Es ist das größte IPO in Deutschland seit der Jahrtausendwende: Bayer trennt sich einmal mehr von einer Kunststoffsparte und schickt sie unter dem Namen Covestro an die Börse. Damit schneiden die Leverkusener ihre Wurzeln ab: Mit der Herstellung von Teerfarben in Wuppertal begann 1863 schließlich der weltweite Aufstieg des heutigen Life-Science-Konzerns.

 Börsengang
Bayer setzt in Zukunft nur noch auf sein Gesundheitsgeschäft und den Agrarbereich. Diese sehr profitablen Geschäfte können dann nicht mehr durch die konjunkturanfällige Kunststoffsparte geschwächt werden. „Wir haben uns intensiv auf die Eigenständigkeit vorbereitet und sehen uns für den Gang an die Börse sehr gut aufgestellt“, freut  sich Covestro-Vorstandschef Patrick Thomas. „Danach können wir unsere Stärken noch schneller, effektiver und flexibler einsetzen und unsere Wettbewerbsvorteile weiter ausbauen.“ Covestro steht für „COllaboration“, „InVESTieren“ und „STROng“, frei übersetzt: gute Ideen, starkes Team, erfolgreich am Markt.

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Der Konzern ist weltweit der größte Komponentenhersteller für diese vielseitigen Werkstoffe, die hauptsächlich als weicher und harter Schaumstoff in der Möbel-, Haushaltsgeräte- und Bauindustrie genutzt werden. Quelle: Covestro

Aktienzahl vom Ausgabepreis abhängig
Die ehemalige Bayer-Kunststoffsparte bietet im Rahmen einer Kapitalerhöhung zwischen 70,4 und 94,3 Mio. neue Aktien an. Der Ausgabepreis liegt zwischen 26,50 und 35,50 Euro. Voraussichtlich bis 1. Oktober können die Wertpapiere gezeichnet werden, die Erstnotiz im Prime Standard ist für den 2. Oktober geplant. Covestro strebt einen Bruttoerlös von rund 2,5 Mrd. EUR an, wobei sich die Zahl der auszugebenden Aktien nach dem Ausgabepreis richtet. Bei einem Preis am oberen Ende der Spanne läge der Streubesitz bei 34%; kosten die Aktien nur 26,50 EUR, würde der Freefloat 40% betragen. Covestro wäre demnach an der Börse zwischen 6,5 Mrd. und 8,7 Mrd. EUR Wert.

Ausschüttung bereits 2015
Die Aktionäre sollen durch Dividendenzahlungen am Geschäftserfolg beteiligt werden: „Wir gehen davon aus, dass unser starker freier Cashflow eine nachhaltige Dividendenpolitik ermöglicht“, betont Thomas. Bereits für das verkürzte Geschäftsjahr 2015 ist eine Ausschüttungssumme von 100 bis 150 Mio. EUR vorgesehen. Ab dem Geschäftsjahr 2016 sind Ausschüttungen von 30 bis 50 % des Konzernergebnisses nach IFRS geplant. Begleitet wird der Börsengang von der Deutschen Bank und Morgan Stanley als Joint Global Coordinators und Joint Bookrunners.

Unternehmen
Covestro hat sich auf Kunststoffe spezialisiert, genauer Polycarbonate und Polyurethane. Letztere zählen zu den wichtigsten Erfindungen der ehemaligen Bayer-Sparte. Der Konzern ist weltweit der größte Komponentenhersteller für diese vielseitigen Werkstoffe, die hauptsächlich als weicher und harter Schaumstoff in der Möbel-, Haushaltsgeräte- und Bauindustrie genutzt werden. Auch bei einer weiteren Erfindung, den Polycarbonaten, zählt der Konzern zu den größten Anbietern. Dieser Hightech-Kunststoff wird in der Automobil- und Elektronikindustrie sowie in der Medizintechnik eingesetzt. Die beiden Produktgruppen machen den Großteil des Umsatzes aus. Immer mehr an Bedeutung gewinnt das Geschäft mit hochwertigen Spezialpolymeren aus Polyurethanen. Sie dienen als Ausgangsstoffe für Lacke, Klebstoffe und Spezialchemikalien, die in der Automobil-, Bau-, Textil- und Kosmetikindustrie zum Einsatz kommen. Ende 2014 beschäftigte Covestro gut 14.000 Mitarbeiter an 30 Standorten rund um den Globus.

