Henryk Deter, Vorstand, Cometis AG

Laut Deutschem Aktieninstitut soll es im 2. Halbjahr 2011 rund 4,1 Mio. direkte Aktionäre in Deutschland gegeben haben. Das entspricht etwa 6,3% der erwachsenen Bevölkerung. Ein Vergleich mit den Niederlanden (ca. 30%) oder den USA (ca. 25%) zeigt, dass Deutschland kein Land der Aktieninvestoren ist. Gleichzeitig ist das Interesse an deutschen Unternehmen vergleichsweise groß, da auch internationale Kapitalanleger auf dem deutschen Börsenparkett aktiv sind. Die Kapitalgesellschaften sind entsprechend bestrebt, den Wissensdurst der Anleger zu befriedigen, und betreiben dafür einigen Aufwand. Sie werden von Banken zu Investoren-Roadshows geladen, treffen Anleger auf Kapitalmarktkonferenzen und stehen Analysten regelmäßig Rede und Antwort. Wie zufrieden aber sind die Kapitalmarktgesellschaften mit ihrer Research Coverage? Ist jede Roadshow ein Erfolg? Erleben alle Unternehmen den Aufwand gleich, oder nimmt dieser mit Zugehörigkeit zu steigenden Auswahlindizes zu? Die aktuelle Runde des IR-Panels geht diesen Fragen auf den Grund.

DAX-Unternehmen spielen in anderer IR-Liga als der Rest

Die befragten Unternehmen betrauen durchschnittlich drei bis vier Mitarbeiter mit Aufgaben aus dem Bereich Investor Relations (Angaben in Vollzeitäquivalenten). Dabei zeigt sich ein großer Unterschied zwischen den befragten Unternehmen des DAX auf der einen Seite sowie der kleiner kapitalisierten Unternehmen aus den Indizes darunter. Während DAX-Unternehmen durchschnittlich zwölf Mitarbeiter in der IR-Abteilung beschäftigen, sind es nur knapp drei Mitarbeiter bei den befragten MDAX-Unternehmen. Ist der Arbeitsaufwand bei DAX-Unternehmen tatsächlich so hoch, dass die Blue-Chip-Unternehmen viermal so viele Mitarbeiter benötigen wie ein Unternehmen aus dem MDAX? DAX-Unternehmen stehen mehr im Fokus der Anlegerschaft als die Kapitalgesellschaften aus der zweiten Reihe.

Quelle: cometis AG

Es sind aber nicht nur Investoren, deren Wissensdurst befriedigt werden muss. Auch zahlreiche Analysten zählen zu den Fragestellern und wollen stets mit den aktuellsten Informationen versorgt werden, um ihre Bewertungsmodelle rechnen zu können. Der personelle Aufwand muss diesem gesteigerten Informationsbedarf der Interessenten gerecht werden und liegt daher höher als bei den im MDAX notierten Gesellschaften. Interessanter erscheint der Unterschied zwischen den SDAX- und MDAX-Unternehmen. Dieser ist im Vergleich nur marginal. Wenn davon ausgegangen wird, dass zwischen SDAX- und MDAX-Unternehmen dennoch mitunter beachtliche Unterschiede in Umsatz und Ertrag bestehen, bedeutet das wiederum, dass relativ gesehen gerade kleinere Kapitalgesellschaften eine höhere finanzielle Belastung durch ihre Investor-Relations-Tätigkeit tragen müssen. Auch scheinen das Interesse und die Informationsbedürfnisse der Anleger bis zum MDAX nahezu gleichbleibend zu sein. Andernfalls müssten MDAX-Unternehmen einen höheren personellen Aufwand betreiben. Das Interesse der Anlegerschaft an TecDAX-Aktien scheint hingegen geringer zu sein. Lediglich ein bis zwei Mitarbeiter der befragten Unternehmen betreuen die Investoren.

Quelle: cometis AG

Analysten-Coverage: Liquidität schafft Liquidität

Die These „Liquidität schafft Liquidität“ bestätigt sich bei Betrachtung der Anzahl der Analysten, welche die Index-Unternehmen covern. DAX-Unternehmen haben eine mittlere Market-Cap1 von 21,9 Mrd. EUR, während MDAX-Unternehmen „nur“ auf 2,8 Mrd. EUR kommen. SDAX-Unternehmen können eine mittlere Market-Cap von ca. 430 Mio. EUR vorweisen. In etwa gleicher Weise steigert sich die Anzahl der Analysten. Die befragten Indexunternehmen haben im Schnitt zwanzig unterschiedliche Analysten. Die Blue Chips stechen mit etwas mehr als 37 Analysten klar heraus. Auch dadurch wird der vergleichsweise hohe personelle Aufwand der DAX-Unternehmen begründet. Ähnlich einer Treppe nimmt die Anzahl mit sinkendem Index ab. Die MDAX-Unternehmen verzeichnen ca. 23 Analysten, während SDAX-Unternehmen nur von gut elf Analysten begleitet werden.

Quelle: cometis AG

Roadshows

Die befragten Unternehmen nehmen durchschnittlich an 23 Roadshows pro Jahr teil. DAX-Unternehmen sind dabei sehr viel häufiger auf Reisen als die Mitglieder des SDAX. Auch hier sieht man den Bruch zwischen MDAX und DAX. Während MDAX-Unternehmen gut 22-mal im Jahr ihre wichtigsten Investoren persönlich treffen, sind DAX-Unternehmen 71-mal im Jahr auf Roadshow. Bei rund 250 Arbeitstagen im Jahr sind die Blue-Chip-Gesellschaften demnach alle drei bis vier Tage auf Roadshow unterwegs, während die MDAX-Unternehmen sich nur rund alle zwölf Arbeitstage auf diese Weise den Investoren stellen. Die Unterschiede zwischen MDAX, TecDAX und SDAX sind zwar vorhanden, der Sprung zwischen diesen Indizes ist aber bei weitem nicht so groß wie zwischen MDAX und DAX. Auch hier kann die Begründung im Interesse der Anleger gesehen werden. Die deutschen Blue Chips scheinen sehr viel mehr im Fokus der Aktionäre zu stehen als die Kapitalgesellschaften aus der zweiten und dritten Reihe. Darüber hinaus ist aktuellen Studien2  zufolge mehr als die Hälfte der Anlegerschaft der DAX-Konzerne im Ausland zu finden.