Die Anlegerschaft leckt noch ihre Wunden, die die Goldgräberstimmung am Neuen Markt hinterlassen hat. Wer hatte schon damals die Zeit, um Emissionsprospekte zu lesen? Wichtiger war es doch, persönliche Kontakte mit Pre-IPO-Kandidaten zu pflegen, um beim nächsten Friends&Family-Programm garantiert dabei zu sein. Die Flut der Börsenkandidaten brachte natürlich auch die Gilde der Hakelmacher in arge Bedrängnis – zumindest terminlich gesehen. Plötzlich mußten ein paar hundert Publikumsgesellschaften mehr ihre Abschlüsse samt Risikomanagementsystem absegnen lassen.

Unterschiedliche Rechnungslegungssysteme machten die Sache kompliziert: die deutsche Tochter bilanziert nach HGB, die Konzernmutter nach IAS, die US-Tochter nach US-GAAP – wofür sich wiederum der deutsche Fiskus nicht weiter interessierte. Nicht nur das: Schnell gehen sollte es auch, denn die Deutsche Börse verlangt seit Herbst 2001 termingerechte Ablieferung der Zahlen. Da mußten sich die Träger der Abschlußprüfermandate arg strecken, um ihr gut honoriertes Pensum zu erledigen.

Seit Infomatec, Metabox, EM.TV, Kinowelt und Konsorten werden die Rechenwerke genauer von der Öffentlichkeit beäugt. Die Prüfer wuschen ihre Hände in Unschuld, denn schließlich sollen sie nicht beurteilen und testieren, ob – überspitzt ausgedrückt – betrogen wurde, sondern ob der Betrug korrekt bilanziert wurde. Nur bei Geldwäsche muß sich der Prüfer separat zu Wort melden. Man kennt die Pflicht deutscher Notare, bei offensichtlichen Gesetzesverstößen z.B. in der Hauptversammlung die Position der Neutralität zu verlassen und einzuschreiten.

Mit der Mandatsniederlegung bei Comroad stieß KPMG eine Tür auf, um nicht einer (weiteren?) großen Geldvernichtungsmaschine die Absolution zu erteilen. Man kann es als Skandal auffassen, daß nun für 40 Neuer Markt-Unternehmen die Testate nochmals auf den Prüfstand müssen, und vermuten, daß die Prüfer an der Qualität ihrer eigenen Arbeit zweifeln. Aktionärsschützer mokieren sich außerdem zurecht, warum denn die Zugehörigkeit zum Börsensegment darüber entscheidet, ob die potentiell mangelhafte Abschlußprüfung revidiert wird.

Letztlich wurde ein entscheidender Schritt zur Besserung getan. Jede Rückrufaktion schadet dem Image des betroffenen Autoherstellers, der jedoch weder Kosten noch Mühen scheut, seinen Fehler zu korrigieren. Jeder Prüfer wird bemüht sein, peinliche Pannen wie diese zu vermeiden – und hoffentlich seinen Job nicht nur bei Neuer Markt-Gesellschaften mit der nötigen Sorgfalt und für Gesetzesverstöße sensibilisiert erledigen. Was kann man mehr verlangen?

Die Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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