Dr. Lutz Krämer und Dr. Lars Teigelack, White & Case

Corporate Litigation und Organhaftung sind seit einigen Jahren geflügelte Worte börsennotierter Gesellschaften. Ein Großteil der angestrengten und nicht selten durch Vergleich erledigten Verfahren ist im weitesten Sinne compliance-induziert oder betrifft fehlgeschlagene M&A-Transaktionen. Im Rahmen der Finanzkrise ist jedoch auch die Kapitalmarktkommunikation in das Zentrum bedeutender Auseinandersetzungen gerückt. Porsche/VW und IKB sind nur zwei der IR-relevanten Kommunikationsthemen. Investor Relations Officer (IRO) fragen sich daher zunehmend, welche Tätigkeitsbereiche besonders gefahrgeneigt sind und ob sogar ihre Einbeziehung in eine D&O-Versicherung sinnvoll oder geboten sei. Dieser Beitrag skizziert zunächst einige besonders haftungsgeneigte Themen und erörtert sodann Absicherungsmöglichkeiten sowie Vor- und Nachteile einer Versicherung.

Haftungssensible Aspekte der IR-Arbeit
Hochsensibel sind typischerweise der Entstehungsprozess vertraulicher Informationen im IR-Tagesgeschäft und die Kommunikation mit Investoren und interessierten Medien im zeitlichen Vorfeld von Transaktionen. Dies betrifft beispielsweise das sog. Pilot Fishing im Vorfeld von Kapitalmarkttransaktionen oder die Beantwortung von Investorenanfragen während einer Selbstbefreiungsphase.

Die durch den EuGH erschwerte Bestimmung der hinreichenden Eintrittswahrschein lich – keit eines Umstandes legt dem IRO im Einzelfall schwierige Prognose entscheidungen auf. Foto: PantherMedia / Sebastian Duda

Ob eine Insiderinformation vorliegt, ist nämlich, anders als der Text des § 13 WpHG vermuten lässt, keineswegs eine einfache Ja-/Nein-Entscheidung, sondern eine wertende Betrachtung. Gerade bei Großunternehmen kann die allmähliche Verfestigung einer Vielzahl von Details die Wertung beeinflussen. Die durch das Daimler/Schrempp-Urteil des EuGH zusätzlich erschwerte Bestimmung der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit eines Umstandes oder auch nur eines Zwischenschritts legt dem IRO im Einzelfall schwierige Prognoseentscheidungen auf, die nicht immer im Sinne größtmöglicher Zurückhaltung lösbar sind. Die EU-Kommission will darüber hinaus in der geplanten Marktmissbrauchsverordnung den Begriff der Insiderinformation auf bestimmte nicht kurserhebliche Sachverhalte ausdehnen („Insiderinformation light“). Dies soll zwar nur für die Insiderverbote und nicht für die Ad-hoc-Publizität gelten, kann aber zusätzliche Rechtsunsicherheit schaffen.

Sollen beispielsweise vor einer Kapitalerhöhung Kerninvestoren und wichtige Fonds „über die Mauer“ gehoben werden, stellt sich die Frage nach der Höchstzahl der im Rahmen des Insiderrechts anzusprechenden Marktteilnehmer. Die vorherrschende restriktive Lösung mit maximal sechs bis acht Investoren im Rahmen einer Vertraulichkeitsvereinbarung ist je nach Sektor und Kapitalmarktumfeld für die sachgerechte Ermittlung der Erfolgsaussichten nicht immer ausreichend. Häufig wird sich daher die Frage stellen, inwieweit der IRO aufgrund der Umstände des Einzelfalls auf Basis einer rechtlichen Stellungnahme mit Augenmaß die Grenzen testen darf bzw. sollte. Vergleichbare Fragen stellen sich bei der Veröffentlichung inhaltlich gegenläufiger Entwicklungen wie z.B. dem Zusammentreffen „guter“ Quartalszahlen und aus Kapitalmarktsicht „schlechter“ Nachrichten, wie einer beabsichtigten Kapitalerhöhung.

Vorsicht ist besser
Die saubere Dokumentation der eigenen Einschätzung, eine Abstimmung im Ad-hoc-Committee gemäß Emittenten-Leitfaden der BaFin und die enge Sensibilisierung für Insiderthemen an der Schnittstelle zu Compliance sind Grundpfeiler der Vorbeugung. Diese Werkzeuge vermögen zwar einiges zu leisten, Grauzonen können jedoch auch sie nicht gänzlich vermeiden. Für die Haftungsvermeidung der IRO lassen sich in diesem Rahmen folgende Empfehlungen geben: Anweisungen des Vorstands zu einer bestimmten Haltung bzw. Kommunikationsweise entlasten als solche nicht. Dem IRO ist hier ein ausreichend breites „Rückgrat“ zuzumuten und er muss sich etwaigen Anweisungen entgegen den §§ 13, 15 WpHG verschließen. Die Bußgelder der BaFin, die zunächst die Gesellschaft und lediglich im Einzelfall auch einzelne Vorstandsmitglieder oder auch Personen der zweiten Führungsebene treffen können, darf die Gesellschaft grundsätzlich nicht erstatten. Sie darf zwar zunächst die Abwehrkosten übernehmen, muss jedoch ein verhängtes Bußgeld grundsätzlich durch die Verantwortlichen tragen lassen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist zu betonen, dass IRO auch auf der zweiten Führungsebene als Arbeitnehmer gelten und insofern die Haftungsprivilegierung des innerbetrieblichen Schadensausgleichs greift.

