Welche Kriterien sollte man anlegen für einen idealen Einstieg in Aktien? Neulich habe ich an dieser Stelle die folgende Regel aufgestellt: (1) Sobald der Markt innerhalb kurzer Zeit 40 % vom Top verloren hat, dann kaufe und halte anschließend. (2) Warte bis der Markt 100 bis 150 % zugelegt hat, dann verkaufe. Halte anschließend erneut Ausschau nach (1).

Die erste Bedingung ist bisher mustergültig erfüllt. Doch es gibt noch sehr viel mehr positive Faktoren, die sich heranziehen lassen: Die Wirtschaftsleistung ist in epochaler Größenordnung eingebrochen, erholt sich jetzt jedoch erkennbar wieder. Die Zinsen sind niedrig und die Geld- und Fiskalpolitik sind so expansiv wie noch niemals in der Menschheitsgeschichte. Trotzdem gibt es keinerlei Inflation und wird auch keine geben, weil der Konkurrenzdruck der Globalisierung das verhindert. Und die Unternehmen haben die Krise vergleichsweise gut überstanden. Was soll also schief gehen?

Dazu noch ein Blick zurück: Der Crash von 1987 hat mir weit mehr Angst gemacht als der jetzige. 1987 dachte ich, jetzt fliegt uns alles um die Ohren. Da war so ein heftiger Crash noch etwas völlig Neues und Ungewohntes. 1998 war ich schon weit zuversichtlicher, dass wir da gut herauskommen, doch die Möglichkeit der systemischen Krise nach dem LTCM-Zusammenbruch wog vergleichsweise schwer. Und im Jahr 2003 hatte sich der Pessimismus in einem Ausmaß festgesetzt, dass man schon Nerven wie Stahlseile benötigte.

Und selbst 1982 sah es viel düsterer aus. Ich darf daran erinnern, dass wir damals gerade aus den letzten Wehen der großen Inflation der Ölpreisschocks und der Babyboomjahre kamen. Hier lagen die Renditen der Staatspapiere in den USA im zweistelligen Bereichen, und der Verbraucherpreisindex kam von knapp 15 % jährlich und zeigte selbst 1982 noch immer auf über 10 %. Zudem hatte eine extreme Bremspolitik der Notenbank die Wirtschaft in eine heftige Krise gestürzt.

Dagegen sieht es heute wirklich rosig aus. Denn was soll jetzt noch passieren? Die Gefahr einer Systemkrise ist gemeistert, die Staaten haben beherzt eingegriffen und werden diese Eingriffe notfalls wiederholen oder sogar noch verstärken. Die Wirtschaft wird sich daher ganz sicher erholen. Und die Inflation bleibt garantiert niedrig. Dies wird nur von vielen Marktteilnehmern nicht begriffen, die aus den Geldmengensteigerungen zukünftig hohe Inflationsraten herauslesen, was jedoch auf einer falschen Theorie basiert. Inflationen sind immer realwirtschaftliche Phänomene, und es kann sie nur dann geben, wenn die Löhne deutlich steigen, was derzeit jedoch völlig ausgeschlossen ist.

Die einzige Inflation, die sich daher ergeben kann und auch ergeben wird, ist eine Asset-Inflation. Wenn die Unsicherheit sich noch weiter gelegt hat, werden die Marktteilnehmer schneller versuchen, ihr Geld in Assets zu investieren, als die Notenbanken dieses Geld wieder aus dem Kreislauf heraus schleusen können. Die etwas lockere Redewendung, dass durch die Rettungsmaßnahmen bereits die Grundlage für die nächste Blase gelegt ist, ist daher im Kern durchaus richtig. Genau aus diesem Grunde heißt es jetzt ja auch: Kaufen!

Bernd Niquet

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