GoingPublic hat zahlreiche Experten nach Ihrer Einschätzung zur aktuellen Lage auf dem Kapitalmarkt befragt. Quelle: PantherMedia

Trotz eines meist heiteren Kapitalmarktumfelds kam der Primärmarkt 2012 nicht so recht in Gang. Immerhin große Emissionen wie Talanx oder Telefónica Deutschland waren recht erfolgreich – ein Trend, der sich mit dem IPO von LEG Immobilien Anfang 2013 bereits fortsetzte. Dagegen wagen sich kaum kleinere und mittelgroße Unternehmen per IPO an die Börse. Der Markt für Mittelstandsanleihen hat sich 2012 hingegen zu einer festen Größe des deutschen Kapitalmarktes entwickelt. Notierten Ende 2011 noch 40 Anleihen mit einem (Ziel-)Volumen von knapp 2,6 Mrd. EUR in vier Marktsegmenten, so waren es Ende 2012 72 in sechs Segmenten mit einem Volumen von 4,7 Mrd. EUR. Und obwohl die ersten Anleihen ausgefallen sind, scheint die Nachfrage auch 2013 nicht abzunehmen. Darin sind sich unsere Experten in der Umfrage einig.

GoingPublic: Das noch junge Jahr 2013 hat mit LEG bereits einen milliardenschweren Börsengang gesehen. Was bedeutet das für potenzielle Nachahmer234? Wie stehen die Vorzeichen für das IPO-Jahr 2013?

Klaus Rainer Kirchhoff

Klaus Rainer Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender, Kirchhoff Consult AG: Der LEG-Börsengang zeigt, dass Investoren bereit sind in Neuemissionen zu investieren, wenn der Kandidat und die Rahmenbedingungen stimmen. Insofern werden attraktive Unternehmen im Jahr 2013 trotz der Nervosität der Märkte erfolgreich an die Börse gehen können. Wir erwarten für 2013 10 bis 15 IPOs.

Dr. Mirko Sickinger, LL.M., Partner, Heuking Kühn Lüer Wojtek: Der Börsengang von LEG hat die Erwartungen für das IPO-Jahr 2013 hoch gesteckt. Wie üblich ruhen die Hoffnungen auf der Eisbrecherfunktion dieser großvolumigen Transaktion. Tatsächlich ist der Markt aber deutlich differenzierter und schnelllebiger geworden. Für mittelständische IPOs ist das Scheitern der Hess AG von mindestens ebenso großer Bedeutung. Wir sehen daher einerseits eine gewisse Euphorie, insbesondere im Bereich der Immobilienunternehmen, auch für Secondary Offerings, andererseits aber eine große Skepsis des Marktes gegenüber Mittelstands-IPO-Kandidaten.

 

GoingPublic: Während die großen IPOs von LEG, Telefónica Deutschland und Talanx recht erfolgreich waren, mündete der einzige Börsengang 2012 eines deutschen Mittelständlers – der Hess AG – in eine selbstverschuldete Katastrophe. Was muss nach diesem schlechten Beispiel bei Unternehmen und Investoren passieren, um die Rahmenbedingungen für mittelständische IPOs zu verbessern?

Dr. Mirko Sickinger

Dr. Mirko Sickinger, LL.M., Partner, Heuking Kühn Lüer Wojtek: Hess AG war ja nicht der einzige Börsengang 2012 eines deutschen Mittelständlers, die von uns begleitete KTG Energie AG hat durchaus eine sehr ordentliche Performance am Kapitalmarkt dargestellt. Gleichwohl schaut der Markt in erster Linie auf das Negativbeispiel der Hess AG. Folge ist eine deutlich stärkere Nachfrage nach sogenannten Re-IPOs, also der Nutzung schon börsennotierter Mäntel für den Kapitalmarktzugang. Um das Vertrauen des Kapitalmarkts in IPO-Kandidaten dauerhaft zu gewinnen, müssen die Konsortialführer offenbar noch ihre Anstrengungen erhöhen, echte Betrugsfälle herauszufiltern. Betrugsfälle sind aber, wie wir wissen, nicht nur bei mittelständischen Unternehmen, sondern durchaus auch bei Großunternehmen zu finden.

Klaus Rainer Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender, Kirchhoff Consult AG: Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der sorgfältigen Vorbereitung. Dazu gehört auch die Auswahl erfahrener Berater. Offensichtlich waren bei Hess nicht die ersten Adressen des IPO Geschäftes engagiert. Allerdings sind Berater dann machtlos, wenn vorsätzlich Betrug im Spiel gewesen sein sollte.

 

GoingPublic: IPOs chinesischer Unternehmen in Frankfurt sind der einzige konstante Trend der letzten Jahre. Inwiefern wird sich diese Entwicklung fortsetzen – sowohl was die Börsengänge selbst angeht als auch deren fast durchweg schlechte Kursperformance?

Klaus Rainer Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender, Kirchhoff Consult AG:Die Anzahl chinesischer Börsenaspiranten ist groß, zugleich ist der Zugang zum Kapitalmarkt für private Unternehmen in China nach wie vor sehr schwierig und langwierig. Deshalb werden auch weiterhin chinesische Unternehmen in Deutschland an die Börse streben. Da die schlechte Kursperformance der chinesischen Werte in den meisten Fällen nicht den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen widerspiegelt, erkennen Investoren die Attraktivität dieser Werte zunehmend, was zu Kurssteigerungen führen wird. Das wird auch stimulierend auf chinesische Börsenaspiranten wirken.

Dr. Mirko Sickinger, LL.M., Partner, Heuking Kühn Lüer Wojtek: Deutsche IPO-Dienstleister, Corporate-Finance-Berater wie auch Anwaltskanzleien bauen immer feinmaschigere Netzwerke in China auf. Daher besteht die Hoffnung, künftig auch qualitativ bessere IPO-Kandidaten in China für den deutschen Kapitalmarkt zu gewinnen. Für die richtigen Unternehmen wird der Markt auch künftig aufnahmefähig sein.