Billigflieger mit Serviceanspruch
Begonnen hat alles 1979, als am 28. April mit einer geliehenen Maschine der erste Flug von Berlin-Tegel nach Palma de Mallorca startete. Zwar ist die Lieblingsinsel der Deutschen nach wie vor die wichtigste Destination der Berliner, das Streckennetz erstreckt sich inzwischen aber auf über 130 Routen, mit denen 73 Flughäfen in ganz Europa sowie dem nördlichen Teil Afrikas abgedeckt werden. Wurde zunächst nur für Reiseveranstalter geflogen, kam später der Verkauf von „Nur-Flug-Tickets“ hinzu. Hervorzuheben sind zudem die Einführung des „Mallorca Shuttle“ im Jahr 1998 sowie des „City Shuttle“ 2002, der deutsche Flughäfen mit europäischen Metropolen verbindet. Inzwischen wurden beide Produktlinien unter der Bezeichnung „Euro Shuttle“ zusammengeführt. Dabei setzt Deutschlands inzwischen zweitgrößte Airline zwar auf günstige Flugpreise, bietet im Gegensatz zu anderen Low-Cost-Carriern aber dennoch einen gewissen Service wie Mahlzeiten an Bord oder ein Vielfliegerprogramm an. Mit dieser Mischung konnten im vergangenen Jahr 13,5 Mio. Plätze verkauft werden, was im Vergleich zum Vorjahr einer Steigerung von 11,6 % entspricht.

Air Berlin plc – Emissionsparameter

WKN AB1 000
Zeichnungsfrist 28. April bis 4. Mai
Bookbuilding-Spanne 15,00 bis 17,50 Euro
Erstnotiz 5. Mai
MarketCap 953 bis 1.111 Mio. Euro (bei 63,5 Mio. Aktien)
Marktsegment Amtlicher Markt (Prime Standard)
Emissionsvolumen 748 bis 872 Mio. Euro (bis zu 49,83 Mio. Aktien, davon bis zu 23,3 Mio. aus einer Kapitalerhöhung, 20 Mio. von Altaktionären und 6,5 Mio. als Greenshoe, ebenfalls von Altaktionären)
Konsortium Commerzbank und Morgan Stanley (Joint Global Coordinator), Nord LB und Société Générale (Co-Lead Manager)
Free Float 79 %
Internet www.airberlin.com

Umsatz- und Einsparpotentiale
Auch in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres setzte sich das Wachstum fort. So konnte die Billigairline 12,8 % mehr Gäste befördern als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Insgesamt kalkuliert Finanzchef Ulf Hüttmeyer für das laufende Jahr mit einem Umsatzwachstum von 20 %, wie er bei einer Unternehmenspräsentation in Frankfurt verlauten ließ. Als Begründung führt Hüttmeyer neben den steigenden Flugbuchungen insbesondere Preiserhöhungen (z.B. für Mallorca-Flüge) sowie Zusatzerträge aus kostenpflichtiger Boardverpflegung, dem Ausbau der Mietwagen- und Hotelzimmervermittlung und dem Abschluß weiterer Firmenverträge, die bereits 2005 um 100 % gesteigert werden konnten, an. Auf der Kostenseite sollen Einsparungen bei der Verpflegungsverpackung (80 Cent pro Mahlzeit) und bei den Flughafengebühren, die mit 27,4 % den größten Aufwandsposten in der letztjährigen Ertragsrechnung darstellten, Entlastung bringen. Anders als 2005 wurden für das laufende Jahr zudem 80 % der Treibstoffkosten abgesichert, und zwar zu Preisen unterhalb der ursprünglichen Planung.

Ambitionierte Prognosezahlen
Insgesamt sind die angekündigten und zum Teil schon umgesetzten Maßnahmen auch dringend erforderlich, um die Airline nach zwei Verlustjahren wieder in die Gewinnzone zu führen. Zwar ist das negative Ergebnis 2005 nach Aussagen von Firmenchef Joachim Hunold im wesentlichen auf Sondereffekte zurückzuführen, dennoch muß noch einiges passieren, damit die von den Analysten der Commerzbank für 2006 prognostizierten Netto-Ergebnis von 51 Mio. Euro auch tatsächlich erreicht werden. Dies gilt um so mehr, wenn auch die nicht unerheblichen Risiken, wie der laufende Konsolidierungsprozeß bei Billigfliegern, das zunehmende Vordringen der etablierten Airlines in den Low-Cost-Sektor, die hohen Fixkosten der Branche sowie die möglicherweise weiter steigenden Ölpreise in die Betrachtung mit einbezogen werden.

