Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Das aktuelle Umfeld für die Begebung von Unternehmensanleihen ist so gut wie zuletzt im Herbst 2011. Die Risikoaufschläge für Non-Investmentgrade-Anleihen liegen wieder deutlich unter 4,0%[1] und führen zu einer regen Emissionstätigkeit bei den Mittelstandsanleihen. Bis dato wurden bereits zwölf Mittelstandsanleihen[2] mit einem Volumen von rund 460 Mio. EUR platziert. Weitere vier Emittenten mit einem geplanten Volumen von rund 90 Mio. EUR[3] befinden sich aktuell in der Zeichnung bzw. stehen kurz davor. Und dem Vernehmen nach bleibt die Pipeline bis in den späten Herbst gut gefüllt. Trotz der  kritischen Berichterstattung scheint sich die Erfolgsstory Mittelstandsanleihe fortzusetzen. Im Kern der durchaus berechtigten Kritik stehen die fehlende Kapitalmarktfähigkeit, die mangelnde Qualität einzelner Emittenten sowie fragwürdige Emissionspraktiken. Für ein nachhaltiges Funktionieren müssen diese Punkte analysiert und entsprechend korrigiert werden.

Der erste Kritikpunkt liegt in der mangelnden Kapitalmarktfähigkeit einzelner Emittenten, die insbesondere bei der Erfüllung formeller Anforderungen in Bezug auf Publizität und Transparenz erhebliche Defizite aufweisen. Die Veröffentlichung eines testierten Jahresabschlusses und eines aussagefähigen 6-Monatberichts  wird von den wichtigsten Börsenplätzen wie Frankfurt und Stuttgart in ihren Regelwerken verlangt. Diese Mindestanforderungen müssen erfüllt werden. Wer dies nicht leisten kann, muss die Hausaufgaben vor der Emission machen.

Der zweite Kritikpunkt ist die mangelnde Qualität einiger Emittenten, die natürlich schwieriger zu beurteilen ist. Vor allem die begleitenden Banken und Beratungshäuser müssen analysieren, inwieweit eine Anleihefinanzierung tatsächlich in das Finanzierungskonzept passt. Manchmal hat man den Eindruck, dass eine Eigenkapitalzuführung besser passen würde. Zurzeit ist das Mitunterzeichnen des Prospekts der emissionsbegleitenden Bank in einer fremdgeführten Anleiheemission im Mittelstandssegment noch nicht zu finden – bei Aktienemissionen im Entry Standard ist dies bereits üblich. Um den Qualitätsanspruch der Emission zu unterstreichen, könnte dieser Marktstandard auch auf die Anleiheemissionen angewendet werden. Schließlich ist auch an die Eigenverantwortung der Investoren zu appellieren, den Wertpapierprospekt und den Ratingbericht kritisch zu prüfen und sich bei der Investitionsentscheidung weniger vom Namen oder der Kuponhöhe blenden zu lassen.

Typischerweise sind Mittelständler oft familiengeprägt. Vor allem bei Personengesellschaften treten Interesseskonflikte gegenüber externen Investoren oft auf. Durch eine kapitalmarktkonforme Corporate-Governance-Gestaltung wie beispielsweise die Einführung eines unabhängigen Beirats sind solche Interessenkonflikte überbrückbar.

Der dritte Kritikpunkt betrifft die sogenannte Aufstockung. Prinzipiell ist an einer Aufstockung nichts Verwerfliches. Jedoch sollte diese in  Relation zur Finanzierungsstruktur stehen und nicht dem schnellen Stopfen von Finanzierungslöchern dienen. Die transparente Offenlegung der Verwendung des Emissionserlöses muss gewahrt bleiben, denn am Ende der Laufzeit ist die Rückführung unumgänglich.

Der Markt für Mittelstandsanleihen bleibt im Aufwärtstrend und hat sich zu einer echten Alternative in der Unternehmensfinanzierung entwickelt. Damit dieser Finanzierungsweg auch nachhaltig offen steht, müssen die Marktteilnehmer permanent aufmerksam Missentwicklungen vorbeugen. Die bisherigen sieben Ausfälle und Delistings von Mittelstandsanleihen müssen im Interesse aller Beteiligten Einzelfälle bleiben. Schließlich sollte der Markt auch lernen, zwischen Mittelstand im Prime Standard und Mittelstand in den anderen Segmenten zu differenzieren, da die Sorgfaltsprüfungen im Regulierten Markt deutlich anspruchsvoller sind.

 


[1] iTraxx Europe Crossover 5 Jahre

[2] Emissionen, die innerhalb der Mittelstandsbörsensegmente der Börse Frankfurt und Regionalbörsen notieren

Autor/Autorin