Arbeitsrecht kann im Ernstfall helfen
Die Kapitalmarktkommunikation ist in aller Regel eine betriebliche Tätigkeit im Sinne der arbeitsrechtlichen Judikatur; je nach Verschuldensgrad haftet der IRO also nur abgestuft bzw. hat einen völligen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber. Auch im Innenverhältnis ist der Regress des Arbeitgebers insoweit gesperrt. Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (bzw. der Leichtfertigkeit im Sinne der Bußgeldtatbestände) haftet in der Regel der Arbeitnehmer, während spätestens ab der mittleren (= einfachen) Fahrlässigkeit eine Quotelung und bei leichtester Fahrlässigkeit eine 100%-ige Freistellung zugunsten des Arbeitnehmers eingreift. Ein faktisches Problem stellt sich hier insofern, als die BaFin Leichtfertigkeit im Einzelfall relativ schnell annimmt. Bisher hat sie als Kompensation hierfür zumindest bei Erstverstößen selten ein Bußgeld verhängt, jedoch mehren sich in letzter Zeit die Anzeichen für eine fühlbare Straffung der Bußgeldpraxis und eine Erhöhung der durch die BaFin verhängten Bußgelder. Außerdem ist die Reform des europäischen Marktmissbrauchsrechts erkennbar von dem Willen nach Verschärfung und Vereinheitlichung der Sanktionsmöglichkeiten und -praxis getrieben.

Eine D&O-Versicherung kann „schlafende Hunde wecken“. Foto: PantherMedia / maigi

D&O Versicherung kann „schlafende Hunde wecken“
Vorab eine Warnung zu den straf- und bußgeldbewehrten Verboten der unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen und einer informationsbasierten Marktmanipulation im Sinne des § 20a WpHG: Insoweit ist der IRO nur durch professionelles Handeln und die genaue Kenntnis der Tatbestände geschützt. Versicherungsschutz scheidet hier in aller Regel aus, weil wissentliche Pflichtverletzungen typischerweise aus dem Anwendungsbereich der D&O-Versicherungen ausgenommen sind.

Zur Frage, ob dennoch nicht mindestens die IR-Leitung grundsätzlich in die D&O-Versicherung einzubeziehen ist, sind in aller Kürze zwei Aspekte zu trennen: Zum einen wird dies faktisch überhaupt nur in Betracht kommen, sofern die Investor-Relations-Leiter die zweite Führungsebene bekleiden. Eine weitergehende Einbeziehung von Mitarbeitern in den Schutz einer D&O-Versicherung ist jedenfalls in Deutschland unüblich. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass bei der D&O-Versicherung als Haftpflichtversicherung die Gesellschaft Versicherungsnehmerin und die Organe bzw. hier die Leitung IR versicherte Personen sind. Im behaupteten Schadensfall entscheidet also die Gesellschaft, ob sie die versicherten Arbeitnehmer in Anspruch nimmt. Für Arbeitnehmer unterhalb der Geschäftsführung oder des Vorstands wird von Bedeutung sein, dass die Deckung durch eine D&O-Versicherung die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme und eines u.U. Jahre währenden komplexen Rechtsstreits zumindest erheblich erhöht. Während abseits von strafrechtlich relevanten Verstößen Mitarbeiter der zweiten und dritten Führungsebene üblicherweise im Konfliktfall lediglich entlassen und keinerlei weitergehende Ansprüche gestellt werden, schafft die Einbeziehung in eine D&O-Versicherung nicht selten Begehrlichkeiten. Endet ein etwaiger Prozess dann mit einem Vergleich, wird ein hierfür gut recherchierter Sachverhalt ebenfalls eine (Teil-) Inanspruchnahme gegenüber dem „unversicherten“ Zustand erhöhen.

Der beste Schutz für IR-Verantwortliche ist daher Zurückhaltung gegenüber etwaigen Anweisungen oder Zumutungen einzelner Unternehmensverantwortlicher bei insiderrelevanten Sachverhalten sowie die organisatorische Einbindung von IR in den Ad-hoc-Ausschuss. Die Forderung nach einer D&O-Versicherung ist dagegen auf der zweiten oder gar dritten Führungsebene ein zweischneidiges Schwert.

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