Kennzahlen der Air Berlin

                                          2004    2005    2006e  2007e  2008e
Umsatz (Mio. Euro)                1.034   1.215   1.460   1.670   1.904
Bruttoergebnis (Mio. Euro)      329     351     485     598     689
EBITDAR (Mio. Euro)              150     153     263     326     357
EBITDA (Mio. Euro)                74       57       155     232     261
EBIT (Mio. Euro)                    -1        -6        89       152     176
Nettoergebnis (Mio. Euro)       -3        -116    51       86       82
Quelle: Commerzbank Corporates & Markets

Schwierige Bewertung
Nicht nur aufgrund der Verluste in den vergangenen Jahren fällt die Bewertung des Börsenneulings verhältnismäßig schwer. Im allgemeinen stellt das Verhältnis aus Enterprise Value (EV) und Umsatz über den gesamten Ertragszyklus für Unternehmen der Luftfahrtbranche wohl die am weitesten verbreitete Bewertungskennziffer dar. Für besser geeignet halten die Analysten der Commerzbank allerdings die Relation aus EV und EBITDAR, (Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Amortisation von immateriellen Anlagen zuzüglich des Leasingaufwands), da dieses Multiple die Finanzierungsentscheidung (Kauf oder Leasing) aus der Betrachtung eliminiert. Der prognostizierte Medianwert der Peer Group liegt hier bei 7,9 (Durchschnitt aus 2006 und 2007). Für Air Berlin ließe sich daraus ohne Berücksichtigung der Kapitalerhöhung ein angemessener Enterprise Value von 2,3 Mrd. Euro ableiten. Nach Abzug der Nettofinanzschulden sowie der abdiskontierten Leasingverpflichtungen der Zukunft (zwischen 450 bis 700 Mio. Euro) ergibt sich daraus eine faire Eigenkapitalbewertung von ca. 1,1 bis 1,35 Mrd. Euro. Wird dagegen das entsprechende Multiple der easyJet, die als Vergleichsmaßstab wohl am besten geeignet ist, zugrunde gelegt, beträgt der Wert ca. 0,95 bis 1,2 Mrd. Euro. Hinzugerechnet werden müßten ca. 300 Mio. Euro aus der Kapitalerhöhung (bei 15 Euro je Aktie).

Fazit:
Belastend wirken die roten Zahlen des letzten Geschäftsjahres, die mangelnde Profitabilität im Vergleich zu den beiden Marktführern easyJet und Ryanair sowie der ausgeprägte Konkurrenzkampf, der am europäischen Himmel herrscht. Aus diesen Gründen sollten sich dem Vernehmen nach insbesondere angelsächsische Investoren auch recht skeptisch zeigen. Für das Unternehmen sprechen das gute Image, eine hohe Kundenzufriedenheit und die gute Marktposition in Deutschland sowie in Spanien. Auf Basis der Preisspanne von 15,00 bis 17,50 Euro ergibt sich ein Emissionsabschlag von ca. 30 % gegenüber Easyjet. Spekulativ orientierte Anleger, die den Planzahlen der Commerzbank Glauben schenken (Morgan Stanley liegt mit seinen Schätzungen etwas niedriger und kalkuliert für 2007 beispielsweise nur mit einem Nettoergebnis von 63 Mio. Euro statt mit 86 Mio. Euro), sollten eine Zeichnung bis zu 16 Euro in Erwägung ziehen. Ein Selbstläufer dürfte das IPO wohl nicht werden, so daß die Air Berlin-Aktie nach der Erstnotiz durchaus günstiger zu kaufen sein könnte.

Dr. Martin Ahlers, Christian Schiffmacher

P.S.: Beachten Sie auch im aktuellen GoingPublic Magazin 5/2006 (S. 13) das Interview mit CEO Joachim Hunold.

 

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