Der globale Markt für ICOs hat sich in den letzten drei Jahren sehr positiv entwickelt: 2016 wurden ca. 250 Mio. USD Kapital eingeworben, weitere rund 6 Mrd. USD ein Jahr später und bis Ende Mai 2018 13,7 Mrd. USD, laut PwC. Um in die weltweiten Top Ten der erfolgreichsten ICOs zu gelangen, sind aktuell mehr als 150 Mio. USD notwendig. Die zwei bisher größten Tech-ICOs EOS (ca. 4 Mrd. USD im Laufe eines Jahres) und Telegram (1,7 Mrd. USD in zwei Tranchen in Q4/2017 und Q1/2018) setzten bzgl. möglicher Volumina neue Maßstäbe. Börsennotierte US-Firmen erwägen ICOs mit Zielvolumina im dreistelligen Millionenbereich. Warum sich ICOs auch für den Mittelstand lohnen. Von Ruben Bach

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung erscheint 2018 ein ICO-Gesamtvolumen von mehr als 20 Mrd. USD realistisch. ICOs sind eine in Deutschland bisher noch wenig genutzte Finanzierungsform. Aufgrund der strategischen Chancen und Risiken für mittelständische Technologieunternehmen wird das ICO ؘ– nach einer Phase intensiver Regulierung ؘ– ein wichtiges Instrument im Strategie- und Finanzierungsmix mittelständischer Unternehmen werden.

Regulatorik als Schlüsselthema

Die pragmatische und gegenüber Finanzinnovationen offene Einstellung der Regulatoren in den USA definiert den globalen Rahmen der Regulierung. Einerseits, so die SEC, müssten

Ein ICO ist ein globales Crowdfunding auf Basis von Kryptowährungen und wird in fünf Phasen gemanagt
Ein ICO ist ein globales Crowdfunding auf Basis von Kryptowährungen und wird in fünf Phasen gemanagt.

Konsumenten geschützt und die Integrität der Märkte erhalten werden, andererseits solle fairen und professionellen Marktteilnehmern die Chance gegeben werden, ihre Innovation am Markt zu etablieren. Entsprechend werde seit ca. einem Vierteljahr konsequent gegen unseriöse Projekte vorgegangen – andererseits die Regulierung vorangetrieben. Beispielsweise sollten bis Ende 2018 mehrere Kryptobörsen reguliert sein.

Einige Staaten sind sogar einen Schritt weiter und haben ICOs bereits einen regulatorischen Rahmen gegeben: In Europa sind dies vor allem die Schweiz, Estland, Malta und Gibraltar. Diese Jurisdiktionen folgen dabei einer bewussten Strategie im Standortwettbewerb, die teilweise durch dedizierte Ministerien (Estland, Malta) bzw. semi-staatliche Spieler (z.B. die Swisscom Blockchain AG) unterstützt wird.

In Deutschland sucht die BaFin aktiv den konstruktiven Austausch mit den Marktteilnehmern. Gesetzeskonformen und professionell gemanagten ICOs steht sie offen gegenüber und sie bewertet im bestehenden regulatorischen Rahmen auf Einzelfallbasis. Damit wird den Erfordernissen des Anlegerschutzes bei gleichzeitig sorgfältiger Bewertung innovativer Konzepte entsprochen. Im zweiten Halbjahr 2018 sollten die ersten, aus Investorensicht attraktiven Projekte realisiert werden.

 

Vorteile aus Unternehmersicht

Im Unterschied zu herkömmlichen Finanzierungen bieten ICOs – insbesondere für etablierte Technologieunternehmen und gut finanzierte High-Tech Ventures – vier entscheidende Vorteile:

  • keine Verpflichtung zur Rückzahlung des eingeworbenen Kapitals
  • keine Verwässerung der Gesellschafter auf Anteilsebene
  • keine Einschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit durch Kontroll- und Mitbestimmungsrechte
  • keine transaktionsspezifische Haftung (jenseits der gesetzlichen Haftung eines Geschäftsführers bzw. Vorstands der ICO-Gesellschaft)

Die Vorteile einer ICO-Finanzierung aus Unternehmersicht lassen sich an einem einfachen Beispiel zeigen: Bei einer Post-Money-Firmenbewertung von 30 Mio. EUR müsste der Unternehmer für eine Finanzierung in Höhe von 10 Mio. EUR 33% der Anteile abgeben. Im Falle einer ICO-Finanzierung verbleiben diese Anteile beim Unternehmer. Bei einem späteren Exit zu 100 Mio. EUR beträgt der finanzielle Vorteil eines ICO – ohne Berücksichtigung der Kosten – 33 Mio. EUR. Zudem bleibt der Unternehmer hinsichtlich aller unternehmerischen Entscheidungen frei und kann über den Zeitpunkt des Verkaufs und den Käufer ohne Einschränkung entscheiden.

Auch dient der überwiegende Teil des Geldes – anders als bei einem herkömmlichen Fundraising bzw. Börsengang – der Markenbildung, der Erhöhung der Bekanntheit, der Medienpräsenz, dem Aufbau eines professionellen Onlinemarketings, der Verstärkung der E-Commerce-Kompetenzen, dem Ausbau der Kundenbasis und des eigenen Ökosystems sowie der Gewinnung von Geschäftspartnern und qualifizierten Mitarbeitern. Das für die Kapitaleinwerbung aufgewandte Geld ist also – im Unterschied zu den Transaktionskosten herkömmlicher Finanzierungen – unternehmerisch kein „verlorenes“ Geld.

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