Die Thiel Logistik AG, einstiger Highflyer am Neuen Markt, sorgte bereits im März dieses Jahres für Verunsicherung am Markt. Hatte das Unternehmen doch eine Kapitalerhöhung unter Ausschluß des Bezugsrechtes durchgeführt, wodurch die Aktionäre erheblich verwässert wurden.

Doch mit noch größerer Sorge wurde die Meldung am Kapitalmarkt aufgenommen, daß sich der Free Float des Unternehmens erhöht habe. Mit anderen Worten: Die Großaktionäre Lorenzo Holding und Industrial Performance haben ihre Anteile Ende Juni (bereits zu Tiefstkursen) verkauft und damit einen weiteren Kurssturz ausgelöst.

Doch das Management des Logistikdienstleisters gab sich stets kämpferisch. Gerüchte über einen möglichen Wertberichtigungsbedarf wiesen die Manager weit von sich. Vor einigen Wochen gab es dann aber eine „versteckte Gewinnwarnung“. CFO Schoettel sagte in einem Interview mit dem FAZ Business Radio, daß der erhebliche Kursrückgang der vergangenen Monate die Akquisition von Neukunden erschweren könnte…

Eine Sprecherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bestätigte heute auf Anfrage von GoingPublic, daß eine Voruntersuchung bei Thiel Logistik laufe. Nach Abschluß dieser wird entschieden, ob eine Insideruntersuchung eingeleitet wird.

Doch viel mehr als das Verhalten des Managements erschreckt die Unkenntnis oder Naivität einiger „Analysten“, oder sollte man sagen „Träumer“? Der Autor dieses Artikels hat gerade eine Analyse einer Bank vor sich liegen, die vor drei Wochen (!) noch die Thiel-Aktie zum Kauf empfohlen hat. Das allein ist nicht weiter tragisch – das kann vorkommen. Doch wenn erwachsene Analysten von einem ca. 80 %igen Umsatz- und Ertragssprung ausgehen und dann an ein KGV von 3 (!!!) tatsächlich glauben, dann sollte sich der mündige Anleger und das Management der Bank gewisse Fragen stellen…

Die Bank war übrigens nicht die einzige, die an das Ammenmärchen eines enormen Gewinnwachstums und das KGV von 3 glaubte. Andere Analysten plapperten diesen Unsinn in TV-Sendungen munter nach…

Der mündige Anleger sollte wissen, daß es so etwas nicht gibt. Auch wenn ein anderes Unternehmen des Neuen Marktes aktuell mit ähnlichen Zahlen jongliert und dann noch von zahlreichen Übernahmeinteressenten spricht, ist allerhöchste Vorsicht geboten…

Die Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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