Covestro AG
2013 2014 2015e 2016e
Umsatz *) 11.357 11.761 13.000 14.300
Nettoergebnis *) 179 277 675 1.135
EpS 0,73 1,14 2,77 4,66
KGV min. 36,1 23,3 9,6 5,7
KGV max. 48,3 31,2 12,8 7,6
*) in Mio., sämtliche Angaben in Euro; Quelle: GoingPublic Research

Geschäftszahlen
Im Geschäftsjahr 2014 steigerte Covestro seinen Umsatz um 4% auf 11,8 Mrd. EUR. Der Nettogewinn verbesserte sich um 70% auf 277 Mio. EUR. Noch runder lief das 2. Quartal 2015: Der Umsatz wuchs im Vergleich zum Vorjahresquartal um 11% auf 3,2 Mrd. EUR, während das EBITDA sogar um 87% auf 506 Mio. EUR zulegte. Im 1. Halbjahr 2015 erzielte die ehemalige Bayer MaterialScieneces ein EBITDA von 930 Mio. EUR – ein Plus von 46%. Die Rendite aus dem operativen Geschäft stieg dadurch von 11 auf 15%.

Sparprogramm läuft weiter
Wegen des begrenzten Investitionsbedarfs in Sachanlagen soll der freie Cashflow in den nächsten Jahren weiter wachsen. Zudem ist geplant, die Gesamtkosten an das Niveau vergleichbarer Konzerne aus der Chemieindustrie anzupassen. Zusammen mit der angestrebten Anlagenoptimierung rechnet das Management deshalb bis 2019 mit Bruttoeinsparungen von 420 Mio. EUR.

Mittelverwendung
Covestro will den Börsenerlös in erster Linie zum Abbau von Schulden verwenden, die vom Mutterkonzern übernommen werden mussten. Nach dem IPO werden sich Nettofinanzverschuldung und Pensionsverpflichtungen auf etwa 4 Mrd. EUR belaufen. Mit einer Verschuldung (inklusive Pensionsverpflichtungen) vom 2,5- bis 3-Fachen des EBITDA von 2015 möchte Covestro gleichwohl ein Investment-Grade-Rating erreichen.

Fazit
Mit Ausgliederung hat Bayer Erfahrung, vor zehn Jahren erfolgte die Trennung von der Chemiesparte. Unter dem Namen Lanxess ist sie mittlerweile sogar ebenfalls in den DAX aufgestiegen. Vieles spricht dafür, das Covestro eine ähnliche Erfolgsstory wird. Mit seinen zwei Kunststoffarten und einer Vielzahl bunter Produkte liegt der viertgrößte europäische Chemiekonzern an der Weltspitze. Durch die steigende Nachfrage werden die eigenen Werke jetzt besser ausgelastet. Risiken bestehen allerdings darin, dass die Leverkusener in einigen Märkten aktiv sind, wo Überkapazitäten die Marge schmälern. Zudem könnte eine schwächere Konjunktur in China und anderen Schwellenländern die Geschäfte bremsen oder zumindest volatil werden lassen. Die Aktie ist keineswegs zu teuer: Bei einem für 2015 anvisierten EBITDA von 1,5 Mrd. EUR ist die Bewertung im Vergleich zu anderen Chemiekonzernen durchaus moderat. Ein Ausgabepreis in der unteren Hälfte der Preisspanne wäre eine sehr gute Startbasis für Investoren.

Thomas Müncher

 

Covestro AG Emissionsparameter
WKN 606 214
Zeichnungsfrist bis 1. Oktober
Erstnotiz 2. Oktober
Preisspanne 26,50 bis 35,50 EUR
MarketCap 6,5 bis 7,7 Mrd. EUR
Marktsegment Frankfurt/Main (Prime Standard)
Emissionsprospekt ja
Emissionsvolumen 2,5 Mrd. EUR
Konsortium Dt. Bank, Morgan Stanley (Joint Global Coordinators)
BoAML, Citi, Credit Suisse, JP Morgan, UBS (Joint BRs)
BNP, Unicredit / Kepler Cheuvreux (Co-Lead-Managers)
Free Float 34-43%

 

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