Hanryk Deter, Vorstand, cometis AG

Vereinfacht betrachtet lassen sich börsennotierte Unternehmen im häufig so genannten „Kampf um Kapital“ in zwei Kategorien einteilen: In diejenigen, die auch im internationalen Kontext aufgrund formaler Eigenschaften wie Market Cap oder Index-Zugehörigkeit in jedes Depot gehören. Und die anderen, die in der zweiten Reihe stehen und gezielt um die Aufmerksamkeit der Investoren buhlen müssen. Für beide ist Investor Targeting, also eine bewusste und genaue Zielgruppendefinition und -ansprache institutioneller Investoren, sinnvoll.

Die „Beliebten“ müssen genau selektieren, welche Investoren sie gerne an Bord sehen möchten. Wer meint es wirklich ernst und welcher Fondsmanager möchte CEO oder CFO nur für eigene Zwecke aushorchen? Eine gezielte Vorselektion ist hier nötig, um die Ressourcen von Vorstand und IR effizient einzusetzen und sukzessive eine adäquate Aktionärsstruktur zu erreichen. Ziel der Unternehmen aus Reihe zwei und höher ist es vielmehr, überhaupt ausreichend passende Investoren zu finden, um eine kritische Masse von investierten oder interessierten Profianlegern zu kennen.

Inwieweit wird Investor Targeting bereits heute von den IR-Abteilungen deutscher Aktiengesellschaften genutzt? Verlassen sich die Unternehmen dabei immer noch auf die meist langjährig etablierten Kontakte der Broker oder nehmen sie das Heft selbst in die Hand? Befragt wurden hierzu sämtliche in den deutschen Aktienindizes notierten Unternehmen sowie zahlreiche weitere, nicht in einem Index vertretene Aktiengesellschaften.

Quelle: cometis AG

Investor Targeting auch für Nebenwerte ein Thema
Die Befragung der Emittenten zeigt: Der Begriff Investor Targeting ist für deutsche Aktiengesellschaften keineswegs ein Fremdwort. Zwei Drittel aller Panel-Teilnehmer machen gezielt potenzielle institutionelle Investoren ausfindig. Knapp die Hälfte tut dies zumindest fallweise eigenständig im Rahmen der IR-Arbeit. Nur gut ein Viertel der Unternehmen setzt weder aktuell auf eine zielgerichtete Investorenansprache noch plant dies künftig zu tun.

Erwartungsgemäß greifen Blue Chips zwar deutlich stärker auf Investor Targeting zurück. Doch auch immerhin die Hälfte aller SDAX-Werte und gut ein Viertel aller nicht in einem Index vertretenen Gesellschaften spricht bereits zielgerichtet Investoren selbst an.

Kernaufgabe der IR-Arbeit
Denjenigen Unternehmen, die noch auf ein eigenständiges Investor Targeting verzichten oder es vollständig in die Hände der Broker legen, fehlen der Umfrage zufolge schlichtweg die Kapazitäten hierfür oder sie vertrauen nach wie vor auf die klassischen „Investor Touch Points“ wie Broker-Roadshows oder Kapitalmarktkonferenzen. Bei den Firmen, die schon jetzt in Eigenregie potenzielle Investoren adressieren, spielt eine verstärkte Unabhängigkeit von den Banken tatsächlich eine gewichtige Rolle. 53% sehen in der Bankenunabhängigkeit einen Vorteil der eigenständigen Investorensuche. Nahezu drei Viertel sehen in Investor Targeting gar einen Kernbereich ihrer IR-Arbeit.

cometis AG

Datenbanken unterstützen Investorenansprache
Die Nutzung intelligenter Datenbanken, die eine Selektion institutioneller Investoren anhand unterschiedlicher Kriterien erlauben, aktuelle Portfoliostrukturen aufzeigen und weitere Marktdaten zur Verfügung stellen, ist weit verbreitet. 80% derjenigen Gesellschaften, die in Eigenregie potenzielle Investoren identifizieren, nutzen dieses Instrument.

Diese quantitativen Daten werden häufig mit qualitativen Informationen angereichert. In den drei großen sektorübergreifenden Indizes korrespondiert die Datenbanknutzung mit verbalen Auskünften. Einzig bei den technologieaffinen TecDAX-Vertretern überwiegt die Datenbanknutzung, wohingegen bei den nicht in einem Index vertretenen Unternehmen die verbale Komponente dominiert. Die gleichzeitige Nutzung beider Datenbasen ergibt dabei durchaus Sinn. Eine fundierte Vorbereitung auf das Investoren-Meeting trägt dazu bei, die aus Sicht des jeweiligen Investors interessanten Aspekte der Investment Story zu akzentuieren.

Fundamentalanalyse des potenziellen Investors notwendig
Bei einer datenbankgestützten Investorenselektion kann eine Priorisierung der Kriterien wirkungsvoll sein. Die größte Beachtung erfahren den Ergebnissen des IR-Panels nach die Kriterien „Investment Style“ und „Branchenfokus“. So lassen sich beispielsweise über Peer-Group-Vergleiche Investoren identifizieren, die Anteile an Wettbewerbern halten, nicht aber in das eigene Unternehmen investiert sind. Ein Blick auf das Investitionsportfolio der Investoren gibt Auskunft darüber, ob der jeweilige Investor tatsächlich einen bestimmten „Branchenfokus“ verfolgt. Eine Portfolioanalyse anhand weiterer Kriterien lässt ersehen, welche dieser Punkte eine wichtige Rolle bei den Investitionsentscheidungen des Fondsmanagers spielen. Basierend auf dieser Fundamentalanalyse kann die eigene „Investment Story“ gezielt akzentuiert werden, um bei einem Investoren-Meeting zu überzeugen. Ist die eigene jährliche Wachstumsrate höher als die des Wettbewerbs? Dann lohnt es sich gewiss, dem Fondsmanager eines „Growth“-Fonds die Frage zu stellen, weshalb dieser eigentlich in den Wettbewerb, nicht aber in das eigene Unternehmen investiert. Oder die Analyse ergibt beispielsweise, dass sich als Folge einer jüngeren Unternehmensneuausrichtung im eigenen institutionellen Aktionariat zahlreiche ereignisgesteuerte Hedgefonds befinden. Hier bietet sich eine Stabilisierung der eigenen Anteilseignerbasis mit langfristig orientierten Investoren an.

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