Erst Flugzeug, dann Auto
Die Wurzeln des heutigen Weltkonzerns reichen bis ins Jahr 1916 zurück. Damals wurden die bayerischen Flugzeugwerke gegründet, die ein Jahr später in Bayerische Motorenwerke (BMW) umbenannt wurden. Aufgrund des Versailler Vertrags durften Flugzeugmotoren nach Ende des Ersten Weltkriegs nicht mehr gebaut werden. Daher schwenkte das Unternehmen um und spezialisierte sich nunmehr auf Motorrad- und Automotoren. Trotz der Rückschläge, mit denen BMW nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu kämpfen hatte, erholte sich das Unternehmen schnell – dabei wurde aber nicht nur auf das Inlandsgeschäft gesetzt: Bereits 1950 exportierten die Bayern rund 18% ihrer Maschinen.

Anfang der 50er schon stieg BMW in den Markt der Oberklassewagen ein. Alles schien gut zu laufen für das Autohaus – doch gab es einen Denkfehler in der Produktion: Autos für die wachsende Mittelklasse wurden übersprungen, ja vergessen. Zwischen der Premiumklasse und dem günstigen Volksauto „Isetta“ klaffte eine gähnende Lücke im mittleren Preissegment. Dies führte Ende der 60er Jahre zu unansehnlichen Verlusten.

BMW wird zum Familienunternehmen
Seine Chance auf eine Übernahme witternd machte der Erzrivale Daimler-Benz ein befristetes Sanierungsangebot. Doch  der Widerstand diverser Kleinaktionäre sowie der Belegschaft während der Hauptversammlung wehrte die Verschmelzung der Stuttgarter mit den Bayern ab. Die Selbstständigkeit war zunächst gesichert – aber das dringend benötigte Mittelklasse-Modell und Kapital zur Entwicklung desselbigen fehlten weiterhin.

Das war der große Moment des Industriellen Herbert Quandts: Er veranlasste einen Kapitalschnitt und erklärte sich bereit, alle Aktien, die bei der anschließenden Kapitalerhöhung nicht verkauft würden, selbst zu übernehmen. Dadurch erhöhte sich der Anteil der Quandts auf 60% –  das Familienunternehmen BMW war geboren.

Dank der neuen finanziellen Mittel schaffte BMW den Sprung in den Mittelklassemarkt und damit auch zurück in die schwarzen Zahlen. „Mit seiner hochriskanten Investition sicherte Herbert Quandt dem Unternehmen die Eigenständigkeit“, beschreibt sein Sohn Stefan den Schritt seines Vaters anlässlich des 50. Jahrestages der Rettung des Unternehmens. Ab diesem Moment waren die Geschicke des Unternehmens an den Quandt-Clan gebunden.

Familie Quandt & Konzern
Und diese Konstellation schadete BMW keineswegs: Der Mann im Hintergrund war in alle Entscheidungen des Unternehmens involviert. Zwar strebte Quandt nie den Vorstandsvorsitz an, bestimmte aber mit, wer diese Stelle bekleiden sollte. Der Erfolg gab ihm Recht: Das langfristige Interesse und die Stabilität brachten den Autobauer durch verschiedene Krisen, ohne dabei einen operativen Verlust zu erleiden. Weder die Ölkrise noch das Debakel bei der Rover-Übernahme konnten dem Konzern nachhaltig schaden – bis heute. Erst die weltweite Finanzkrise stoppte vorübergehend das Wachstum des DAX-Konzerns. Seit der Sanierung ist der Umsatz kontinuierlich gestiegen. Waren es 1965 noch 0,5 Mrd. DM, so haben sich die Erlöse mittlerweile auf rund 60 Mrd. EUR im Jahr 2010 vervielfacht.

Das Engagement der Familie, die heute rund 47% der Anteile hält, hat auch nach dem Tod des Familienoberhaupts 1982 nicht nachgelassen. Quandt hinterließ seine Anteile bei BMW seiner dritten Frau Johanna und ihren beiden Kindern Susanne Klatten und Stefan Quandt. Beide sind seit 1997 Mitglieder im Aufsichtsrat.

Der Krise davongefahren
BMW zählt heute zu den wertvollsten Familienunternehmen Deutschlands. Insgesamt beschäftigen die Bayern mehr als 95.000 Mitarbeiter weltweit. Seit dem Rover-Projekt konzentriert sich die BMW-Gruppe auf Fahrzeuge im Premium-Segment und belegt hinter Audi den zweiten Platz der Premiumhersteller in Deutschland  Im vergangen Jahr konnte das Unternehmen den Absatz um 14% auf 1,46 Mio. Fahrzeuge steigern. Mit den verschiedenen Marken MINI, BMW und Rolls Royce haben die Münchner eine breite Produktpalette, um verschiedene Kundenwünsche zu erfüllen.

2010 war ein gutes Jahr für die Bayern. Der Umsatz kletterte um 19% auf 60,5 Mrd. EUR. Zudem wurde der Nettogewinn von 210 Mio. auf 3,23 Mrd. EUR verfünfzehnfacht. An diesem Erfolg sollten auch die Aktionäre beteiligt werden. Ihnen wurde eine Dividende von 1,30 EUR (Vj. 0,30 EUR) pro Aktie ausgezahlt. Für das laufende Geschäftsjahr zeigt sich BMW ebenfalls optimistisch: Im Segment Automobile soll die EBIT-Marge auf 8% steigen und der Absatz die 2010er Ergebnisse nochmals deutlich übertreffen.

Fazit
Auch wenn die Quandts BMW nicht gegründet haben, merkte man davon in der Vergangenheit nicht viel. Zu eng verwoben ist der Familienname heute mit dem Weltkonzern. Dafür war deren Engagement zu groß, dem Autobauer die nötige Stabilität und heutige Stellung zu gewährleisten. Die Quandts halten sich weiterhin im Hintergrund, scheuen die Öffentlichkeit und sorgen nicht durch Familienstreitigkeiten für negative Schlagzeilen. Der stille Einfluss der Familie wirkte fast schon heilsam auf den Autobauer, woran sich künftig nichts ändern dürfte. Halten die Quandt weiterhin an ihrer Strategie und ihrem Aktienpaket fest, scheint BMW für die Zukunft gut gewappnet.

Maximiliane Worch

Ursprünglich erschienen im GoingPublic Magazin 08-09/2011.

 

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