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Die Finanzierungssituation im Life-Sciences-Bereich hat sich zuletzt erheblich verbessert. In allen vier Sektoren – Medtech, Healthcare Services, Healthtech und Biotech/Pharma – ist im Vergleich zu den Vorjahren ein klares Wachstum zu verzeichnen. Das war auch dringend nötig, denn kleinere und mittlere Life-Sciences-Unternehmen in Deutschland ­können ihre ganze Kraft nur dann entfalten, wenn die Branche finanziellen Rückenwind erfährt.

Besonders die Biotech-/Pharmabranche verzeichnet einen Finanzierungsboom. BioNTechs pandemiebedingte Entwicklung zum Impfstofflieferanten hat vergleichbare Unternehmen ins Rampenlicht gerückt. Die Notwendigkeit von schnelleren Forschungs- und Entwicklungsprozessen wurde dadurch ebenfalls verdeutlicht. Normalerweise sind Entwicklung und Erprobung von neuen Medikamenten und Medizintechnologien sehr zeit- und kostenintensiv. Eine sowohl ­klinisch als auch wirtschaftlich gefährliche Pandemie wie Corona hat den Druck ­erhöht, diese Prozesse deutlich weiter zu beschleunigen.

Abb. 1: Investitionen nach Branchen. Quellen: European Data Cooperative (EDC)/BVK, Datenstand: März 2022. Daten unterliegen fortlaufender Aktualisierung.

Das zunehmende Investoreninteresse spiegelt sich auch in den Zahlen der BVK-Jahresstatistik. 2021 waren Biotechnologie und Gesundheitswesen in Deutschland die Branchen mit dem drittgrößten Investi­tionsvolumen: Es belief sich auf knapp 2 Mrd. EUR. Die Mittel flossen in 156 Unternehmen in Deutschland, darunter 115 Start-ups. Im Vergleich zum Vorjahr gab es zwar einen leichten Rückgang – allerdings war 2020 auch ein absolutes Rekordjahr. Alles in allem zeigen die Investitionen in Deutschland einen langjährigen Aufwärtstrend.

Problem Anschluss­finanzierung

Ein Problem für deutsche Start-ups allgemein und für Life-Sciences-Gründungen im Besonderen bleibt das Thema Anschluss­finanzierungen in der Wachstumsphase. Die deutschen Kapitalgeber beginnen ihr Engagement in frühen Finanzierungsrunden (Seed und Series A), wo auch Förderprogramme wie EXIST notwendiges Startkapital bereitstellen. In der Growth-Phase sind die Unternehmen allerdings weiterhin oft auf kapitalstarke ausländische ­Investoren angewiesen. Hier besteht aber Hoffnung darauf, dass eine Besserung eintritt, auch deutsche Beteiligungsgesellschaften den langen Weg mit den Unternehmen verstärkt mitgehen und die lange Forschungs- und Entwicklungsphase in der Branche mittragen. In Deutschland gibt es nur wenige spezialisierte Life-­Sciences-Investoren – allerdings haben sich in den letzten Jahren einige der großen ­europäischen Life-Sciences-Investoren mit ihren deutschen Büros aktiv an der Finanzierung deutscher Firmen beteiligt. LSP z.B. (seit Kurzem: EQT Life Sciences) ist bereits seit 2002 mit einem Büro in München aktiv und hat kürzlich den ersten euro­päischen Milliardenfonds für Life Sciences aufgelegt. Ein Teil dieses Volumens wird auch deutschen Firmen zugutekommen.

Abb. 2: Private-Equity-Investitionen in Biotech/Gesundheit. Quelle: BVK

Institutionelle Venture-Capital-Fonds bleiben also mit weitem Abstand die größten und wichtigsten Life-Sciences-Investoren in Deutschland. Eine Herausforderung bleibt für diese indessen der Exit. Verkäufe, aber vor allem Börsengänge deutscher Life-Sciences-Unternehmen finden vollständig im Ausland statt. CureVac, BioNTech, MYR und Mainz Biomed sind Beispiele für Erfolgsgeschichten aus Deutschland, die aber leider nicht den Gang an die Börse in Deutschland wählten bzw. von US-­amerikanischen Firmen gekauft wurden.

Deutsche Life-Sciences-Branche weiterhin attraktiv

Regelmäßige, auch große Finanzierungsrunden sprechen jedoch weiter für die Attrak­tivität der deutschen Life-Sciences-Branche. Beispiele wie das Berliner Unternehmen T-knife oder das bayerische ­Biotech-Start-up Tubulis machen Hoffnung. Die zweite Finanzierungsrunde konnte kürzlich mit 60 Mio. EUR abgeschlossen werden. Tragend war an dieser Stelle der französische Investor Andera Partners, der kürzlich auch ein Büro in München ­eröffnet hat. Darüber hinaus konnte T-knife eine Series-B-Finanzierung über 110 Mio. USD generieren. Die Investorenszene wird damit vielfältiger. Life-Sciences-Investitionen in Deutschland entwickeln sich erfolgreich, aber ein größeres Engagement vor allem großer institutioneller Investoren wie Banken und Versicherern ist notwendig, um diese erfreuliche Entwicklung zu ­verstetigen. Dann braucht es keine Pandemien, um den Fortschritt zu beschleunigen.

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Autor/Autorin

Joachim Rothe

Joachim Rothe kam 2002 zu LSP. Zuvor war er Geschäftsführer von MPM Capital, einer US-Investmentgesellschaft im Gesundheitswesen, wo er zum Leiter des europäischen Büros aufstieg. Er arbeitete u.a. bei McKinsey & Company in Deutschland und bei Roche in der Schweiz. Er war eng an vielen Unternehmensgründungen wie BioMarin, Biovitrum, Omrix und Pharmasset beteiligt und ist/war Mitglied in etwa zwei Dutzend Aufsichtsräten im Bereich Life Sciences. Er ist Mitglied des Vorstands beim BVK.