Zugegeben, die Verfassung der Aktienmärkte ist aktuell nicht die beste. Ärger droht von allen Seiten. Der hohe Ölpreis belastet, das Schreckgespenst Inflation geht um, und der schwache Euro tut ein übriges. Nicht zu vergessen, daß der Herbst, historisch betrachtet, für nicht allzuviel Optimismus an der Börse steht. Alles in allem also kein wirklich beruhigendes Umfeld. Die Tatsache, daß die Stimmung am internationalen Kapitalmarkt zunehmend nervöser wird, ist da nur die logische Konsequenz.

Nervosität im Sinne von Sensibilisierung für die Qualität eines Unternehmens respektive einer Aktie kann dabei durchaus etwas Positives sein. Besonders bei den Neuemissionen am Neuen Markt hat dieser Trend die Banken zu einer besseren Auswahl der Unternehmen und damit zur Präsentation höherwertiger IPO-Kandidaten veranlaßt. Manch leidgeprüftem Anleger können auf diese Weise wenigstens zukünftige Fehlinvestments erspart werden.

Nervosität hat aber auch seine Schattenseiten. Dann nämlich, wenn Reaktionen irrationale Ausmaße annehmen. Bestes Beispiel sind die Kursabschläge vieler US-Werte insbesondere aus dem Technologiebereich. Unternehmen, die vor einigen Monaten noch anerkannten Stars waren, kommen nun unter die Räder.

Natürlich, bei Apple, Xerox, Intel und Dell geschah das nicht ganz unbegründet. Alle aufgeführten Unternehmen enttäuschten die Financial Community mit Gewinnwarnungen und verringerten Wachstumsaussichten. Verständlich, daß diese Aktien unter Druck geraten. Doch geradezu symptomatisch für den derzeit labilen Aktienmarkt ist dabei das Ausmaß. Dell beispielweise sackte nach der Gewinnwarnung auf ein Zweijahrestief von jetzt 25 US-$ – ein Verlust von fast 60 % gegenüber dem Hoch bei knapp 60 US-$ . Bei den anderen sieht es wenig besser aus. Auch Apple hat mittlerweile über 50 % vom Hoch eingebüßt.

Hier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Zwar konnte man von einer moderaten Bewertung der Tech-Stocks schon lange nicht mehr sprechen, aber ein derartiger Abschlag wird den trotzdem noch soliden Wachstumsaussichten nicht mehr gerecht.

Die Überreaktionen gipfelten schließlich darin, daß sogar der Chip-Hersteller Micron Technologies trotz der Bekanntgabe eines rekordverdächtigen Quartalsergebnisses allein deshalb über 10 % verlor, weil allgemein befürchtet wurde, daß sich die Flaute am PC-Markt auf den Absatz der Chip-Hersteller negativ auswirke. Ängstlicher geht es wohl kaum noch.

Und was passiert am Neuen Markt? Gewinnwarnungen gibt es auch diesseits des Atlantiks genug. Nur kommen sie nicht von Unternehmen, deren grundsätzliche Qualität nicht zur Debatte steht, sondern von Unternehmen, die sich am Rande des Abgrunds befinden, wie beispielsweise Gigabell, Infomatec oder Metabox. Noch weit bedenklicher als diese Gewinnwarnungen sollte jedoch der Blick auf die Gewinner der letzten Tage stimmen, denn dort finden sich neben den schon genannten hauptsächlich Werte, die alles andere als Qualitätstitel sind, so zum Beispiel musicmusicmusic, Teles oder fortunecity.

Dieses Phänomen kann in jeder sehr schwachen Börsenphase beobachtet werden. Dann handeln einige ganz Schlaue nach der Devise „Was niedrig bewertet und tief gefallen ist, muß günstig sein!“ Der besonnene Anleger sollte von dieser „Zockerei“ aber Abstand nehmen, denn fast immer sind die Kurse weit schneller wieder im Keller, als sie vormals gestiegen waren.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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