Spätestens seit der Vorlage inzwischen längst verdauter Jahresbilanzen ist das IPO-Fenster meilenweit geöffnet. Doch ist von der von vielen Experten vorausgesagten Emissionsflut bis dato kaum etwas zu spüren – trotz nach wie vor hervorragender Rahmenbedingungen. Derweil feiert der hiesige Bondmarkt seine ganz eigene Party: Seit Mitte April boomt das Geschäft mit Mittelstands-IBOs.

Eigentlich gelten Mai und Juni saisonal betrachtet als optimales Zeitfenster für ein IPO noch vor der Sommerpause. Die Situation am hiesigen IPO-Markt bleibt dennoch unbefriedigend und widersprüchlich zugleich: Trotz guter Ausgangslage mit einer gefüllten IPO-Pipeline, günstigen Marktbedingungen und einem stabilen IPO-Klima kommt das Geschäft mit Neuemissionen einfach nicht ins Laufen. Und dabei hatte das Jahr mit dem LEG-IPO Anfang Februar so vielversprechend angefangen. Ende April kamen mit Evonik Industries und der RTL Group zwar weitere Schwergewichte an den heimischen Aktienmarkt. Bei beiden Neulingen handelte es sich aber keineswegs um reine IPOs im Sinne von öffentlichen Erstangeboten.

Viel Lärm um nichts
Am 25. April war es soweit: Medienwirksam inszeniert, gelang dem Dauer-IPO-Kandidat Evonik im vierten Anlauf endlich der Sprung auf das Frankfurter Börsenparkett. Von einem milliardenschweren Going Public konnte dabei freilich nicht die Rede sein. Vielmehr ging der Börsengang light des Chemieriesen als reine Notierungsaufnahme über die Bühne, bei der die beiden Alteigner, RAG und CVC, im Vorfeld via Privatplatzierung mehrere Aktienpakete von zusammen gut 14,5% des gesamten Evonik-Aktienkapitals an Institutionelle ausreichten und damit dem Vernehmen nach einen Bruttoerlös von über 2 Mrd. EUR erzielten. Seit Ende April sendet auch die RTL Group aus Frankfurt: Mit dem Verkauf von 25,5 Mio. RTL-Aktien zum Stückpreis von 55,50 EUR trennte sich Bertelsmann von rund 17% seiner Anteile. Der Verkauf des Aktienpakets bescherte dem Gütersloher Medienkonzern, der mit etwa 75,1% weiterhin Mehrheitsaktionär der RTL Gruppe bleibt, Einnahmen von über 1,4 Mrd. EUR. Vor dem Start im Prime Standard waren RTL-Aktien bereits in Luxemburg und Brüssel börsennotiert.

Das Safe-IPO von Evonik und das Dual Listing mit öffentlichem Angebot der RTL Group signalisieren die grundsätzliche Aufnahmebereitschaft von Neuzugängen am Primärmarkt. Was dieser Tage abermals zu fehlen scheint, ist ein aussichtsreicher Börsenkandidat mit solider Story – womöglich auch aus dem deutschen Mittelstand? – und klarer IPO-Strategie.

 

Mangelware: Mittelstand
Doch genau eben jene Mittelständler scheinen derzeit den Bondmarkt zu präferieren und lieber Fremdkapital bei Investoren aufzunehmen als den bisweilen beschwerlichen Weg via Börsengang an den Kapitalmarkt zu gehen. Auch macht die Performance kleinerer Emittenten potenziellen IPO-Anwärtern derzeit nicht gerade Mut: So gastiert Beleuchtungsspezialist Hess, einer der wenigen deutschen mittelständischen Börsenneulinge der letzten Jahre, insolvenzbedingt mit einem Kurs(total)verlust von 99% seit Debüt auf Rang eins in der gleichnamigen Erhebung vor Solutronic (-93%) und Deutsche Biogas (-88%). Selbst chinesische Neuemissionen in Frankfurt – mit immerhin sechs IPOs stabiler Trendgeber im Vorjahr – bleiben aus. Allerdings liegen auch alle 2012er Emittenten zum Teil deutlich im Minus. Von einem kurzfristigen Revival ist somit zumindest aus dieser Perspektive nicht auszugehen. So scheint dann schließlich doch wieder alles von Groß-IPOs à la LEG, Telefónica Deutschland oder Talanx abzuhängen. Immerhin haben diese schon bewiesen: Big is beautiful.

Dieser Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin 6/2013.

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