger möglichst schnell ins Boot zu holen. Man ist aufeinander angewiesen, das Unternehmen sollte daher die Karten offen auf den Tisch legen und klarmachen, was schief gelaufen ist, um wieder neues Vertrauen zu schaffen. Daneben muss das Unternehmen aber auch die weiteren Finanzierungspartner, Kreditversicherer, Kunden, Zulieferer und Mitarbeiter durch geeignete Kommunikation bei der Stange halten. Ohne Kundenaufträge oder ohne Material hilft auch eine Finanzierung nichts, dann fehlt die Geschäftsgrundlage.

GoingPublic: Welchen Einfluss hat die zunehmende Digitalisierung, z.B. Social Media-Plattformen, der letzten Jahre auf Krisensituationen? Übers Web verbreiten sich ja immerhin schnell Gerüchte und Falschinformationen…
Deter: Das Internet hat grundsätzlich dazu beigetragen, dass sich Informationen, z.B.über mögliche Krisen, heute sekundenschnell über den Erdball verteilen. Durch die sozialen Medien hat potentiell jedes Posting eines unzufriedenen Kunden oder Mitarbeiters das Zeug zum Shitstorm. Aber auch kritische oder aktivistische Aktionäre nutzen das Social Web dazu, um sich zu organisieren und gegen eine AG in Stellung zu bringen. Man sollte das nicht dramatisieren, aber die IR-Manager börsennotierter Unternehmen sollten sich bewusst machen, dass sich im Web etwas zusammenbrauen kann. Es hilft, dies strukturiert zu monitoren, um zu wissen, was über das eigene Unternehmen gesagt wird, wer die Meinungsführer sind und wie sich Stimmungen entwickeln. Es geht nicht darum, überall mitreden oder chatten zu wollen oder User aktiv anzusprechen und umzudrehen. Vielmehr sollte ein Unternehmen immer auf der Höhe des Geschehens sein, um nicht mit unliebsamen Überraschungen konfrontiert zu werden. Gegenüber dem Vorstand oder Aufsichtsrat muss sonst irgendwann gerechtfertigt werden, warum ein kritischer Sachverhalt nicht rechtzeitig erkannt wurde. Die Möglichkeiten dazu gibt es mittlerweile.

GoingPublic: Herr Deter, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Svenja Liebig

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